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Schutz für Mensch und Umwelt vor Chemikalien

In Genf beraten fast 2000 Fachleute darüber, wie Mensch und Umwelt besser vor gefährlichen Chemikalien und Abfällen geschützt werden können. Auch das Versprechen, das die Politik im Jahr 2002 auf der Nachhaltigkeitskonferenz in Johannesburg gegeben hat, wird diskutiert.

Von Ralph Ahrens | 30.04.2013
    "Gut, das 2020-Ziel sieht ja vor, dass Chemikalien in einer Art und Weise genutzt werden ab diesem Zeitpunkt, dass sie nicht mehr gefährlich sind","

    sagt Gordo Jain vom Bundesumweltministerium. Er weiß, dieses Ziel ist nicht mehr zu erreichen.

    ""Wenn man jetzt die Frage stellt, wird das Ziel erreicht werden, dann denke ich mir, kann man das nicht mit einem klaren Ja beantworten."

    Probleme gibt es etwa beim Asbest. Alexandra Caterbow von der Organisation ‘Women in Europe for a Common Future’.

    "Russland ist eines der Länder, die am meisten Asbest produzieren und exportieren. Und sie weigern sich einfach anzuerkennen, dass Asbest gesundheitsgefährdend ist, machen aber auch keine eigenen Studien und haben keine eigenen Krebsregister zu dem Thema. Das heißt, sie finden absichtlich nicht das Problem, um dann zu sagen, wir haben keines."

    Um Asbestausfuhren etwa nach Indien oder in afrikanische Länder nicht zu gefährden, will Russland nicht, dass die krebserregende Mineralfaser in die Rotterdamer Konvention aufgenommen wird. Hierbei geht es nicht um ein Verbot, sondern darum, die Staaten, in die Asbest eingeführt wird, über die Risiken der Faser zu informieren. Das Problem:

    "Die Rotterdam-Konvention arbeitet, leider muss man sagen, nach dem Konsensprinzip. Das heißt, wenn ein Vertragsstaat Nein sagt, heißt es Nein für alle."

    Doch es geht auch schrittweise voran. Ein Beispiel ist die Chemikalie Hexabromcyclododecan. Sie wird als Flammschutzmittel weltweit in Dämmplatten aus Polystyrol eingesetzt. Von dieser Substanz, kurz HBCD genannt, stellen Firmen in China, Japan, den Niederlanden und den USA mehr als 30.000 Tonnen jährlich her. Die Chemikalie ist aber langlebig, reichert sich in Mensch und Tier an – und kann die Gesundheit schädigen, meint Alexandra Caterbow

    "Es ist vor allem endokrin wirksam, das heißt fruchtbarkeitsschädigend, es stört das Hormonsystem und es ist vor allem auch schädlich für Kinder. Und deswegen sind wir sehr froh, wenn es gelistet wird."

    Das heißt: Die Vertragsstaaten der Stockholmer Konvention werden HBCD zu den ‘POPs’ zählen. Diese ‘persistent organic pollutants’ – also diese langlebigen organischen Schadstoffe – werden weltweit geächtet. Zu ihnen gehören heute schon Umweltgifte wie das Insektengift DDT oder auch Dioxine. Der Teufel liegt aber im Detail. Die EU überlegt, eine Ausnahme zu beantragen: Gebrauchte Dämmstoffplatten aus Polystyrol, die den giftigen für Flammhemmer enthalten, sollen recycelt werden dürfen. Das wäre für Alexandra Caterbow ein Skandal.

    "Recycling heißt, dass der Stoff zwar verboten ist, aber noch viele Jahre über Recycling in unseren Produkten vorhanden sein wird. Auf der einen Seite haben wir es verboten, auf der anderen Seite endet es dann wieder in unserem Wohnzimmer."

    Dabei gibt es Alternativen, meint Peter Dawson von der Nationalen Umweltbehörde Neuseelands. Er hat für die internationale Arbeitsgruppe, die sich mit Neuen POPs wie HBCD beschäftigt, einen Bericht erstellt.

    "Will man den Stoff nicht mehr einsetzen, muss man schauen, ob es Alternativen gibt. Und die gibt es. Die Industrie entwickelt Flammschutzmittel, die bald HBCD ersetzen können. Polystyrol lässt sich aber auch durch Steinwolle, Glaswolle oder andere Kunststoffschäume ersetzen."

    Dennoch könne man von heute auf morgen nicht auf das Flammschutzmittel HBCD verzichten. Peter Dawson:

    "Solche Dinge brauchen Zeit. Selbst wenn ein neues Flammschutzmittel bereits morgen verfügbar wäre, müssten Hersteller von Dämmungen noch prüfen, ob mit diesem neuen Stoff auch alle gesetzlichen Regelungen zum Flammschutz eingehalten werden. Es wird also Übergangsfristen geben."

    In den nächsten Tagen wird in Genf darüber entschieden, wie lange HBCD noch eingesetzt werden darf und welche Ausnahmen es geben wird. Alexandra Caterbow ist von diesem Hickhack um aus ihrer Sicht unnötige Ausnahmen enttäuscht. Gordo Jain vom Bundesumweltministerium freut sich jedoch auch über die kleinen Erfolge.

    "Ich finde den langsamen Fortschritt auch nicht sehr erfreulich, aber ich denke, das muss man ausblenden – und man muss einfach sehen, dass man vorankommt. Und wir gehen in die richtige Richtung – und leider halt mit kleinen Schritten."