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Schutzgemeinschaft Deutscher Wald fordert mehr Einsatz der Politik für die Wälder

Eine Waldlichtung bei Bonn. Noch dröhnt der Lärm der Rotorblätter in den Ohren, hat sich der Staub noch nicht gelegt, da kreist der Hubschrauber schon über unseren Köpfen in Richtung Ladestation am Ende des Waldweges. Dort will er Kalk von einem so genannten Radlager aufnehmen, um die ersten Quadratmeter Wald damit zu benetzen, erklärt Dr. Ralph Kuhlmann, der Vorsitzende der Düngekalk-Hauptgemeinschaft:

Von Ursula Mense |
    "Der Radlager fährt an den Streukübel heran und kippt genau die korrekte Menge Kalk, in diesem Fall 800 Kilogramm, in den Kübel hinein. Der Pilot beobachtet das über einen Spiegel, sieht, dass der Radlager zurückgefahren hat und startet. Wir sehen, wie er sich relativ schwerfällig hochhebt und wie er den Kübel über den Bestand zieht und zur Düngungsfläche hinzieht."

    Die Düngungsfläche, das ist ein Waldstück von 10 Hektar. Eine Ansammlung von satten grünen Fichten, die da neben äußerst mager wirkenden Exemplaren steht. Schlaff hängen vereinzelte dürre Äste an hochgewachsenen dünnen Stämmchen. Der Lametta-Effekt, wie Kuhlmann erklärt. Zeichen dafür, dass der Baum nicht mehr genug Nahrung aufnehmen kann.

    Etwa 30 Tonnen Kalk sind nötig für die 10 Hektar. Eine Menge, die der Hubschrauber in ein bis eineinhalb Stunden mit 40 Abwürfen geschafft haben wird.

    Was hier demonstriert wird, ist durchaus nicht Usus in Deutschland, obwohl es hilft gegen saure Böden. Auch wenn damit nicht die Ursachen beseitigt werden können. Etwa 300 000 Hektar Wald müssten zum Schutz der Böden jährlich gekalkt werden, fordern die Waldbesitzer ebenso wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Im vergangenen Jahr waren es jedoch nur 90.000 Hektar.

    Der Grund: zu wenige Bundesländer fördern die Kalkung zu 100 Prozent, obwohl entsprechende Fördermittel der EU und des Bundes da sind. Außer Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz fördern die Länder die Kalkung nur zu 90 Prozent und bürden den privaten Waldbesitzern die restlichen 10 Prozent plus Mehrwertsteuer für die Gesamtsumme auf. Das sind etwa 40 bis 50 Euro pro Hektar zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Hier sei die Förderpraxis besonders schlecht, heißt es. Mit zwei Dritteln hat dieses Bundesland den größten Privatwaldanteil in Deutschland. Dr. Christoph Abs ist Geschäftsführer der Stiftung Wald in Not und selbst Klein-Waldbesitzer:

    "Sie müssen sich vorstellen, gerade in diesen Klein-Privatwaldgebieten haben wir Waldflächen, die liegen weit unter 5000 Quadratmeter. Wir haben teilweise Waldflächen, die nur 200, 300 qm groß sind und zersplittert im Wald liegen. Da können sie nicht jeden einzelnen Waldbesitzer dazu bringen, dass er sich an den Kosten beteiligt. Insbesondere weil dieser Wald keinen Erlös mehr abwirft, sondern nur noch Lasten mit sich bringt."

    Über Forst-Betriebsgemeinschaften müsste die Kalkung organisiert werden und das Land die Kosten übernehmen, so wie es seit Jahren erfolgreich in Rheinland-Pfalz gemacht werde, fordert Abs.

    Denn gesunde Wälder leisten ihren Beitrag zum Schutz der Trinkwasservorräte. Wenn nicht mehr gegen die Versauerung der Böden getan werde, fürchten die Experten, seien viele Grund- und Oberflächengewässer in Zukunft ohne eine massive Aufbereitung nicht mehr für den Genuss geeignet. Denn je sauerer der Boden, desto weniger basische Nährelemente wie Calcium und Magnesium enthält der Boden. Das aber ist Voraussetzung nicht nur für die Ernährung des Waldes, sondern auch für hochwertiges Rohwasser. Der so genannte Dolomitkalk aus natürlichen Lagerstätten neutralisiert die sauren Böden und hilft sichtbar nicht nur dem Wald. Voraussetzung: Fünf bis zehn Jahre Dauerbehandlung – und das heißt einmal im Jahr zur Winterzeit, um die Insekten zu schützen:

    "Es ist völlig klar, dass unsere Wälder, dort wo gekalkt wird, wesentlich besser mit Magnesium ernährt sind, den chronischen Mangelstatus verlassen haben. Der zweite Monitor ist das Wasser. Sie können das Wasser analysieren, das aus gekalkten Wassereinzugsgebieten herausfließt und sie werden feststellen, dass in diesem Wasser wesentlich weniger Säure drin ist, im Extremfall Aluminium herausfällt" - erläutert Professor Ernst Hildebrand vom Institut für Bodenkunde und Waldboden der Universität Freiburg.