Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv


Schutzengel per Vorwahl

Auch wenn die Kriminalstatistik der Angst nicht unbedingt recht gibt, so bangen doch immer mehr Eltern um ihre Kinder. Auf solche Nachfrage reagiert die Sicherheitsindustrie denn auch prompt mit neue Angeboten und bietet beispielsweise Webcams für den Kindergarten an. Noch größere Erreichbarkeit versprechen allerdings Satelliten gestützte Handys inklusive eingebauter GPS-Ortung. Ein Mobiltelefon der Firma Alcatel speziell für Kinder liefert überdies nicht nur seine aktuelle Position, sondern achtet sogar selbst, dafür, dass umtriebiger Nachwuchs auf dem rechten Pfad zur Schule wandelt. Datenschützer mahnen allerdings vor allzu großer Überwachung in Eigenregie.

05.04.2003
    Von Silke Thole

    Das Überwachungssystem Guardian Angel ist gedacht für besorgte Eltern, die Gewissheit darüber haben wollen, dass ihre Kinder wohlbehalten in der Schule oder auf dem Sportplatz ankommen. Im Gegensatz zu anderen Ortungssystemen kommt Guardian Angel ohne zusätzliche Navigations-Technologie wie dem satellitengestützen GPS aus. Nötig ist lediglich ein Handy. Uwe Sens, Leiter des Geschäftsfelds Mobile Lösungen beim Telekommunikationsunternehmen Alcatel in Stuttgart:

    Im GSM-Netz werden Endgeräte normalerweise von mehreren Sendestellen aus kontaktiert und die Endgeräte sind in der Lage, die Signalstärke aufzunehmen und dann einem zentralen Rechner zurückzumelden, der aus der Empfangsstärke von verschiedenen Sendestellen den Ort über ein Triangulationsverfahren errechnet.

    Dank der heutigen Dichte von Mobilfunksendern in den Städten, kann die Position eines Handys auf 150 Meter genau bestimmt werden. Eltern, die Guardian Angel nutzen wollen, müssen ihre Kinder mit einem Handy ausstatten. Dann brauchen sie noch die SIM-Karte eines Netzbetreibers, der den mobilen Dienst anbietet. Denn die nötige Software für das Überwachungssystem wird auf der SIM-Karte installiert. Mit dem Handy gehen die Eltern den Weg ihres Kindes ab und drücken alle ein bis zwei Minuten einen Knopf. Auf diese Weise werden die Kontrollstellen festgelegt und an den zentralen Rechner übermittelt. Gleichzeitig können die Eltern Zeiträume eingeben, innerhalb derer bestimmte Kontrollpunkte erreicht werden sollten. Im täglichen Betrieb sendet dann der Rechner in einem Intervall von wenigen Minuten eine Positionsanfrage an das Mobiltelefon und ermittelt so den Aufenthaltsort des Kindes. Stellt er dabei Abweichungen von der gespeicherten Route fest. , schlägt er sofort Alarm - mittels SMS. Gedacht ist der Handy-Schutzengel vor allem für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren. Nicht alle in dieser Altersgruppe dürften von dem Gedanken der ständigen Überwachung begeistert sein. Nach dem Gesetz haben Kinder zwar generell kein Recht auf den Schutz ihrer Daten. Trotzdem spielt der Datenschutz beim Einsatz des Systems eine Rolle, gibt Helmut Bäumler, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Schleswig-Holstein, zu bedenken:

    Man könnte es sich einfach machen und sagen, das Datenschutzgesetz ist ja generell auf solche innerfamiliären Vorgänge nicht anwendbar, aber das wäre mir jetzt zu einfach. Auch Kinder und Jugendliche haben prinzipiell ein Recht auf Datenschutz, aber das wächst dann erst mit der Einsichtsfähigkeit. Je mehr Einsichtsfähigkeit die Kinder haben, desto mehr haben sie auch mitzureden und mitzubestimmen.

    Auch Uwe Sens ist davon überzeugt, dass grundsätzlich jeder Mensch eine Privatsphäre hat, die geachtet werden sollte.

    Es sollte in Abstimmung mit dem betroffenen Kind erfolgen. Und wir gehen davon aus, dass diese Altersgruppe 6 ?. bis etwa 12, nur die relevante Altersgruppe ist, weil die Älteren werden das sicherlich nicht akzeptieren.

    Datenschützer Bäumler glaubt zwar, dass das Überwachungssystem Guardian Angel durchaus ein Hilfreiches Instrument für besorgte Eltern sein könnte. Allerdings sieht er die Gefahr, dass Kinder zunehmend in einer Atmosphäre der Überwachung aufwachsen. Denn zum Handy-Schutzengel kommt nicht selten die Videoüberwachung in Schulen und Kindergärten. Und noch einen Aspekt gibt Bäumler zu Bedenken:

    Technik kann immer auch missbraucht werden. Man könnte sich zum Beispiel den Guardian Angel auch gut vorstellen für einen sehr misstrauischen Arbeitgeber, der seine Arbeitnehmer auf Schritt und Tritt überwachen möchte. Hier muss man sehen, welche Technik man sich einfängt und ob man sie wirklich begrenzen kann auf den ursprünglichen, sinnvollen, gut nachvollziehbaren Zweck.