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Schwarze Schafe

In Neuseeland gibt es über 60 Millionen Schafe. Aufsehen erregen können die wolligen Tiere daher kaum - nur auf der Farm der Gardners dreht sich so mancher nach ihnen um: Denn dort gibt es weltweit die einzige Herde schwarzer Schafe.

Von Andi Stummer |
    Die Schaffarm von John und Fiona Gardner im neuseeländischen Waihaorunga-Tal sieht auf den ersten Blick aus wie jede andere. Spinatgrüne, hügelige Weiden, weiß getünchte Scherschuppen mit roten Wellblechdächern und vorm Haus parkt ein rostbrauner Pick-up. Doch John Gardners Farm ist einmalig: Denn der Züchter besitzt weltweit die einzige Herde schwarzer Schafe.

    "Nachdem wir geheiratet hatten und meine Frau Fiona von England hierher kam nahmen wir meiner Mutter vier Schwarze Schafe ab, die sie nicht wollte. Das war vor 20 Jahren. Weil wir sie so schön fanden, brachten wir sie nicht zum Schlachter sondern begannen, sie zu züchten. Und dieses Jahr haben wir eine Herde von 2600 schwarzen Schafen geschoren."

    Genau wie das Sprichwort sagt: Schwarze Schafe sind die schwarze Schafe der Herde - Außenseiter, die niemand haben will. Wird ein Lamm mit dunklem Fell geboren, bringt es ein Farmer meist auf der Stelle um. Schwarze Schafe bedeuten der Legende nach Unglück, ihre Wolle gilt als wertlos. Nur eine Faser ihres dunklen Fells genügt und das pure Weiß eines ganzen Wollballens ist ruiniert. Deshalb hielten die meisten Farmer Fiona Gardner auch für verrückt, als sie ihnen Ende der achtziger Jahre überall in Neuseeland ihre schwarzen Lämmer abkaufte.

    "Farmer haben es heute schwer, ordentlich Geld zu verdienen. Man muss sich dazu etwas Neues, Ungewöhnliches einfallen lassen. Die schwarze Wolle unserer Schafe ist ein Naturprodukt und muss nicht chemisch behandelt werden. Sie ist von der Qualität her absolut konkurrenzfähig mit der Wolle der besten weißen Schafe und wunderschön."

    Schwarze Schafe sind zwar selten aber keine Laune der Natur. Alle frei lebenden Schafarten hatten früher ein dunkles Fell, bis der Mensch begann, ihr Flies weiß zu züchten, um die Wolle nach Belieben färben zu können. Mit dem schwarzen Fell haben John Gardners Schafe wohl auch einiges von ihrem ursprünglichen Charakter behalten. Schwarzen Schafen, meint er, sei viel schwerer etwas weiszumachen.

    "Sie bewegen sich nicht von der Stelle nur weil ich auf das offene Gatter zeige - man muss sie schon erst dazu bringen. Und sie springen viel mehr als weiße Schafe. Deshalb ist der Zaun um die Schwarzen gut zehn Zentimeter höher. Sie sind eigenwilliger als weiße Schafe, sie sind sturer und sie sind schlauer."

    Neben ihrer Herde schwarzer halten die Gardners auch weiße Schafe auf ihrer Farm. Mit dem Verkauf ihrer Wolle bezahlten sie die Rechnungen, was übrigblieb wurde in die Zucht der Schwarzen gesteckt. Doch selbst frühere Kollegen behandelten die Gardners wie Aussätzige. Futtermittel-Händler hörten auf, sie zu beliefern, und Neuseelands Scherer weigerten sich, oft aus Aberglauben, den schwarzen Schafen den Pelz zu stutzen. Anfangs mussten die Gardners die Schafschur ganz allein bewerkstelligen. Erst in Australien fand Fiona einen Scherer, mit dem sie sich nicht wegen der Farbe ihrer Tiere in die Wolle kriegte. Die Qualität der Felle wurde immer besser.

    So weich wie Kaschmir und so schwarz wie Kohle. 20 Jahre lang, als sie nur kleine Mengen an Puppen- und Spielzeughersteller absetzen konnte, wurde Fiona von Züchtern verspottet: Wenn sie schon "Frau Wolle" spielen möchte, dann solle sie ihre Felle doch auf dem "Schwarzmarkt" verkaufen. Jetzt aber haben die Gardners wirklich ins Schwarze getroffen. Sie liefern all ihre dunklen Schaffelle exklusiv an das italienische Modehaus Loro Piana - den weltweit größten Käufer feiner Wolle. Label-Chef Pier Luigi Loro Piana hatte auf Geschäftsreise in Neuseeland von der Herde verstoßener, schwarzer Schafe erfahren. Er war so gerührt, dass er Fiona Gardner bat, ihm Proben ihrer Wolle zu schicken.

    "Ich stellte mit einfachen Mitteln eine echte Präsentation zusammen. Die Geschichte unserer Herde - mit Fotos und Dokumenten. Von den Anfängen bis heute. Mein Hauptziel war es, die Zukunft der schwarzen Schafe zu sichern und dass auch andere die Schönheit dieser Wolle sehen können. Und das hat Loro Piana getan."

    Loro Piana rühmt sich, nur exklusivste Stoffe und Garne zu führen. Die italienischen Designer machen aus der Wolle der angeblich wertlosen schwarzen Schafe luxuriöse Abendgarderobe und sündteuere, elegante Freizeitmode. Das Marketing ist so einmalig wie das Produkt. Werbeslogan für einen 4000 Euro-Herren-Zweireiher: "Das schwarze Schaf unter den Anzügen."

    "Es war mein Traum mit Loro Piana ins Geschäft zu kommen, denn ich wollte die Wolle nur an jemanden verkaufen, der ihr auch gerecht wird. Ich finde es prima, wenn sich selbst jemand als schwarzes Schaf sieht und deshalb unsere Wolle trägt. Und wenn er sich darin wohlfühlt - umso besser."

    Für ihre schwarze Edel-Wolle, die früher niemand in Neuseeland haben wollte, bekommen John und Fiona Gardner heute mehr Geld als für weiße. Ihre Herde von Verlierern wirft Gewinne ab und Mode, gemacht aus den dunklen Fellen ihrer einmaligen Herde, wird in internationalen Nobel-Boutiquen verkauft. Doch trotz - oder vielleicht wegen - ihres Erfolges gelten die Gardners unter Neuseelands Züchtern selbst als die schwarzen Schafe.