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Schwanger im Kopf

Medizin. - Ein stetig dicker werdender Bauch ist bekanntlich nicht die einzige Veränderung im Körper einer Schwangeren. Eine gewisse Launenhaftigkeit und seltsame kulinarische Gelüste sind schon sprichwörtlich, wohl ausgelöst durch Veränderungen im Hormonhaushalt. Was Hormone bei schwangeren und stillenden Frauen noch so alles anstellen, zeigen jüngste Forschungen in Frankreich. Danach verändert sich auch das Gehirn von Schwangeren signifikant.

    "Mutterschaft ist eine Funktion des Gehirns", davon ist Dionysia Theodosis überzeugt. Die Hirnforscherin von der Universität in Bordeaux fand heraus, dass sich im Gehirn von Schwangeren Größe und Form der Nervenzellen verändern. Auch die Isolierung der Nervenzellen, bestehend aus den so genannten Gliazellen, verschwindet fast völlig. In der Hirnforschung war das bislang unvorstellbar, berichtet Dionysia Theodosis: "Es war jahrelang ein Dogma, dass sich die Nervenenden, die so genannten Synapsen, im Gehirn nicht verändern. Wir haben so viele Synapsen, wir brauchen einfach nicht noch mehr. Aber das ist nicht wahr, das haben wir herausgefunden. Wenn die Gliazellen verschwinden, werden gleichzeitig immer mehr Synapsen gebildet. Diese Nervenzellen mit ihren neuen Synapsen sind Oxytocin-Nervenzellen." Oxytocin ist ein Hormon, das zum Beispiel bei der Geburtseinleitung verwendet wird. Es ist ein sehr vielseitiger Stoff, erklärt Theodosis: "Oxytocin beeinflusst das Gehirn einer Mutter sehr vorteilhaft. Es fördert das mütterliche Verhalten, es reduziert Stress, und manche sagen sogar, es macht schlau. Schließlich beeinflusst es auch Lernvorgänge. Einfach alle Eigenschaften dieses Hormons, die jemals beschrieben wurden, sind positiv."

    Oxytocin wird vor allem während der Schwangerschaft und während des Stillens im Hirnstamm ausgeschüttet. Dionysia Theodosis fand heraus, dass es für die Veränderungen im Gehirn der Mutter verantwortlich ist. Dort sorgt es quasi selbst dafür, dass immer mehr Oxytocin produzierende Synapsen entstehen. Dieser Mechanismus stoppt erst, wenn eine Frau ihr Baby abgestillt hat. "Dann bilden sich alle Veränderungen wieder zurück", erklärt Theodosis. Sie fand im Stammhirn Moleküle und Eiweiße, die sonst nur im ganz jungen, unreifen Gehirn auftauchen: "Dieser Teil des weiblichen Gehirn ist dann sozusagen wieder in einem jungfräulichen Zustand."

    [Quelle: Kristin Raabe]