Gleich eingangs im Foyer des Gutenberg-Museums verrichtet eine Rotationspresse von Anno 1922 ihr ohrenbetäubendes Werk, ein imponierendes Metallungeheuer, das noch bis vor kurzem auf der Insel Norderney den Druck der dortigen "Bäder-Zeitung" besorgte und jetzt den Mainzer Ausstellungsbesuchern Respekt abnötigt.
Das zentrale Objekt dieser Schau aber befindet sich im dritten Stock und ist vergleichsweise unscheinbar: Aus konservatorischen Gründen hinter Glas und nur schwach beleuchtet findet sich dort ein Jahrgang der vermutlich weltweit ersten Zeitung, 52 Ausgaben, für jede Woche des Jahres eine, bestehend aus einfach gefalzten Bögen, in einem Band zusammengebunden, die angebräunten Seiten nicht sehr groß, etwa im Format DIN-A-5. Barock ausschweifend ist der Titel, welcher die "Relation", die Zusammenschau aller herausragenden und denkwürdigen Historien des Jahres 1609 aus verschiedenen europäischen Ländern verspricht.
Das präsentierte Exponat ist das einzige bekannte Exemplar, das sich erhalten hat, und darum betrachtete die Forschung lange Zeit das Jahr 1609 schlechthin als Geburtsjahr der Zeitung. Dann jedoch fand sich eine Bittschrift ihres Herstellers, des Straßburger Buchbinders Johann Carolus, der bereits 1605 den Magistrat der Stadt ersuchte, im bei seiner Nebentätigkeit als Nachrichtenhändler unter die Arme zu greifen. Carolus hatte zuvor Nachrichtensammlungen, die er aus den Briefen bezahlter Korrespondenten zusammenstellte, in handschriftlichen Kopien an interessierte Abnehmer verkauft.
Die wachsende Nachfrage bewog ihn zur Übernahme einer Offizin, um fortan mit Hilfe der Druckerpresse ein Geschäft großen Stils aufzuziehen. Vom Straßburger Magistrat wünschte er die Erteilung eines Privilegs, das ihn gegen räuberischen Nachdruck schützen sollte. Die Stadtväter lehnten sein Gesuch ab, und man könnte diese Entscheidung weise nennen, weil sie bereits in der Anfangszeit gedruckter Presseerzeugnisse die lokale Monopolstellung eines Einzelnen verhinderte. Zugleich aber verkannte die Obrigkeit die politische Dimension dieses neuen Mediums, denn sie ließ Carolus gewähren, ohne ihm Zensurauflagen zu machen.
Interesse an Neuigkeiten hat es zu allen Zeiten gegeben, und auch den Begriff Zeitung, der einfach bloß Nachricht bedeutete, gab es im deutschen Sprachraum bereits im 16. Jahrhundert. Schon in der Antike und im Mittelalter hatte man die Novitäten über Briefe kommuniziert, später dann kamen, wie bei Johann Carolus, die handschriftlichen so genannten Briefzeitungen hinzu. Warum aber beginnt das Nachrichtengeschäft erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts, den Druck für sein Zwecke zu nutzen, den Johannes Gutenberg doch schon rund hundertsechzig Jahre zuvor erfunden hatte? Martin Welke, der Kurator der Mainzer Ausstellung, aus dessen eigener Sammlung viele der hier gezeigten Exponate stammen, hat dafür eine doppelte Erklärung: Zum einen brauchte es ein Publikum, das kontinuierlich an Nachrichten interessiert war, und nicht nur sporadisch immer dann, wenn Kriege und Katastrophen drohten. Zum zweiten, und das war entscheidender, musste die Post aus einer zwischenzeitlichen Krise herausfinden und die regelmäßige und pünktliche Lieferung der Nachrichten verbürgen können. Eben das war um die Wende zum 17. Jahrhundert der Fall. Mit vollem Recht nennt man denn auch die Post die "Mutter der Zeitung".
Die Mainzer Ausstellung greift weit aus: Geschichte des Nachrichtenwesens vom Postreiter bis zur Übermittlung via Satellit, Wandel des journalistischen Arbeitsalltags, technische Entwicklung von Satz und Druck, Herausbildung einer komplexen Logistik bei der Zeitungszustellung, denn der Straßenverkauf ist jüngeren Datums, ein Kind des 20. Jahrhunderts. Und behandelt werden auch politische und soziale Fragen, so das finstere Kapitel der Zensur, deren Zeugnisse, um die Beengtheit des Denkens zu demonstrieren, in schrankartigen schmalen Boxen gezeigt werden. Schließlich die Rezeptionsgeschichte: Wie wurde gelesen, warum las man gemeinschaftlich sowohl in den Unterschichten wie in den gebildeten Ständen, wie steht es um Alphabetisierung und Lesefähigkeit, wann kommen die Frauen hinzu. Bislang war die Zeitung ein Stiefkind der historischen Forschung, denn erstaunlicherweise fehlt bis heute eine allgemeine kulturgeschichtliche Darstellung. Die Mainzer Ausstellung kann diese Lücke nicht schließen, aber sie ist, bei allen zwangsläufigen Schwächen einer überfliegerhaften Gesamtschau, ein lobenswerter erster Schritt.
Das zentrale Objekt dieser Schau aber befindet sich im dritten Stock und ist vergleichsweise unscheinbar: Aus konservatorischen Gründen hinter Glas und nur schwach beleuchtet findet sich dort ein Jahrgang der vermutlich weltweit ersten Zeitung, 52 Ausgaben, für jede Woche des Jahres eine, bestehend aus einfach gefalzten Bögen, in einem Band zusammengebunden, die angebräunten Seiten nicht sehr groß, etwa im Format DIN-A-5. Barock ausschweifend ist der Titel, welcher die "Relation", die Zusammenschau aller herausragenden und denkwürdigen Historien des Jahres 1609 aus verschiedenen europäischen Ländern verspricht.
Das präsentierte Exponat ist das einzige bekannte Exemplar, das sich erhalten hat, und darum betrachtete die Forschung lange Zeit das Jahr 1609 schlechthin als Geburtsjahr der Zeitung. Dann jedoch fand sich eine Bittschrift ihres Herstellers, des Straßburger Buchbinders Johann Carolus, der bereits 1605 den Magistrat der Stadt ersuchte, im bei seiner Nebentätigkeit als Nachrichtenhändler unter die Arme zu greifen. Carolus hatte zuvor Nachrichtensammlungen, die er aus den Briefen bezahlter Korrespondenten zusammenstellte, in handschriftlichen Kopien an interessierte Abnehmer verkauft.
Die wachsende Nachfrage bewog ihn zur Übernahme einer Offizin, um fortan mit Hilfe der Druckerpresse ein Geschäft großen Stils aufzuziehen. Vom Straßburger Magistrat wünschte er die Erteilung eines Privilegs, das ihn gegen räuberischen Nachdruck schützen sollte. Die Stadtväter lehnten sein Gesuch ab, und man könnte diese Entscheidung weise nennen, weil sie bereits in der Anfangszeit gedruckter Presseerzeugnisse die lokale Monopolstellung eines Einzelnen verhinderte. Zugleich aber verkannte die Obrigkeit die politische Dimension dieses neuen Mediums, denn sie ließ Carolus gewähren, ohne ihm Zensurauflagen zu machen.
Interesse an Neuigkeiten hat es zu allen Zeiten gegeben, und auch den Begriff Zeitung, der einfach bloß Nachricht bedeutete, gab es im deutschen Sprachraum bereits im 16. Jahrhundert. Schon in der Antike und im Mittelalter hatte man die Novitäten über Briefe kommuniziert, später dann kamen, wie bei Johann Carolus, die handschriftlichen so genannten Briefzeitungen hinzu. Warum aber beginnt das Nachrichtengeschäft erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts, den Druck für sein Zwecke zu nutzen, den Johannes Gutenberg doch schon rund hundertsechzig Jahre zuvor erfunden hatte? Martin Welke, der Kurator der Mainzer Ausstellung, aus dessen eigener Sammlung viele der hier gezeigten Exponate stammen, hat dafür eine doppelte Erklärung: Zum einen brauchte es ein Publikum, das kontinuierlich an Nachrichten interessiert war, und nicht nur sporadisch immer dann, wenn Kriege und Katastrophen drohten. Zum zweiten, und das war entscheidender, musste die Post aus einer zwischenzeitlichen Krise herausfinden und die regelmäßige und pünktliche Lieferung der Nachrichten verbürgen können. Eben das war um die Wende zum 17. Jahrhundert der Fall. Mit vollem Recht nennt man denn auch die Post die "Mutter der Zeitung".
Die Mainzer Ausstellung greift weit aus: Geschichte des Nachrichtenwesens vom Postreiter bis zur Übermittlung via Satellit, Wandel des journalistischen Arbeitsalltags, technische Entwicklung von Satz und Druck, Herausbildung einer komplexen Logistik bei der Zeitungszustellung, denn der Straßenverkauf ist jüngeren Datums, ein Kind des 20. Jahrhunderts. Und behandelt werden auch politische und soziale Fragen, so das finstere Kapitel der Zensur, deren Zeugnisse, um die Beengtheit des Denkens zu demonstrieren, in schrankartigen schmalen Boxen gezeigt werden. Schließlich die Rezeptionsgeschichte: Wie wurde gelesen, warum las man gemeinschaftlich sowohl in den Unterschichten wie in den gebildeten Ständen, wie steht es um Alphabetisierung und Lesefähigkeit, wann kommen die Frauen hinzu. Bislang war die Zeitung ein Stiefkind der historischen Forschung, denn erstaunlicherweise fehlt bis heute eine allgemeine kulturgeschichtliche Darstellung. Die Mainzer Ausstellung kann diese Lücke nicht schließen, aber sie ist, bei allen zwangsläufigen Schwächen einer überfliegerhaften Gesamtschau, ein lobenswerter erster Schritt.