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Schutz von Journalisten
Forderung nach besserer Ausbildung der Polizei

Der Deutsche Presserat und andere fordern einen besseren Schutz für Journalistinnen und Journalisten auf Demonstrationen. Sie kritisieren, dass Teile der Polizei nicht ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet würden. Ein Vorbild für Ausbildung sei Sachsen-Anhalt.

Von Christoph Richter | 20.05.2020
Polizisten setzen auf einer Demonstration auf dem Alexanderplatz Pfefferspray ein
Auf den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen der Politik wurden zuletzt auch Journalistinnen und Journalisten angegriffen. (picture alliance/Christophe Gateau/dpa)
Erst kürzlich, als auf einer der sogenannten Hygiene-Demos in Berlin ein ZDF-Team der "heute-Show" angegriffen wurde, zeigte es sich erneut: tätliche Attacken auf Journalisten sind hierzulande keine Seltenheit mehr. In Cottbus beließ man es vor einer Woche dagegen bei verbal-aggressiven Attacken gegenüber Medienvertretern.
"Es ist nicht Lügenpresse, es ist schlimmer. Es wird weggelassen. Deutschlandschundfunk habe ich diese Woche gelesen – das passt."
Nicht unüblich ist es, dass Demonstranten versuchen, nach dem Mikrofon zu greifen oder drohen, dass man schleunigst zu verschwinden habe. Schnell steht man auch mehreren Pöblern gegenüber, die psychische Belastung ist immens. Polizeibeamte sind in diesen Situationen oft überfordert, stehen daneben, ohne einzugreifen.
Immer wieder Angriffe auf Medienvertreter
Die Empörung ist groß, nachdem in Berlin mehrere ZDF-Mitarbeiter brutal attackiert wurden. Doch der Angriff am Rande einer Demonstration ist kein Einzelfall: Beobachter warnen seit Jahren vor zunehmender Gewaltbereitschaft gegen Medienmacher.
Presserat fordert besseren Polizeischutz
Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft. Viele Fernseh- aber auch Hörfunk-Teams sind bei Demonstrationen oder Aufmärschen daher nur noch mit Schutzkleidung oder gar Bodyguards im Einsatz.
Ein besserer Polizeischutz sei daher dringend nötig. Und der fange in der Ausbildung an, sagt Roman Portack, Medienanwalt und Geschäftsführer des Deutschen Presserats.
"Die Vorfälle geben aus unserer Sicht noch mal Anlass, daran zu erinnern, dass die Polizei die Aufgabe hat, die Freiheit der Berichterstattung zu schützen. Die Journalisten haben einen Anspruch darauf."
Ein Problem sei, dass Polizeibeamte in vielen Fällen Journalistinnen und Journalisten als Störer sähen, nicht als rechtsstaatliche Akteure, erzählt Roman Portack vom Presserat. Deshalb müsse der Umgang von Polizeibeamten mit Journalistinnen und Journalisten viel mehr als bisher zum Curriculum der Polizei-Ausbildung werden.
Polizei wehrt sich gegen Kritik
Mit derlei Kritik – dass Beamte zu wenig tun würden, um Journalisten zu schützen – kann Rainer Grieger, der Chefausbilder für den Polizisten-Nachwuchs im Land Brandenburg und der Präsident der Hochschule der Polizei in Oranienburg wenig anfangen. Man sei auf einem guten Weg und brauche keine Ratschläge vom Deutschen Presserat.
"Wir haben beispielsweise ein Spezialmodul Polizei und Medien, wo wir uns intensiv in einer Spezialrichtung auch mit dieser Thematik befassen." Darin geht es um Medienrecht, Einsatzlehre, Psychologie. Und um rechtliche, sowie ethische Aspekte in der Pressearbeit, "wo wir auch Redaktionen besuchen, wo Studierende mit Pressevertretern sprechen, um gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Ich denke, dann werden wir auch solche Einzelfälle vermeiden können."
"Müssen sich nicht wundern, wenn es was auf die Fresse gibt"
Viele Journalistinnen und Journalisten fühlen sich laut einer Umfrage der Universität Bielefeld bedroht. Dieser Eindruck geht vor allem auf Attacken im Netz und im realen Leben zurück. Betroffene berichten von einer gesunkenen Hemmschwelle für Gewalt gegen Medienschaffende.
Forderung nach mehr Praxisorientierung
Mit Einzelfällen meint Rainer Grieger die sich häufenden Übergriffe auf Medien-Vertreter bei Demonstrationen oder Aufmärschen. Eine Sichtweise, die in der Polizei durchaus noch weit verbreitet sei, sagte schon im November 2019 der mehrfach ausgezeichnete Medienjournalist Michael Kraske. Auf einer Tagung berichtete er von Situationen, in denen Polizeibeamte gar gezielt wegschauten, wenn Journalisten attackiert würden. Bei einer Reform der Polizeiausbildung müssten daher ganz klar und praxisorientiert solche Konfliktsituationen benannt werden, fordert Kraske.
"Wie ist das, wenn Demonstranten behaupten, sie dürften nicht gefilmt werden oder wenn jemand das Recht beansprucht, den Presseausweis sehen zu können. Dann muss ganz klar sein, wie Polizeibeamte zu reagieren haben. Und dass Journalisten auch gerade dann geschützt werden, wenn Leute massiv der Meinung sind, dass es überhaupt keine Berichterstattung geben sollte. Pressefeinde dürfen nicht darüber entscheiden, ob berichtet wird, wieviel und überhaupt."
Besuche in einem Fenseh- oder Hörfunkstudio reichten da nicht aus. Es müssten die Konfliktsituationen geübt und durchgespielt werden.
Presserat: In Sachsen-Anhalt einen Schritt weiter
In der Brandenburger Polizei-Ausbildung ist das kein Bestandteil der Aus- oder Fortbildung von Polizei-Beamten. Anders als in Brandenburg sei man in Sachsen-Anhalt schon einen Schritt weiter, sagt Roman Portack vom Deutschen Presserat. Hier gäbe es – nach den Ereignissen von Köthen im Jahr 2018 – ein Umdenken. Und man wolle als Konsequenz auf die Attacken auf Journalisten demnächst sogenannte Pressefreiheitsseminare ins Leben rufen. Beamte sollen dann ganz konkret geschult werden, hinsichtlich ganz praktischer Szenarien, die im Demonstrationsalltag auftreten können. Das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Magdeburger Innenministerium und dem Deutschen Presserat, erzählt dessen Geschäftsführer Roman Portack.
"Wir raten dazu, dass sich die anderen Bundesländern genau anschauen, was das Land Sachsen-Anhalt da macht. Und wir hoffen, dass dieses Beispiel auch in anderen Ländern Schule macht."