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Schwarzhändler aufgepasst

Wieviel Prozent der Verkäufer bei Ebay Schwarzgeld verdienen,

von Tobias Wenzel | 10.01.2004
    kann zur Zeit nur das Bundesamt für Finanzen in Bonn einschätzen. Doch dort will man die internen Statistiken nicht preisgeben. Seit Mitte 2003 suchen die Bonner Steuerfahnder mit der Software Xpider Schwarzgeldverdiener im Internet und besonders bei Ebay. Der Leiter der Steuerfahndung des Landes Berlin Wolfgang Lübke:

    Dieses Programm ist nichts weiter, als viele zusammengeschaltete Computer, die nach bestimmten Kriterien das Internet durchsuchen können. Nehmen Sie an, Sie geben ein: "Briefmarken" und dazu vielleicht noch eine Jahreszahl. Dann versucht diese Suchmaschine im Internet herauszufinden, wer unter dem Stichwort "Briefmarken" in diesem Jahr aufgetreten ist.

    Der Clou an Xpider ist, dass das Programm im Gegensatz zu Google und Co. die Suchmaschinen-Funktion mit einer so genannten Text-Mining-Funktion verbindet. Text-Mining bedeutet, dass auch inhaltliche Aspekte von Internet-Seiten analysiert werden. Somit werden nur jene Internet-Seiten angezeigt und in eine Datenbank exportiert, die die Suchwörter enthalten und außerdem typische Merkmale für unternehmerische Tätigkeit aufweisen. Wie das im Falle von Ebay funktioniert, erklärt der IT-Berater Stefan Borgmann. Er arbeitet für die Firma Entory, die Xpider vertreibt, und war Projektleiter bei der Einführung von Xpider im Bundesamt für Finanzen:

    Jemand, der in Ebay handelt, hat ein so genanntes Pseudonym und damit verknüpft hat er aber auch verschiedene Angaben, z.B. die Anzahl der Geschäfte, die er getätigt hat, und über einen gewissen Zeitraum hinweg auch die Information, was für Geschäfte er getätigt hat: hat er gekauft, hat er verkauft? Und Sie können sich jetzt hinsetzen und quasi in Ebay selber diese Informationen zusammentragen und Sie versuchen sich dadurch ein entsprechendes Profil zusammenzubauen. Und das ganze machen wir eben automatisiert.

    Verkauft ein Ebay-Mitglied z.B. dieselben Produkte, die es zuvor über Ebay gekauft hat, oder weist es hohe Umsatzzahlen auf, deutet Xpider dies als unternehmerische Tätigkeit. Zumal wenn die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf den Auktionsseiten fehlt. Findet sich doch eine Steuernummer, vergleicht Xpider sie automatisch mit den Nummern der zentralen Umsatzsteuer-Datenbank. Bei Verdachtsfällen streuen die Mitarbeiter des Bundesamtes für Finanzen die Xpider-Daten auf die Fahndungsstellen der Länder. Die erfragen dann bei Ebay Name und Anschrift der verdächtigen Nutzer.
    Natürlich filtert Xpider auch unschuldige Ebayer heraus. Wolfgang Lübke:

    Sehr häufig bieten ja Jugendliche ihre uninteressanten CDs aus der Vergangenheit letztendlich an in diesem Bereich. Und das kommt dann sicher auch mal öfter vor. Dem wird nachgegangen und eventuell wird der angeschrieben und nachgefragt: ‚Was machst du eigentlich?‘ Und dann kommt die Antwort: ‚Ich habe meine alte CD-Sammlung verkauft.‘ Und damit ist die Sache erledigt. Der hat ein nettes Erlebnis gehabt, er hat einen Brief von der Steuerfahndung gekriegt.

    Wer seine Sammlung über Ebay auflöst oder seinen Dachboden auf diese Art entrümpelt, gilt als Liebhaber und nicht als steuerpflichtiger Unternehmer. Anders ist das bei den dauerhaften Vielverkäufern, den Powersellern.
    Leider ist Xpider auch verwundbar. Verkäufer können nämlich Account-Splitting betreiben, also mehrere Accounts und mehrere Benutzernamen anlegen. Xpider kann nicht erkennen, ob und welche Accounts zu einer Person gehören. Da auch die Umsatzzahlen und die Bewertungspunkte auf verschiedene Accounts verteilt werden, fällt der Händler durchs Xpider-Raster. Das gibt auch Xpider-Experte Stefan Borgmann zu:

    Es wird immer Mittel und Wege geben, mit hinreichender krimineller Energie das ganze zu umgehen. Nur auf der anderen Seite spielt ja die Anzahl der Bewertungen auch eine wichtige Rolle. Das heißt also: Sie als Privatkäufer vertrauen ja auch nur einer Gegenseite, wenn eine entsprechend hohe Anzahl von positiven Bewertungen vorliegt. Wenn er es natürlich aufsplitten will und kann immer noch seine Geschäfte tätigen – schön für den Händler. Es kann natürlich in der Hinsicht nicht mehr nachvollzogen werden.

    Trotzdem ist Xpider ein wichtiges Hilfsmittel der Steuerfahndung. Bei entsprechender Hardware verarbeitet Xpider zweieinhalb Millionen Internetseiten pro Tag. Xpider ist sogar lernfähig und perfektioniert seine Fahndungsprofile. In Zukunft soll es neben Ebay auch andere Handelsportale überwachen können. Stefan Borgmann hat da schon den Autohandel im Visier. Und Steuerfahnder Wolfgang Lübke ist sich des Erfolges sicher:

    Wir kriegen sie alle. Die Leute sollten vorsichtig sein. So flüchtig ist das Internet dann doch nicht, dass man da nicht auf die Schliche kommt.