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Schwarze Kassen und dunkle Machenschaften

Viele Menschen, die Karlheinz Schreiber in ihrem Leben begegnet sind, wünschen sich vermutlich, ihm niemals begegnet zu sein. Denn dort, wo Schreiber auftaucht, gibt es meistens Ärger.

Von Christiane Wirtz |
    Nicht nur in Deutschland, inzwischen auch in Kanada ist der heute 75-Jährige berühmt und berüchtigt für:

    "Big Business, Schmiergelder und Politics"

    Da sind zum Beispiel: der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Holger Pfahls sowie die beiden Thyssen-Manager a. D. Winfried Haastert und Jürgen Maßmann. Weil sie mit Schreiber ins Geschäft kamen, wurde ihnen in Augsburg der Prozess gemacht. Der Grund: Der Thyssen-Konzern wollte 36 Fuchs-Spürpanzer nach Saudi-Arabien liefern. Schreiber sollte den Deal einfädeln und dafür eine Provision in zweistelliger Millionenhöhe bekommen, die er - wie er selbst sagte - zur "Landschaftspflege" verwendete. 3,8 Millionen Mark sollen an den ehemaligen Staatssekretär Pfahls geflossen sein, an die ehemaligen Thyssen-Manager Haastert und Maßmann mehr als zehn Millionen Mark. Das System Schreiber - Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz beschreibt es so:

    "Es ist nachvollziehbar, aus meiner Sicht, dass Herr Schreiber, so wie er Lobbyarbeit verstanden hat, hier sozusagen gewährleisten wollte, dass alles, wörtlich, will ich mal sagen, wie geschmiert läuft."

    Pfahls, Maßmann und Haastert - sie alle werden rechtskräftig verurteilt. Allein derjenige Mann, der dem Prozess seinen Namen gab, bleibt verschont: Karlheinz Schreiber. Er setzt sich schon 1995 ab, zunächst in die Schweiz, später nach Kanada. Jahrelang wehrt er sich erfolgreich gegen seine Auslieferung - bis er dann im August vergangenen Jahres doch in einen Flieger nach München steigen muss. Am Montag nun wird der Prozess gegen ihn vor dem Landgericht in Augsburg eröffnet. Die Vorwürfe: Steuerhinterziehung, Bestechung, Beihilfe zu Untreue und Betrug.

    Die 36 Panzer für Saudi-Arabien aber sind nur der Anfang - je tiefer die Ermittler vordringen, in das Dickicht um Karlheinz Schreiber, umso brisanter wird der Fall auch für die Christdemokraten. Erst berichtet Walther Leisler Kiep, der ehemalige Schatzmeister der CDU, von einer Parteispende Schreibers, dann erfährt die Öffentlichkeit von schwarzen Konten der Partei. Helmut Kohl übernimmt im November 1999 die politische Verantwortung. Er räumt ein, selbst rund zwei Millionen D-Mark an Spenden erhalten zu haben, ohne sie in den Büchern der Partei verbuchen zu lassen. Die Namen der Spender zu nennen, dagegen weigert sich Kohl allerdings - und er tut das bis heute.

    "Die Spender haben mir ausdrücklich erklärt, dass ich diese Spende, die ich dringend brauchte, angesichts der Finanzlage der CDU in den neuen Ländern: Sie geben dieses Geld nur, wenn dies nicht in die Spendenliste kommt. Das ist der Fehler, den ich gemacht habe, zu dem ich mich bekenne, was ich auch bedaure, und wenn ich jetzt höre, sozusagen ich sei geschmiert worden, so wird da geschrieben oder gesagt, wenn ich höre, ich sei bestechlich, ist das für mich ganz und gar unerträglich. Ich war nie bestechlich, ich habe nie Geld für mich persönlich genommen, in meine Kasse persönlich und privat ist nichts gegangen."

    Auch für Wolfgang Schäuble ist die Begegnung mit Karlheinz Schreiber eine verhängnisvolle. Auch er verstrickt sich in seinem System. Im Dezember 1999 berichtet Schäuble vor dem Bundestag, dass er Karlheinz Schreiber im Herbst 1994 bei einer CDU-Veranstaltung in Bonn einmal getroffen habe.

    "Bei dieser Veranstaltung bin ich Herrn Schreiber begegnet. So, das war es."

    "Mit oder ohne Koffer?" - ist aus dem Plenum zu hören, und Schäuble antwortet:
    "Ohne Koffer, also ich habe einen Aktenkoffer vielleicht dabei gehabt, weiß ich gar nicht, so."

    Erst viel zu spät - nämlich einige Wochen später sagt Wolfgang Schäuble, dass er Karlheinz Schreiber nicht nur getroffen, sondern von ihm außerdem 100.000 Mark entgegen genommen habe. Eine Spende, die nicht ordnungsgemäß verbucht wurde. Und dann schaltet sich auch noch die ehemalige Schatzmeisterin Brigitte Baumeister ein, die ebenfalls behauptet eben jene 100.000 Mark von Schreiber bekommen zu haben. Wer nun nahm das Geld entgegen? Schäuble oder Baumeister? Ein letztlich belangloser Streit, der allerdings der Glaubwürdigkeit Wolfgang Schäubles mehr schadet als nützt.

    Karlheinz Schreiber indes verfolgt die Causa Schreiber aus gehörigem Abstand. 1999 setzt er sich nach Kanada ab, wo er laut darüber nachdenkt, ins Nudelgeschäft einzusteigen. In Deutschland ist die Anklageschrift gegen ihn schon längst vorbereitet, doch der Landschaftspfleger setzt sich immer wieder erfolgreich gegen seine Auslieferung zur Wehr. Erst tut er das mit juristischen Schritten, dann, indem er den ehemaligen Regierungschef Brian Mulroney in eine vermeintliche Schmiergeldaffäre stürzt.

    "Sie wollen mich mundtot machen, deshalb versuchen sie mich, aus dem Land zu kriegen" - behauptet Schreiber. Richtig ist, dass er in Kanada sicher ist - solange nämlich, wie er als Zeuge für die Ausschüsse gebraucht wird, die sich mit den Vorwürfen gegen Mulroney beschäftigen. Vor dem Ethikkomitee des kanadischen Parlaments sagt der ehemalige kanadische Regierungschef einen Satz, mit dem er vermutlich vielen anderen Bekannten Schreibers aus dem Herzen spricht:

    "Mein größter Fehler im Leben - bei Weitem - war es, dass ich mich überhaupt einverstanden erklärt habe, Karlheinz Schreiber vorgestellt zu werden."

    Im August vergangenen Jahres wird Schreiber dann doch ausgeliefert. Nun sitzt er in einer neun Quadratmeter großen Zelle, wartet auf sein Verfahren und vermutet das Schlimmste.

    "Ich bin fertig, es wird eine lebenslange Strafe sein" - mutmaßt er noch in Kanada. Ob es dazu tatsächlich kommt, das wird der Prozess in Augsburg zeigen, dem vorerst letzten Kapitel im Fall Schreiber.