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Schutz gegen Schweinegrippe

Medizin. - Weltweit haben sich an die 120.000 Menschen mit dem Schweinegrippevirus H1N1 angesteckt. Bei uns in Deutschland ist die Situation noch relativ entspannt, aber in den Herbst- und Wintermonaten könnte sich das ändern. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Pasch: Dann wird die Zahl der Infektionen wahrscheinlich deutlich ansteigen. Vorsorglich haben sich gestern Vertreter von Bund und Ländern darauf geeinigt, 50 Millionen Dosen eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe zu ordern. Damit ließe sich etwa jeder Dritte bei uns gegen die Schweinegrippe impfen. Mitarbeiter des Gesundheitswesens, chronisch Kranke und Schwangere sollen bevorzugt werden, hieß es. Im Studio begrüße ich Martin Winkelheide. Impfstoff bestellen, heißt aber doch nicht, Impfstoff haben, oder?

    Martin Winkelheide: Auf jeden Fall!

    Pasch: Wie weit sind denn die Impfstoffentwickler bis jetzt gekommen?

    Winkelheide: Man ist eigentlich im Moment ganz gut im Zeitplan. Ende April ist das Virus ja zum ersten Mal identifiziert worden. Man hat es dann isoliert, im Labor genauer untersucht, und man kann das krank machende Virus ja nicht benutzen, um diesen Impfstoff herzustellen. Man muss ja ein Virus erst mal schaffen, was sich gut vermehrt, aber was nachher dann dem Immunsystem zeigt, wie das krank machende Virus aussieht, ohne dass es tatsächlich selber krankmacht. Das heißt, man muss erst mal ein sogenanntes Saatvirus herstellen. Das haben Forscher auch gemacht, haben es an die Kooperationszentren der Weltgesundheitsorganisation geschickt. Die haben das an die Impfstoffhersteller geschickt, und da sind die Saatviren jetzt und können jetzt umgesetzt werden in Impfstoff.

    Pasch: Beim Treffen in der eben angesprochenen Weltgesundheitsorganisation hieß es, es laufe nicht alles so wie erwartet bei der Impfstoffproduktion. Was steckt dahinter?

    Winkelheide: Impfstoffproduktion ist etwas sehr Kompliziertes. Es gibt häufiger mal unangenehme Überraschungen. Man hat ja Musterzulassungen schon weit im Voraus erwirkt dadurch, dass man sich auf die Herstellung des Pandemieimpfstoffes schon mal vorbereiten wollte. Man hat sozusagen ein anderes Virus genommen, damals hat man gedacht, das H5N1-Virus, also das Vogelgrippevirus, sei ein guter Kandidat für ein Pandemievirus. Und man hat auf Grundlage von H5N1 schon mal die Zulassung dafür erwirkt, wie man einen Pandemieimpfstoff herstellt. Man hat jetzt sozusagen nur noch das Virus ausgetauscht und hat schon die Produktionsschritte zugelassen, wie man das produziert.

    Die Überraschung, die man erlebt hat, ist, dass man festgestellt hat: Mit dem Impfviren lässt sich nicht soviel Impfstoff gewinnen, wie man das eigentlich gewohnt ist von normalen Grippeschutzimpfungen, also der Schutzimpfung gegen die saisonale Grippe. Das heißt, dass es länger dauern wird, bis man große Mengen von dem pandemischen Impfstoff hergestellt haben wird. Und die Forschungslabors sind im Moment dabei, eine neue Generation von Saatviren zu kreieren, von denen man hofft, dass sie dann etwas effektiver beitragen können für die Impfstoffherstellung.

    Pasch: Wie lange dauert es denn, bis die ersten Impfstoffdosen ausgeliefert werden können?

    Winkelheide: Das lässt sich jetzt nicht genau sagen. Also wenn jetzt alles reibungslos weiter gut verläuft, dann könnten die ersten Impfstoffdosen im September ungefähr fertig sein. Aber die meisten Experten wollen sich so genau da auch gar nicht festlegen lassen. Sie sagen, im Herbst wird es eben den ersten Impfstoff geben. Aber man muss ja dann auch erstmal testen: Ist er wirklich gut verträglich, kann er tatsächlich ohne Gefahr eingesetzt werden beim Menschen? Das muss man schon testen, auch wenn diese Tests kürzer sind und nicht so aufwendig sind, wie normale klinische Tests.

    Pasch: Ab wann kann, ab wann sollte mit den Impfungen denn begonnen werden?

    Winkelheide: Es wird ja damit gerechnet, dass das Virus wieder zurückkommt in den Wintermonaten. Erfahrungsgemäß sind die meisten Grippefälle ab Dezember und dann im Januar, Februar ist ein Peak zu erwarten. Das heißt, man ist eigentlich noch auf der sicheren Seite, wenn man ab Oktober, November anfängt, zu impfen. Aber man ist lange in einem sicheren Zeitkorridor.

    Pasch: Stichwort saisonale Grippe, die gerade angesprochen wurde: Lässt sich denn die Impfung gegen H1N1 mit einer solchen Schutzimpfung kombinieren?

    Winkelheide: Die normale saisonale Impfung - Schutzimpfung gegen die Influenza - wird ja jährlich geimpft, und damit wird das Immunsystem auch immer sozusagen neu aufgefrischt. Hier hat man es ja mit einem Virus zu tun, dem H1N1-Virus, was ganz neu ist. Das Immunsystem kennt das noch nicht, muss sozusagen noch lernen, wie das Virus aussieht. Das heißt, dieser Impfstoff muss zweimal verabreicht werden im Abstand von zwei Wochen. Dann erst wirkt er richtig, und dann dauert es noch mal ein paar Tage, bis das Immunsystem sozusagen gelernt hat, wie das Virus aussieht, was man bekämpfen soll. Das heißt, man müsste eigentlich dann dreimal sich impfen lassen: einmal gegen die saisonale [Grippe] und dann gegen den pandemischen Virusstamm H1N1.