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Schwarzes Gold für Krisenzeiten

Unter dem norddeutschen Wilhelmshaven lagert ein gigantischer Öl-Schatz. Er ist im Salz fest eingeschlossen.

Von Beate Hinkel | 31.03.2008
    "Hier ist das Kavernenfeld. Sie sehen den Stadtrand von Wilhelmshaven. Ein Luftbild, in dem man sieht, dass hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wird von den ansässigen Bauern hier. Und immer wieder, wie reingesprenkelt, ein Kavernenplatz."

    Das Modell am Eingang der Nord-West Kavernengesellschaft zeigt eine kleine Fläche zwischen Wilhelmshaven und Hooksiel; 3,5 Kilometer im Quadrat. Kaum vorstellbar, dass sich unter der Erde gigantische Kavernen befinden: künstlich geschaffene, lange, zylindrische Hohlräume, 300 Meter hoch und mit einem Durchmesser von rund 60 Metern, erklärt Thomas Piter von der Nord-West Kavernengesellschaft:

    "Den Eifelturm, den können Sie schon reinstellen. Und davon 35. Also zum Vorstellen ist es schon sehr schwer."

    Die Nord-West Kavernengesellschaft ist eine hundertprozentige Tochter des Erölbevorratungsverbandes EBV. Der wurde 1978 nach der Ölkrise gegründet und untersteht als staatliche Einrichtung dem Bundeswirtschaftsminister. Alle, die mit Erdölprodukten handeln, müssen Mitglied im EBV sein.

    Salzstöcke gibt es mehrere in Norddeutschland. Der Wilhelmshavener Stock befindet sich in einer Tiefe von 1200 bis 5000 Metern. Vor 40 Jahren wurde erstmals in ihn hineingebohrt. Durch zweiTeleskoprohre wird Wasser und Rohöl in die Tiefe gepumpt, sagt der Bergingenieur:

    "Hier vorne stehen die Pumpen. Die fördern bis zu einem Druck von 100 bar das Wasser in die Kaverne hinein. Über eine große Pipeline kommt durchs Stadtgebiet, vom Jadebusen, das Seewasser. Die Pumpen bringen es mit dem hohen Druck durch Rohrleitungen zu den einzelnen Kavernen in die Tiefe."

    Mit dem Wasser löst sich das Salz und wird als sogenannte Sole ins Meer gepumpt. Pro Liter sind in ihr 300 Gramm Salz enthalten. Das ist zehnmal mehr als sonst im Wasser am Jadebusen. Doch ein Problem für die Umwelt ist das nicht, sagen Fachleute. Denn die Tidenströmung der Nordsee sorgt dafür, dass sich die Sole schnell vermischt. Durch das Spülen des Salzstocks entsteht ein Hohlraum. Ist er rund 350.000 Kubikmeter groß, wird mit hohem Druck Rohöl hineingepresst. In eine Kaverne passt die Ladung eines Supertankers. Keine zusätzlichen Wände sind nötig, da das Öl das Salz nicht löst und sich mit ihm auch nicht verbindet. So lagern in, oder genauer unter, Wilhelmshaven in 35 Kavernen 6,5 Millionen Kubikmeter Rohöl: ein Großteil der gesetzlich vorgeschriebenen 90-Tage-Reserve, die die Bundesregierung nach dem Ölschock Anfang der 70er Jahre beschlossen hatte.

    Wann die Vorräte angezapft werden dürfen, liegt allein in ihrer Entscheidung. Regelmäßig wird überprüft, ob das Öl nicht irgendwo austritt. So auch heute: An einer Kaverne steht ein hoher Kran, an dem ein Seil befestig ist. Thomas Piter:

    "An dem Seil hängt eine Messsonde. Und diese Messsonde geht runter bis in die Kaverne, fast 2000 Meter tief, und misst sowohl den Kavernenboden mit Ultraschall als auch den Trennspiegel zwischen der Sole und dem Öl. Das machen wir regelmäßig, um zu gucken, ob sich die Kavernenform nicht verändert hat. Bis jetzt können wir sagen, sind alle Kavernen immer in der Form geblieben."

    Da sich der Rohstoff nicht verändert und ursprünglich sowieso schon Millionen Jahre unter Tage war, kann er dort geduldig warten, bis er benötigt wird. Hohe Preise auf dem Ölmarkt sind jedoch kein Grund, ihn zu Tage zu befördern:

    "Die Vorräte sind angelegt, um bei einer Versorgungskrise benutzt zu werden, nicht um Preisschwankungen auszugleichen. Von daher ist der Ölpreis für unsere Tätigkeit vollkommen unabhängig. Es soll sichergestellt werden, dass in Deutschland nicht aufgrund einer Ölkrise das wirtschaftliche Leben zusammenbricht, sondern dass die Motoren weiterlaufen können."

    Ein Viertel der 90-Tage-Reserve befindet sich in Wilhelmshaven, dem größten Lager in Deutschland. Der gelernte Elektriker Jörg Eilers überwacht die Anlage. Sechs Monitore und ein Schaltbild an der gegenüberliegenden Wand helfen ihm bei seiner Arbeit:
    "Ich muss arbeiten. Ist eine Störmeldung gekommen: Warnung Kopfdruck. Wir entlasten eine Kaverne, damit wir mit dem Druck ein bisschen runterkommen. Ein bisschen Sole lassen wir ab in die Jade.

    Da können Sie jetzt sehen, dass wir jetzt Sole laufen lassen. Das ist eine Pumpe. Da geben wir Wasser dazu, damit der ein bisschen dünner wird, besser läuft, nicht versalzt."

    35 Supertanker voller Öl: Unter dem strukturschwachen norddeutschen Wilhelmshaven lagert ein gigantischer Schatz. Doch dieser Schatz ist im Salz fest eingeschlossen. Einfach geraubt werden kann er nicht.