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Schutz vor gefälschten Medikamenten

Im Internet blüht das Geschäft mit gefälschten Medikamenten, und das, obwohl die bestellten Pillen große Schäden bei Patienten hervorrufen können. Wie der Handel mit illegalen Medikamenten unterbunden werden und der Verbraucher informiert werden kann, beriet die Deutschen Gesellschaft für innere Medizin auf ihrer Herbsttagung in Wiesbaden.

Von Anke Petermann |
    Medikamente im Internet einzukaufen, scheint reizvoll - auf den ersten Blick. Es winken Schnäppchen. Wer die Verschreibungspflicht umgehen will, muss kaum damit rechnen, gebremst zu werden. Wem es peinlich ist, ein Potenzmittel über die Ladentheke gereicht zu bekommen, fühlt sich in der Anonymität der Versandapotheke wohl.

    Doch das Risiko, betrogen zu werden, ist groß, denn nicht mal Fachleute wissen genau, wie man eine seriöse, sichere Versandapotheke von einem kriminellen Internethändler unterscheidet. Harald Schweim, Professor für Arzneimittelzulassung an der Uni Bonn:

    "Der Verbraucher hat eine gewisse Chance bei sehr bekannten Namen, weil die so großen Umsatz haben, dass es auffallen würde, wenn dieser Name gefälscht ist. Aber bei kleineren Apotheken, die seltener Umsatz haben, kann man nicht sagen: Ist diese sicher oder nicht. An die Sicherheit von Siegeln glaube ich nicht, weil es keine Siegel gibt, die wirklich fälschungssicher sind. Das Internet ist ein Medium, das sich bisher dieser Fälschungssicherheit verschließt."

    Besonders umsatzstark auf dem deutschen Markt sei zum Beispiel ein tschechischer Arzneimittelversand, der nicht zugelassen ist. "Die Unseriösen bekommen das Handwerk nicht gelegt", kritisiert der Experte, dabei müssten Politik und Behörden in Deutschland doch nur die bestehenden Gesetze anwenden. Solange sie sich aber an den Internethandel nicht heranwagten, helfe nur Selbstschutz. Der Verbraucher solle Medikamente nicht online, sondern ausschließlich in der Präsenzapotheke kaufen, rät der Medizin-Informatiker. Nur dort könne man zu 99 Prozent sicher sein, dass drin ist, was drauf steht. Wer Arzt und Apotheker meidet, um die Rezeptpflicht zu umgehen, ist der nicht selbst schuld, wenn er betrogen wird?

    "Eine Umgehung der Rezeptpflicht - wenn der Verbraucher es weiß, gehört sicherlich in die Kategorie, hohes Risiko zu gehen. Ob es eine Schuld ist, weiß ich nicht, weil gesetzliche Bestimmungen dem Normalbürger nicht immer so präsent sind, wie das der Gesetzgeber glaubt. Aber rein formal umgeht er natürlich das Gesetz und verstößt gegen das Gesetz."

    Anti-Aids-Mittel mit dem Gift Arsen zu versetzen, um bei einem ansonsten wirkungslosen Medikament die erwarteten Nebenwirkungen vorzutäuschen, hält Franz-Josef Wingen vom Pharma-Hersteller Bayer für die kriminellste Form von Medikamentenfälschung. Am häufigsten aber erhöhen die Panscher ihre Gewinnspanne, indem sie den Fälschungen überhaupt keine Arzneisubstanz beimengen.

    "Das ist dann gefährlich und auch lebensgefährlich, wenn es sich zum Beispiel um ein Antibiotikum handelt. Der Patient braucht dringend was, um seine Infektion in den Griff zu kriegen, und wenn das Präparat nicht wirkt, kann er an einer Lungenentzündung sterben. Bei anderen Krankheiten ist es nicht so dramatisch, aber nehmen Sie ein Potenzmittel, da ist zu wenig Wirkstoff drin, der Patient merkt das, er nimmt dann drei oder vier Tabletten, dann hat er den Effekt, den er wünscht. Dann hat er das wirkliche, richtige Medikament mit der richtigen Dosis, nimmt dann aus Gewohnheit wieder drei bis vier Tabletten und kann dann größte Probleme bekommen."

    Das Potenzmittel gehört übrigens wie Schlankheitspillen, Anabolika und Medikamente zur Konzentrationsförderung zu den sogenannten Lifestyle-Produkten, die besonders anfällig für Fälschungen sind. Wer also nicht nur auf Training baut, um zum Muskelmann zu werden, lebt gefährlich. Ulrich- Robert Fölsch vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein:

    "Und da ist noch eine weitere Grauzone: nicht nur das Internet, sondern die Verfügung dieser Medikamente im Rahmen von Fitnessstudios, dass man sie im Fitnessstudio erwerben kann oder im Umfeld im Restaurant, dass da Anabolika, Testosteron zum Beispiel, gekauft werden kann. Das ist auch eine riesige Gefahr, dass diese im Umfeld von Fitnessstudios zu erwerbenden Medikament verunreinigt sind, das Haltbarkeitsdatum überschritten haben, und auch da ist eine Riesen-Gefahr für die Menschen vorhanden, wenn es eben beim falschen Menschen gegeben wird."