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Schutz vor eigenem Gift
Überlebenstrick der Goldenen Pfeilgiftfrösche

Der Goldene Pfeilgiftfrosch ist eines der giftigsten Tiere der Welt. Mit seinem Toxin kann er zehn erwachsene Menschen töten. Damit er sich nicht versehentlich selbst vergiftet, muss der Goldene Pfeilgiftfrosch tief in die biologische Trickkiste greifen.

Von Magdalena Schmude | 05.09.2017
    Zwei "Schreckliche Pfeilgiftfrösche" mti gelber Haut sitzen in einem Terrarium.
    Eines der giftigsten Tiere der Welt: der Goldene oder auch Schreckliche Pfeilgiftfrosch. (dpa-Zentralbild)
    Sho-Ya Wang ist Professorin an der State University of New York in Albany. Seit fast 20 Jahren beschäftigt sie sich dort vor allem mit der Funktion von Ionenkanälen, röhrenförmigen Proteinen, die in den Außenwänden von Muskelzellen sitzen. Sie regulieren den Einstrom von Natriumionen in die Zellen, was wiederum die Anspannung und Entspannung der Muskeln steuert.
    "Das Innere dieser Kanäle ist auch der Wirkort von Medikamenten wie lokalen Betäubungsmitteln, Wirkstoffen gegen Herzrhythmusstörungen oder epileptische Krampfanfälle. Deswegen wollen wir wissen, wie es in den Kanälen genau aussieht. Und weil auch das Batrachotoxin dort bindet, können wir es benutzen, um zu untersuchen, nach welchen Mustern die Bindungen ablaufen."
    Eine veränderte Aminosäuren-Sequenz als Lebensretter
    Batrachotoxin, das Gift des Goldenen Pfeilgiftfrosches, setzt sich im Inneren von geöffneten Kanälen fest und verhindert, dass sie sich wieder schließen. Dadurch können Natriumionen unkontrolliert in die Zellen einströmen, was die Muskeln dauerhaft anregt und zu Krämpfen führt. Der Pfeilgiftfrosch selbst ist unempfindlich gegen das Gift, weil es sich in seinen Natriumkanälen nicht festsetzen kann und dadurch nicht wirkt. Sho-Ya Wang und ihre Kollegen vermuteten schon länger, dass dafür eine veränderte Aminosäuresequenz verantwortlich ist. Die legt den Aufbau des Kanals fest und bestimmt dadurch, welche Substanzen binden können. Bis vor kurzer Zeit war die Arbeit der Forscher aber sehr schwierig, denn der genaue Bauplan des Kanals war unbekannt.
    "Wir haben seit 1998 versucht, das Innere des Kanals zu kartieren, indem wir einzelne Aminosäuren auf Verdacht hin verändert haben, aber das dauerte sehr lange. Erst, als Kollegen aus Texas im letzten Jahr die Aminosäuresequenz verschiedener Pfeilgiftfrösche genau aufgeklärt haben, wussten wir, dass wir vielleicht doch eine Antwort bekommen können."
    Experimente an Ratten sollten weitere Erkenntnisse bringen
    Die Ergebnisse der texanischen Forscher zeigten, dass der Bauplan des Natriumkanals des Goldenen Pfeilgiftfrosches im Vergleich zu anderen Pfeilgiftfröschen an fünf Positionen verändert ist. Das gab Sho-Ya Wang und ihren Kollegen die Möglichkeit, den Effekt der einzelnen Mutationen auf die Bindungsfähigkeit von Batrachotoxin systematisch zu untersuchen. Dazu veränderten sie in Natriumkanälen von Ratten jeweils eine der fünf Aminosäuren nach dem Vorbild des Goldenen Pfeilgiftfrosches und untersuchten, ob die Kanäle dadurch ebenfalls unempfindlich gegen das Toxin wurden.
    "Wir haben alle fünf Mutationen einzeln getestet und dabei herausgefunden, dass nur eine einzige davon für die Unempfindlichkeit gegen das Gift nötig ist. Das war ein tolles Ergebnis und ziemlich überraschend für uns. Eigentlich hatten wir gedacht, dass mehrere Aminosäuren beteiligt sind und es länger dauern würde, deren Zusammenspiel aufzuklären. Wir hätten zuerst alle Veränderungen einzeln untersucht, dann zwei kombiniert, dann drei und so weiter. Aber es reicht tatsächlich eine einzige."
    Dabei war die veränderte Aminosäure an der entscheidenden Position ausgerechnet diejenige, für die in Computersimulationen nur eine geringe Wahrscheinlichkeit berechnet worden war, dass sie eine Rolle für die Bindung von Batrachotoxin spielt. Welchen Nutzen die anderen vier Mutationen haben, darüber kann Sho-Ya Wang nur spekulieren.
    "Wir glauben, dass der Frosch die zusätzlichen Veränderungen als eine Art Ausgleich benutzt, um die Funktionsfähigkeit des Natriumkanals zu erhalten. Die Natur hat sich da sicher die beste Lösung einfallen lassen, um die Unempfindlichkeit gegen das Gift und die normale Funktion zu kombinieren. Das werden wir weiter untersuchen, und wir glauben, dass wir daraus auch etwas darüber lernen können, wie die Medikamente im Natriumkanal ihre Wirkung entfalten."