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"Schwanengesang"

In einer Fernsehproduktion Mitte der Achtziger Jahre hat der Schauspieler Udo Samel Franz Schubert gespielt. Seitdem haben den Theatermacher Leben und Werk des Komponisten nicht mehr losgelassen. Und so hat er nun am Schauspiel Frankfurt in Zusammenarbeit mit der dortigen Oper eine Schubert-Trilogie herausgebracht: Am Freitagabend hatte Teil drei Premiere - die eher lose Sammlung "Schwanengesang", die in Schuberts Todesjahr 1828 entstanden ist.

Von Frieder Reininghaus |
    Es sind, ganz überwiegend, letzte Worte ziemlich junger Männer aus einer längst vergangenen Zeit. Und es geht, wie schon bei der "Schönen Müllerin" und der "Winterreise", um verflossene Liebe - um Rückblick auf gescheiterte Hoffnungen. Die Enttäuschungen und der Schmerz werden in einsamen Situation reflektiert und poetisiert.
    Aufs Neue hat Udo Samel einen Schubert-Zyklus als Kammerspiel inszeniert, allerdings einen wenig stringenten. Denn die Texte des "Schwanengesangs" stammen von drei Autoren (und der Komponist beabsichtigte wohl kaum, die 14 Lieder in dieser Weise zu publizieren). Die erste sieben Texte stammen von dem in den Berliner Vormärz-Jahren durchaus kritisch und oppositionell agierenden Journalisten Ludwig Rellstab, sechs weitere aus dem giftig-schönen "Buch der Lieder" von Heinrich Heine und das letzte, "Die Taubenpost", von dem völlig in Vergessenheit geratenen Johann Gabriel Seidl. Durch die Rezeptionsgeschichte hat sich die Kombination des Unzusammenhängenden und literarisch Disproportionalen eingebürgert. Und damit verfährt die Inszenierung nun, indem sie homogenisiert.

    Aus dem Dunkel des tiefgelegenen Kleinen Hauses im Gebäudekomplex von Oper und Schauspiel Frankfurt wächst die "Liebesbotschaft" - ein Lied, das noch einmal dem Bächlein der "Schönen Müllerin" und der "Winterreise" Referenz erweist: ein Résumée, das all die Motive zusammenführt, welche das muntere Gewässer begleiten - das, was die Dichter wie Franz Schubert ihm zugeschrieben und aufgebürdet haben. Der schwarze Flügel wurde um ein schwarzes Ruder ergänzt - so, als würde mit ihm über den Acheron übergesetzt.

    Christian Voigt wurde als Penner ausstaffiert. Offensichtlich ist es auf der Bühne so kalt und zugig wie derzeit in Frankfurt tatsächlich. Der junge Tenor schwingt sich zur Erinnerung auf an Zeiten, in denen ihn die Liebe wärmte. Er setzt den Charme einer noch nicht voll ausgebildeten Stimme ein - das geht in diesem Zusammenhang durchaus in Ordnung. Ein zweiter Mann, der offensichtlich am Pflasterstrand ebenfalls gestrandet ist, schält sich aus dem Dunkel und seinen Decken; Florian Plock singt von "Kriegers Ahnung" und von "Frühlingssehnsucht". Von rauschendem Strom und brausendem Wald sieht man, wie zu erwarten, nichts. Denn es geht ja um Erinnerung und um das, was in Köpfen vor sich geht.

    Aller guten Dinge sind bekanntlich drei. Also kommt, für den "Unglücklsel'gen Atlas" und andere schwergewichtige Stücke Franz Mayer hinzu, um die Reflexionen des beschädigten Lebens zu arrondieren. Er bezieht beim leeren Türrahmen Position. Das ist alles, was - außer den wenigen Habseligkeiten der Obdachlosen - an Ausstattung aufgeboten wurde. Doch schließlich, statt der "Taubenpost", gibt es noch ein Grillparzer-Ständchen mit June Card als "Rose" und einem Männerquartett: "Zögernd leise / In des Dunkels nächt'ger Stille" - ein paar Tröpfchen Hoffnung. Ja, so wird mit der von Johannes Debus am Klavier in wundersamen Piano-Facetten ausgeleuchteten Musik einem erlesenen Publikum ein wärmendes Herbstgefühl vermittelt: Die Lage ist aussichtslos, aber nicht ernst.