Doris Schäfer-Noske: Frage an den Schriftsteller Tilmann Sprengler: Früher konnte man sich Dinge nicht erklären und machte die Götter verantwortlich. Heute kann man vieles erklären, ja, sogar beweisen, und trotzdem können viele Menschen diese Erklärung nicht hinnehmen. Warum ist das so?
Tilmann Spengler: Ich glaube, die Prämisse stimmt nicht ganz, weil ich denke, früher hat man auch schon bei den Göttern geglaubt, es sei eine Konspirationstheorie, weil da irgendjemand mit irgendjemand anders gekungelt hat und deswegen ist das Schicksal so. Aber Sie haben natürlich vollkommen recht, man hatte die große Hoffnung im 18. Jahrhundert, also, in der Zeit unserer Aufklärung, und dann noch einmal im 19. Jahrhundert, Zeit des Aufblühens unserer wissenschaftlichen Entwicklungen, dass durch rationale Erklärungen Konspirationstheorien weggewischt werden könnten. Das war natürlich Nonsens. Die Leute lieben die Erklärung hinter der Erklärung.
Schäfer-Noske: Inwieweit könnte denn auch eine Ursache für die Verschwörungstheorien sein, dass die Menschen ja heute unter diesem enormen Druck stehen, immer vernünftig zu handeln?
Spengler: Schauen Sie, Verschwörungstheorien - und das ist das Tolle daran - sind die beste Literatur, also, eine Verschwörungstheorie ist immer eine viel bessere Theorie als die der Rationalität. Sie wollen nicht wissen, dass A gleich B gleich C und irgendwas, sondern wenn Ihnen aber jemand sagt, wissen Sie, was eigentlich, wer nämlich eigentlich A ist und das ist eigentlich ein Jesuit, ein Jude, ein Muselmane oder irgendjemand anderes, dann ist das wieder viel interessanter als diese ganz banale Explikation, als die ganz banale Erklärung, dass Sie sagen, hm, das ist einfach so, es gibt so Gesetze und nach denen regelt sich unser Leben. Nein, da ist es ja viel interessanter, wenn die Banalität des Lebens dadurch konterkariert, dadurch aufgehoben wird, dass irgendjemand sagt, ich erzähle euch aber jetzt aber die wahre Geschichte.
Schäfer-Noske: Das erklärt auch die Popularität von Dan Brown.
Spengler: Das erklärt die unglaubliche Popularität von all diesen Erklärungsversuchen, aber vergessen Sie es nicht, ich meine, das ist ja harmlos, was passiert ist in diesen Zeiten um den 11. September mit dem Einsturz oder mit der Attacke auf die beiden Türme da in New York, aber ich meine, wir haben alle noch ein klein wenig miterleben dürfen in unserem, im letzten Jahrhundert, was natürlich an Konspirationstheorien gegen den bösen Juden, gegen den bösen Zigeuner, gegen die Helden von (...), was auch immer, passiert ist. Das ist alles nur Teil dieser großen Geschichte, dass eben (...) Mit der Wahrheit geht die Lüge nicht unter, und das ist ein gutes Zeichen für die Literatur, ein schreckliches Zeichen für die Wahrheit.
Schäfer-Noske: Auch um die Mondlandung gibt es ja Verschwörungstheorien, damals sah aber die Medienlandschaft noch ganz anders aus als heute. Was hat denn die Medienlandschaft bei der Entstehung solcher Theorien bewirkt?
Spengler: Na, die Medienlandschaft ist ja eine gemischte Kiste, wenn Sie so wollen. Die Medienlandschaft hat ja zum Beispiel über bestimmte Verschwörungen - also jetzt nicht Verschwörungstheorien, sondern Verschwörungen - hat sie ja nicht berichtet. Es gibt ja nun wirklich Leute, die schon vor ein paar Jahren oder vor ein paar Jahrzehnten gesagt haben: Kinder, es ist ja nun mal wirklich vielleicht so, dass Rauchen nicht so wahnsinnig gesund ist, wie es die Tabakindustrie immer behauptet. Und wenn diese Nachrichten kommen von der Tabakindustrie, dass Rauchen wahnsinnig gut für den Kreislauf ist, dann könnte das irgendwo etwas auch damit zusammenhängen, dass es da eine Art von Verschwörung gibt zwischen Wissenschaftlern und den Leuten, die sie bezahlen. Das ist ein Teil dieser ganzen Geschichte. Das heißt, Verschwörungstheorien wird es natürlich immer auch dann geben, wenn Wirklichkeit oder Wahrheit oder Zusammenhänge einfach - aus welchen Gründen auch immer - verschwiegen werden.
Schäfer-Noske: Wie wird denn aus der Verschwörungstheorie der Mythos?
Spengler: Ja, der Mythos im klassischen, wunderbaren Sinne, das ist ein schönes Stichwort, der Mythos ist ja eine Erzählung, und Verschwörungstheorien sind ja Erzählungen, deswegen haben Sie völlig Recht, zu sagen, es ist eher Mythos als Theorie. Eine Theorie schaut ja auf das, was beweisbar ist oder das, was reproduzierbar ist, was in jedem Falle so wiederholt werden kann, dass wir es rational, wissenschaftlich akzeptieren können. Nein, das ist ja das Schöne und das Schreckliche an dem Mythos von Verschwörung - dem glauben wir immer. Ich glaube doch immer einer guten Geschichte mehr als irgendeinem kleinen Lehrbuchtext, denn ich in einem blassgedruckten Artikel finde.
Tilmann Spengler: Ich glaube, die Prämisse stimmt nicht ganz, weil ich denke, früher hat man auch schon bei den Göttern geglaubt, es sei eine Konspirationstheorie, weil da irgendjemand mit irgendjemand anders gekungelt hat und deswegen ist das Schicksal so. Aber Sie haben natürlich vollkommen recht, man hatte die große Hoffnung im 18. Jahrhundert, also, in der Zeit unserer Aufklärung, und dann noch einmal im 19. Jahrhundert, Zeit des Aufblühens unserer wissenschaftlichen Entwicklungen, dass durch rationale Erklärungen Konspirationstheorien weggewischt werden könnten. Das war natürlich Nonsens. Die Leute lieben die Erklärung hinter der Erklärung.
Schäfer-Noske: Inwieweit könnte denn auch eine Ursache für die Verschwörungstheorien sein, dass die Menschen ja heute unter diesem enormen Druck stehen, immer vernünftig zu handeln?
Spengler: Schauen Sie, Verschwörungstheorien - und das ist das Tolle daran - sind die beste Literatur, also, eine Verschwörungstheorie ist immer eine viel bessere Theorie als die der Rationalität. Sie wollen nicht wissen, dass A gleich B gleich C und irgendwas, sondern wenn Ihnen aber jemand sagt, wissen Sie, was eigentlich, wer nämlich eigentlich A ist und das ist eigentlich ein Jesuit, ein Jude, ein Muselmane oder irgendjemand anderes, dann ist das wieder viel interessanter als diese ganz banale Explikation, als die ganz banale Erklärung, dass Sie sagen, hm, das ist einfach so, es gibt so Gesetze und nach denen regelt sich unser Leben. Nein, da ist es ja viel interessanter, wenn die Banalität des Lebens dadurch konterkariert, dadurch aufgehoben wird, dass irgendjemand sagt, ich erzähle euch aber jetzt aber die wahre Geschichte.
Schäfer-Noske: Das erklärt auch die Popularität von Dan Brown.
Spengler: Das erklärt die unglaubliche Popularität von all diesen Erklärungsversuchen, aber vergessen Sie es nicht, ich meine, das ist ja harmlos, was passiert ist in diesen Zeiten um den 11. September mit dem Einsturz oder mit der Attacke auf die beiden Türme da in New York, aber ich meine, wir haben alle noch ein klein wenig miterleben dürfen in unserem, im letzten Jahrhundert, was natürlich an Konspirationstheorien gegen den bösen Juden, gegen den bösen Zigeuner, gegen die Helden von (...), was auch immer, passiert ist. Das ist alles nur Teil dieser großen Geschichte, dass eben (...) Mit der Wahrheit geht die Lüge nicht unter, und das ist ein gutes Zeichen für die Literatur, ein schreckliches Zeichen für die Wahrheit.
Schäfer-Noske: Auch um die Mondlandung gibt es ja Verschwörungstheorien, damals sah aber die Medienlandschaft noch ganz anders aus als heute. Was hat denn die Medienlandschaft bei der Entstehung solcher Theorien bewirkt?
Spengler: Na, die Medienlandschaft ist ja eine gemischte Kiste, wenn Sie so wollen. Die Medienlandschaft hat ja zum Beispiel über bestimmte Verschwörungen - also jetzt nicht Verschwörungstheorien, sondern Verschwörungen - hat sie ja nicht berichtet. Es gibt ja nun wirklich Leute, die schon vor ein paar Jahren oder vor ein paar Jahrzehnten gesagt haben: Kinder, es ist ja nun mal wirklich vielleicht so, dass Rauchen nicht so wahnsinnig gesund ist, wie es die Tabakindustrie immer behauptet. Und wenn diese Nachrichten kommen von der Tabakindustrie, dass Rauchen wahnsinnig gut für den Kreislauf ist, dann könnte das irgendwo etwas auch damit zusammenhängen, dass es da eine Art von Verschwörung gibt zwischen Wissenschaftlern und den Leuten, die sie bezahlen. Das ist ein Teil dieser ganzen Geschichte. Das heißt, Verschwörungstheorien wird es natürlich immer auch dann geben, wenn Wirklichkeit oder Wahrheit oder Zusammenhänge einfach - aus welchen Gründen auch immer - verschwiegen werden.
Schäfer-Noske: Wie wird denn aus der Verschwörungstheorie der Mythos?
Spengler: Ja, der Mythos im klassischen, wunderbaren Sinne, das ist ein schönes Stichwort, der Mythos ist ja eine Erzählung, und Verschwörungstheorien sind ja Erzählungen, deswegen haben Sie völlig Recht, zu sagen, es ist eher Mythos als Theorie. Eine Theorie schaut ja auf das, was beweisbar ist oder das, was reproduzierbar ist, was in jedem Falle so wiederholt werden kann, dass wir es rational, wissenschaftlich akzeptieren können. Nein, das ist ja das Schöne und das Schreckliche an dem Mythos von Verschwörung - dem glauben wir immer. Ich glaube doch immer einer guten Geschichte mehr als irgendeinem kleinen Lehrbuchtext, denn ich in einem blassgedruckten Artikel finde.