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Schuss nach hinten?

Münchens Olympiabewerber haben es plötzlich eilig. Oberbürgermeister Christian Ude drängt auf einen Bürgerentscheid für die Spiele in Garmisch noch vor dem 10. Mai - denn an dem Tag legt die Prüfkommission des IOC ihren Evaluierungsbericht zu München, Pyeongchang und Annecy vor.

Von Thomas Kistner | 07.03.2011
    Die Garmischer Bürger sollen es jetzt richten, nachdem die IOC-Prüfer bei ihrer Visite Irritation darüber zeigten, dass sie weder zur Qualität der Grundstücksfrage noch zum Thema Enteignungen gut vorinformiert waren. Überdies drohen die Olympiagegner nun mit ihrem Bürgerbegehren, dass München am 6. Juli in Durban nur unter Vorbehalt um die Spiele buhlt - das wäre eine K.o.-Situation.

    Udes setzt ein eigenes, pro-olympisches Bürgerbegehren dagegen. Doch die Attacke könnte nach hinten losgehen, obwohl sie formal nur die Stimmung drehen und den bestehenden Bewerber-Vertrag mit dem IOC bekräftigen soll. Denn die Spiele-Gegner bringen ein Begehr auf den Weg, nach dem der IOC-Vertrag auf seine Rechtmäßigkeit hinsichtlich der deutschen Gesetzeslage begutachtet werde soll. Käme es dazu, wäre das hochbrisant - weil dabei das IOC selbst ins Fadenkreuz der Juristen gerät. Und sollte herumkommen, dass der Vertrag nationales Recht beugt oder missachtet, wäre dies ein Tiefschlag für die globale IOC-Bewerbungspolitik.

    Die Olympier verteilen die Rechte und Pflichten strikt einseitig, zu Lasten der Bewerber. Die Kommunen gehen teils absurde Verpflichtungen ein, bis hin zum Bau von Verkehrswegen weit jenseits ihrer Stadtgrenzen. Und es gibt noch Umstritteneres: Wie steht es um die berüchtigte Steuerbefreiung, die sich IOC und auch die Fifa von Kandidaten garantieren lassen? Die Steuerbefreiung halte er generell für ein Problem, sagte jüngst der scheidende Innenminister Thomas de Maiziere.

    Sollten also die Kernfragen der IOC-Verträge auf deutsche Richtertische gelangen, könnte München über eine Erkenntnis stolpern, die ausgerechnet Ude selbst im Herbst 2010 traf, als ihm der neue IOC-Vertrag vorlag: Der sei eine "Zumutung", wetterte der OB. Eben ein Knebelvertrag - so hatten schon vor ihm viele Betroffene beklagt.