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Schwacher Ausblick

Internet.- Trotz des akuten Adressmangels von IPv4 - den IPv6 lösen kann - ist die europäische Netzwerkorganisation RIPE von dem Internetprotokoll der Zukunft alles andere als angetan. Die Umstellung sei derzeit zu teuer, lautet einer der Kritikpunkte.

Von Mariann Unterluggauer | 27.02.2010
    Der gelernte Atomphysiker Rob Blokzijl hat Ende der 1980er-Jahre RIPE mitbegründet. Seine Kollegen nennen ihn respektvoll "Mr. RIPE".

    "Ist das das Ende vom Internet? Nein. Es bedeutet nur das Ende des Wachstums des Internet."

    RIPE, im vollen Wortlaut Réseaux IP Européens, hat sich einen Namen gemacht, weil es die Vernetzung in Europa vorangetrieben hat. Organisiert als offenes Forum für all jene, die sich für die Entwicklung des Internet interessieren, sind heute über sein Netzwerk mehr als 100 Millionen Hosts miteinander verknüpft. Zu den Aufgaben von RIPE zählt auch die Verwaltung der Internetadressen für den Europäischen Raum. Rund 400 Millionen IPv4 Adressen standen den Registraren weltweit seit 1981 zur Verfügung. Heute, so Rob Blokzijl, sind davon nur noch an die zehn Prozent übrig. Warum Provider dazu tendieren, für dieses Problem lieber Zwischenlösungen zu suchen anstatt IPv6 zu implementieren, erklärt er sich mit dem geringen Interesse aller Beteiligten, Geld in die Hand zu nehmen.

    "Nehmen wir an, Sie sind ein Internet-Provider. In den Niederlanden gilt als größter Internetprovider der frühere Telefonmonopolist. Er betreut rund drei Millionen Kunden. Wenn Sie jetzt jeden Haushalt IPv6-tauglich machen wollen, dann müssen Sie drei Millionen dieser Boxen austauschen. Das Problem fängt schon damit an, dass sie dafür nicht viele Hersteller finden werden. Der Preis für eine derartige Box, die Sie ihren Kunden zuschicken können und die von ihren Usern nicht mehr abverlangt als die alte Box aus- und die neue Box anzustecken, liegt derzeit bei 800 bis 900Euro. Mal drei Millionen ... wer soll das bezahlen? Nicht die Kunden! Es geht sicher auch billiger. Sagen wir, eine Box kostet 100 Euro, wenn Sie davon drei Millionen Stück bestellen. Aber um diesen Preis müssten Sie von Ihren Usern zu Hause ein wenig mehr Intelligenz einfordern – auch hier stellt sich die Frage: Wer soll das bezahlen?"

    Wo heute IPv6 drauf steht, muss nicht unbedingt IPv6 drin sein, warnt Rob Blokzijl. Aber vor allem sollte man sich bei einer Umstellung darüber bewusst sein, dass diese Modems weniger Schutz bieten als ihre Vorgängermodelle.

    "Die meisten Modems, die Sie heute kaufen können, werden IPv6 unterstützen. Das steht zumindest auf der Box. Was aber nicht auf der Verpackung steht, ist die Tatsache, dass ihr neues Modem ohne Firewall daherkommt. Es fehlt dies und es fehlt das, weil sie bis heute nicht definiert wurden."

    Es sei Unsinn zu glauben, dass mit Ipv6 die Kommunikation über das Internet effizienter und besser sein werde. Ipv6 bietet keine bessere Übertragungsqualität noch sorgt es für mehr Sicherheit.

    "In den Spezifikationen heißt es: Wenn Sie Code für IPv6 schreiben, dann sollten Sie auch Platz für eine Verschlüsselung lassen. Es steht aber nirgends, dass Sie dazu verpflichtet sind. Das heißt, wenn Sie mit jemandem kommunizieren, der eine Verschlüsselung verwendet, dann sollten Sie zumindest in der Lage sein, dies wahrzunehmen. Aber Sie können immer noch sagen: Tut mir leid, ich mache das nicht."

    Selbst nach rund 15 Jahren Entwicklungsarbeit bietet Ipv6 - abgesehen vom größeren Adressraum - nicht mehr als Ipv4. Ganz im Gegenteil. Die Software ist derzeit noch so selten im Einsatz, dass sie als weniger ausgereift gilt als Ipv4.

    "Aber ich denke, in zehn Jahren wird es soweit sein, dass das Wachstum des Internet auf IPv6 basiert. Schon allein deswegen, weil eine Firma in drei Jahren keine andere Wahl mehr haben wird. Sie werden keine IPv4-Adresse mehr erhalten. Ganz einfach weil es keine mehr gibt. Sie werden mit IPv6 beginnen müssen."