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Schutzimpfungen
Eine Creme soll in Zukunft die Nadel ersetzen

Nur ein kleiner Pieks und man ist vor Keuchhusten oder Windpocken sicher. Doch Schutzimpfungen, für die eine Injektion verabreicht werden muss, haben auch Nachteile. Durch den Nadelstich entsteht eine Verletzung, an der Krankheitserreger eindringen können. Forscher suchen deshalb nach nadelfreien Methoden, um die schützende Immunreaktion auszulösen.

Von Magdalena Schmude | 10.11.2014
    "Die ideale Impfung wäre eine Impfung, die man nur ein einziges Mal verabreichen muss und die ein Leben lang schützt, ohne irgendwelche Nebenwirkungen zu haben."
    Carlos Guzman ist Mikrobiologe und sucht mit seiner Forschungsgruppe am Helmholtz-Institut für Infektionsbiologie in Braunschweig nach Impfmethoden, die diesem Traum möglichst nahe kommen. Denn Impfungen per Injektion verletzten die Haut und bergen damit das Risiko einer Infektion an der Einstichstelle. Außerdem gibt es Patienten, die Angst vor Spritzen haben und sich deshalb vielleicht nicht ausreichend impfen lassen. Diese Probleme wollten Carlos Guzman und seine Kollegen mit einer nadelfreien Methode umgehen.
    "Vor ein paar Jahren sind wir auf eine verrückte Idee gekommen. Wir wollten den Weg imitieren, auf dem zum Beispiel Kontaktallergien gegen Blütenpollen entstehen. Dazu muss der Impfstoff nicht durch die Haut gebracht werden, sondern wird über die dünne Zellschicht an den Haarfollikeln aufgenommen."
    Haarfollikel sind Einstülpungen der Haut, in denen die Haarwurzeln sitzen. Am unteren Ende dieser Kanälchen besteht die Haut nur aus einer dünnen Zellschicht, die sehr durchlässig für bestimmte Moleküle ist. Carlos Guzman und seine Kollegen wollten wissen, ob sich über diesen Weg auch Impfstoffe verabreichen lassen. Für ihre Versuche verpackten die Forscher ein Testprotein in sogenannte Nanopartikel. Denn um ans untere Ende der Follikel zu gelangen, brauchen die Wirkstoffe ein Transportsystem, das sie an den Zielort bringt. Die Nanopartikel bestehen aus einem biokompatiblen Material, das sich - dort angekommen - selbst auflöst und den Inhalt freisetzt.
    "Nanopartikel sind winzig kleine Bälle. Man kann sie aus verschiedenen Materialien herstellen, sodass man sie auf unterschiedliche Weise verabreichen kann. Sie können sich schnell auflösen oder langsam. Das ist eine Art Kunst."
    Mehrere Anläufe bis zur richtigen Rezeptur
    Bis die richtige Rezeptur für die Impfpartikel gefunden war, brauchten die Forscher mehrere Anläufe. Erst dann konnten sie an Mäusen untersuchen, ob sich mit Hilfe der Nanopartikel eine Immunreaktion gegen das Testprotein auslösen lässt. Dazu trugen die Wissenschaftler die gefüllten Nanopartikel in einer Creme auf die rasierte Haut der Tiere auf. Zwei Wochen später konnten sie in den behandelten Tieren eine spezifische Immunreaktion gegen das Testprotein nachweisen.
    Weil diese Reaktion aber zu schwach war, um eine langfristige Immunität auszulösen, füllten die Forscher die Nanopartikel zusätzlich mit einem Wirkverstärker. Ein Problem, dass auch bei vielen herkömmlichen Impfstoffen besteht, weil nur noch einzelne Teile eines Erregers für die Impfung verwendet werden.
    "Impfungen mit Einzelteilen sind sicherer, weil wir nicht mit einem Cocktail aus verschiedenen Virus-Bestandteilen impfen, sondern genau wissen, was wir verabreichen. Doch unglücklicherweise lösen diese Einzelteile nur selten eine ausreichende Immunreaktion aus. Wirkverstärker können dabei helfen, die Immunantwort zu steigern."
    Nach den Versuchen in Mäusen wollen die Wissenschaftler jetzt einen Impfstoff für Menschen entwickeln. Als erstes gegen Grippe.
    "Wir haben gezeigt, dass die transfollikulare Impfung prinzipiell funktioniert. Der nächste Schritt wäre, mit einem echten Virusprotein zu arbeiten um zu sehen, ob sie wirksam und sicher genug ist, damit wir sie auch bei Menschen testen können."