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Schurkenquartett gestellt

Medizin. – Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Viele dieser Tumore metastasieren und erschweren so eine erfolgreiche Therapie bedeutend. In der aktuellen "Nature" berichten US-Wissenschaftler über das Zusammenspiel von vier Brustkrebsgenen, das offenbar diese Metastasierung fördert. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch über die Entdeckung.

    Pasch: Herr Winkelheide, was haben denn die Forscher gemacht?

    Winkelheide: Man weiß ja schon seit mehreren Jahren, wenn Krebszellen besonders aggressiv sind, dass sie sehr früh Metastasen, also Tochtergeschwülste in anderen Organen bilden. Und US-amerikanische Forscher vom Memorial-Sloan-Kettering-Krebsforschungszentrum in New York haben vor zwei Jahren schon geguckt, welche Gene arbeiten anders als normalerweise in Körperzellen, welche haben ein untypisches Aktivitätsmuster, und sie haben 18 Gene gefunden, also einen ganzen Katalog von Genen. Vier von diesen Genen haben sie sich genauer angeguckt und sie haben festgestellt, genau diese vier Gene sind sehr kritisch für die Verbreitung von Brustkrebs in der Lunge. Das Zusammenspiel dieser vier Gene macht es möglich, dass sich Zellen aus den ursprünglichen Tumor lösen, dass sie über die Blutgefäße in die Lunge wandern, dass sie aus den Blutgefäßen dort herausgehen sich dort ansiedeln und dafür sorgen, dass die Metastasen danach wachsen können. Und das ist ein sehr wichtiger Fund, insofern als man jetzt genauer erklären kann, was denn nun genau passiert. Wie können sich Metastasen bilden. Denn das gefährliche ist ja gerade die Metastasenbildung für Patienten. Denn an dem ersten Tumor, der normalerweise operiert wird, wird man nicht sterben, sondern man stirbt, wenn überhaupt, wenn man das Problem der Metastasierung nicht vollkommen unter Kontrolle bekommt.

    Pasch: Lässt sich denn das Zusammenspiel der kritischen Gene stören?

    Winkelheide: Die Forscher haben das versucht, und sie haben das gemacht, indem sie Gene ausgeschaltet haben, also lahm gelegt haben, und dann den Mäusen, die so veränderten Krebszellen gespritzt haben, und geguckt haben, was passiert. Und wir haben gesehen, wenn man nur ein Gen lahm legt von diesen vieren, passiert relativ wenig, also die Krebsentwicklung wird relativ normal, in Anführungszeichen, weitergehen, der Krebs wird sich ausbreiten, es werden sich Metastasen bilden. Wenn man aber alle vier blockiert, dann hat das einen dramatischen Effekt. Zum einen auf die Wanderung der Krebszellen: Das heißt, die Zellen können dann zwar noch in die Lunge hinein wandern, aber sie bleiben dann in den feinen Gefäßverästelungen der Lunge hängen, kommen nicht da raus, können also keine neuen Metastasen bilden. Und es hat auch einen großen Effekt auf das Wachstum des ersten Tumors. Das heißt, da bilden sich keine neuen Blutgefäße, was an sich Voraussetzung dafür ist, dass ein Tumor richtig wachsen kann.

    Pasch: Wird der Fund die Behandlung von Brustkrebs verändern?

    Winkelheide: Das lässt sich im Moment noch nicht so genau sagen. Die Forscher haben zwar auch Substanzen ausprobiert, die einen Effekt haben auf diese vier Gene. Der glückliche Fall ist, zwei Medikamente sind schon zugelassen zur Behandlung, auch von anderen Krankheiten, und diese Medikamente könnte man sozusagen sofort auch testen. Und es gibt noch einen experimentellen Wirkstoff, den man auch in Zukunft nutzen könnte. Trotzdem bleibt die Frage, gilt das, was die Forscher gefunden haben, nur für diese eine Zelllinie, die ja im Labor gezüchtet worden ist, oder gilt das für alle Brustkrebstypen. Also ist das ein typischer Fund, der für alle Brustkrebsarten gelten würde. Das ist die eine Frage. Die andere Frage ist, gilt das nur für die Metastasenbildung in der Lunge, oder würde man, wenn man diese vier Gene blockiert, auch verhindern, dass sich Metastasen zum Beispiel in den Knochen bilden, oder im Gehirn. Und das ist eine große Frage, die die Forscher jetzt in Studien klären.

    Pasch: Stichwort Übertragung. Was bedeutet diese Studie in "Nature" denn für das Verständnis von anderen Krebserkrankungen?

    Winkelheide: Es ist zunächst einmal ein Hinweis für andere Forscher zu gucken, ob das Muster, was man jetzt gefunden hat, ob das auch für andere Tumor Erkrankungen gilt. Also, wenn Darmkrebs Metastasierung, sind dann dieselben vier kritischen Gene aktiv, oder nicht. Das wird man in Zukunft gucken.