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Schwaben im Weltall

Raumfahrt. - 25 Jahre lang entwickelten Ingenieure der Universität Stuttgart Raumfahrtsysteme vor allem für fremde Auftraggeber. Jetzt engagieren sich die Tüftler quasi in eigener Sache: ein Kleinsatellit "made in Schwaben" soll zum Mond fliegen.

    Um in den Weltraum zu kommen, muss man mitunter erst einmal das All auf die Erde holen - zum Beispiel in die fünf Vakuumtanks des Instituts für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart. In einem der Wohnwagen großen Zylindern wird gerade ein Antrieb für kleine Raumfahrzeuge erprobt, erklärt Luft- und Raumfahrt-Technikerin Dagmar Bock: "Um das thermische Lichtbogen-Triebwerk unter realistischen Bedingungen testen zu können, erzeugen wir in der Kammer ein weltraumähnliches Vakuum." Den Mini-Motor entwickeln die Stuttgarter Tüftler allerdings nicht in fremdem, sondern im eigenen Auftrag: Die Maschine soll eine deutsche Mission zum Mond befördern. Ein unbemannter Kleinsatellit wird dazu im Stuttgarter Institut entwickelt und soll auch von hier aus über die gesamte Zeitspanne gelenkt werden. "Das ist eine besondere Herausforderung. Keine Universität hat das bisher gemacht. Im Kleinsatelliten-Bereich ist das auch noch nicht gemacht worden. Wir denken, dass es nach 25 Jahren Erfahrung im Kleinsatelliten-Bereich heute Zeit ist, diesen Schritt zu wagen. Und das wollen wir tun mit der Lunar Mission BW-1", berichtet Projektleiter ist der Luft- und Raumfahrttechnik-Ingenieur René Laufer sichtlich stolz.

    Der Name der Mission lässt keinen Zweifel an der Herkunft der Sonde: Mond-Mission Baden-Württemberg 1. "Die Lunar Mission BW-1 ist ein Mini-Satellit von rund 200 Kilogramm Startmasse und damit ein bisschen kleiner als ein Zweisitzer-Smart. Eine Rakete wird die Sonde in einen Erdorbit tragen und von dort geht’s dann langsam, aber sicher mit dem eigenen Antrieb in Richtung Mond", fasst Laufer zusammen. Dort angelangt, wird der Schwaben-Sputnik etwa ein halbes Jahr lang den Mond umkreisen und mit verschiedenen Kameras seine Oberfläche ablichten. Ist dieser Auftrag erfüllt, droht der Sonde ein furioses Finale, verspricht der Ingenieur: "Am Ende der Mission geben wir den Satelliten nicht einfach auf, sondern lassen ihn kontrolliert auf die Oberfläche stürzen. Diese Impakt-Experimente zur Kraterbildung sind für Geologen immer eine spannende Sache." Dass Lunar Mission BW-1 eher wie ein David wirkt neben den Goliaths aus den USA, China, Indien oder Japan und mit der ESA-Sonde SMART-1 überdies Konkurrenz quasi im eigenen Hause hat, ficht den Stuttgarter Projektleiter nicht weiter an: "Im Gegenteil, wir haben großes Interesse bei den Kolleginnen und Kollegen bekommen, die die großen Missionen fliegen. Auch bei so einer großen Mission sind vielleicht 14 Instrumente an Bord, aber die decken auch nicht alles ab. Und es gibt so viele Fragestellungen, so viele Instrumente, die man fliegen könnte. Das ist viel mehr als die paar Sonden, die wir da gerade hinschicken. Und da kommen wir eigentlich zu einem guten Zeitpunkt."

    Doch nicht nur die Reise zum Mond und die erhofften Schnappschüsse von dem Trabanten stehen im Vordergrund des seit rund einem Jahr laufenden Projektes, sondern es geht auch um Grundlagenforschung. So sind die Stuttgarter Wissenschaftler gespannt, ob ihre neue Antriebstechnologie hält, was sie sich davon versprechen. Dabei wirkt das Aggregat eher unscheinbar. "Es ist ein Zylinder mit einer Düse vorne. Im Inneren befindet sich die Kathode, während das Gegenstück - die Anode - an der Düse sitzt. Zwischen Kathode und Anode wird dann ein Lichtbogen aufgebaut, der das Betriebsgas aufheizt und so beschleunigt. Und dadurch wird der Schub erzielt", erklärt Dagmar Bock. Damit ist der Satellit aus dem Ländle zwar nicht annähernd so kraftvoll wie andere Vehikel aus der Gegend, dafür aber umso sparsamer - gerade ein paar Dutzend Liter Ammoniak-Gas zum Beispiel genügen dem Leichgewicht für die Reise zum Mond, hofft jedenfalls Rene Laufer: "Wir wollen den Lichtbogenantrieb als Haupttriebwerk benutzen. Das ist natürlich eine Herausforderung! Und deshalb sind natürlich die Kolleginnen und Kollegen ganz scharf drauf, auch das endlich mal zu erproben."

    [Quelle: Volker Mrasek]