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Schutz oder Abschuss

In einer EU-Richtlinie steht, dass Kormorane durch Abschuss nicht in ihrem Bestand gefährdet werden dürfen. Was das genau heißt, regeln die einzelnen Bundesländer selber - nicht immer zum Vorteil der Tiere.

Von Thomas Wagner |
    Beispiel Baden-Württemberg: Dort soll es dem "Phalacrocorax carbo sinensis", wie der Kormoran wissenschaftlich korrekt heißt, zukünftig länger als bisher an den Kragen gehen. Zwar sieht die neue baden-württembergische Kormoranverordnung ein grundsätzliches Tötungsverbot in Schutzzonen vor. Außerhalb dieser Schutzzonen dürfen Jäger aber grundsätzlich jeweils vom 16. August bis zum 16. März auf den Kormoran schießen – länger als bisher und ohne zusätzliche Genehmigung, wie das bislang notwendig war. Das Umweltministerium in Stuttgart begründet dies mit, wie es heißt, "immensem Fraßdruck", der vom Kormoran ausgehe. Die Naturschutzorganisationen halten dies nicht für stichhaltig. Martin Klatt, Referent für Arten- und Biotopschutz beim Nabu Baden-Württemberg:

    "Die neue Kormoranverordnung soll im Gegensatz zur bisher geltenden einen flächendeckenden Abschuss der Vögel im Winter ermöglichen. Das bedeutet, dass bis auf die wenigen Naturschutz- und Vogelschutzgebiete an allen Gewässern diese Vögel geschossen werden sollen und das, obwohl zum einen der Bestand sich im Winter überhaupt nicht erhöht hat, also eine Verschärfung nicht notwendig wäre, und zum anderen, weil sich gezeigt hat, dass der bisherige Abschuss der Kormorane im Winter keinerlei Besserung der Fischbestände gebracht hat."

    Das bestätigen auch die Vogelschützer im Nachbarland Bayern. Mit der Flinte lasse sich das Kormoranproblem auf gar keinen Fall lösen, sagt Ludwig Surdmann, Vorsitzender des Bundes für Vogelschutz in Bayern.

    "Wenn wir jetzt 1000 Kormorane in Bayern oder Baden-Württemberg abschießen, dann kommen, weil unser Land attraktiv ist als Winterraum für die Kormorane, von Norden und Nordosten diese Tiere sofort wieder nach. Das hat dazu geführt, dass wir im letzten Jahr in Bayern 7900 Kormorane geschossen haben, obwohl im Durchschnitt nicht einmal 7000 da waren. Also es wird sofort die Lücke, die ich durch den Abschuss erziele, wieder nachgesetzt von Kormoranen, die Möglichkeit dort, Futter zu sich zu nehmen, besser nützen."

    Dass Kormorane in immer größerer Anzahl über die Fische in heimischen Gewässern herfallen, stimme im Übrigen überhaupt nicht. Markus Lipkow, Vogelschutzreferent beim NABU Berlin:

    "Die Zunahme hatten wir in den 80er- und 90er-Jahren sehr deutlich, das ist richtig. Aber seit einigen Jahren nimmt der Kormoran kaum noch zu oder in einigen Bundesländern ist er bereits rückläufig, beispielsweise in Hessen oder Niedersachsen. Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Bundesland, in dem noch nennenswerte Zuwächse zu verzeichnen sind."

    Deutschlands Angler und Berufsfischer sind da allerdings völlig anderer Meinung. "Stoppt den Kormoran!" rufen sie erzürnt immer wieder auf Demonstrationen, zuletzt in Ulm. Ihre Klage: Wo immer sie in neuen Fischbesatz investieren, sei der Kormoran zur Stelle, um alles wieder aufzufressen. Klaus Schürmann ist Umweltbeauftragter im Kreisfischereiverband Freudenstadt.

    "Wenn Sie davon ausgehen: Wir haben zurzeit zwei Millionen Kormorane. Die fressen pro Tag tausend Tonnen Fisch. Können Sie mir sagen, welches Gewässer das auf Dauer erbringen soll? Bisher füttern wir sie durch unseren Besatz, weil wir nicht einsehen wollen, dass unsere Gewässer leer sind."

    Auf ihren Demonstrationen fordern die Angler und Berufsfischer daher eine Ausweitung der Kormoran-Bejagung. Die Fronten zwischen ihnen und den Naturschutzorganisationen sind verhärtet. Weil der Kormoran in der europäischen Vogelschutzrichtlinie als bedrohte Art eingestuft wird, wollen Natur- und Vogelschutzorganisationen gegen allzu großzügige Abschussfreigaben auch gerichtlich vorgehen. Daneben schlagen die Natur- und Vogelschützer Alternativmethoden vor, beispielsweise die Überspannung mit Netzen von Fischteichen oder spezielle Ruhezonen für Kormorane – Überlegungen, die bei den Fischern und Anglern aber nicht so recht für Begeisterung sorgen.