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Schwarzwald
Heidelbeeren in allen Variationen

Enzklösterle im Schwarzwald bezeichnet sich ganz offiziell als Heidelbeerdorf. Hier wächst die Waldfrucht an vielen Stellen. Es gibt eine Heidelbeerprinzessin und jede Menge kulinarischer Variationen der Frucht. Das hat Tradition, denn früher war die Waldfrucht wichtige Nahrungsquelle.

Von Marion Trutter | 28.07.2019
Heidelbeeren
Heidelbeeren sind ein wichtigste Nahrungsmitteln in Enzklösterle (picture alliance / dpa/ Bildagentur-online)
"Einen schönen guten Morgen von meiner Seite, ich heiße Manfred Zenk, bin Förster im Ruhestand und Sie haben heute das Vergnügen, mit mir auf diese Heidelbeertour zu gehen. Das Thema ist nicht Sammeln und auch nicht Verwertung der Heidelbeere. Bei mir geht’s um die Bedeutung der Heidelbeere im Ökosystem."
So zehn, zwölf Besucher sind es, die sich an diesem Juli Morgen um den Förster scharen, die meisten von ihnen Urlauber im Schwarzwalddorf Enzklösterle. Keine fünf Minuten schnaufen die Wanderer steil bergauf, da stehen sie schon mitten im Wald. Umgeben von Tausenden Heidelbeersträuchern. Sonnenstrahlen flirren durch die Zweige, die Vögel spielen ihr Morgenkonzert, es riecht nach Waldboden und süßen Beeren. Seit Jahrtausenden ist die Heidelbeere im Schwarzwald heimisch – und bis heute für das Leben im Wald von immenser Bedeutung:
"Um diese Jahreszeit ist das die Hauptnahrung der Auerhühner. Wenn die Beeren reif werden, und man muss sich das mal vorstellen, die erwachsenen Auerhähne haben ein Gewicht von fünf bis sechs Kilo, dann frisst so ein Hahn jeden Tag zwei Kilo Heidelbeeren. Die Heidelbeere schafft aufgrund ihrer dichten Struktur auch dann wieder Habitate, die für die anderen Lebensformen in den Hochlagen des Schwarzwaldes von erheblicher Bedeutung sind."
In den dunklen Tälern zwischen Freudenstadt und Wildbad ist die Heidelbeere seit jeher auch eng mit dem Leben der Menschen verbunden. Und so süß die blauschwarzen Früchtchen auch schmecken – ihre Ernte war früher alles andere als ein Zuckerschlecken. Das erfahren auch Besucher, wenn sie im Sommer nach Enzklösterle kommen. Das Dorf bezeichnet sich nämlich heute hochoffiziell als Heidelbeerdorf. Es gibt einen Heidelbeerweg und Heidelbeerwochen, ein Heidelbeerhaus und eine Heidelbeerprinzessin – und es gibt die Heidelbeeroma.
Früher war die Heidelbeere wichtiges Nahrungsmittel
Heide Schmid ist die Geschichtenerzählerin, das lebende Gedächtnis einer längst vergangenen Zeit, als Heidelbeerpflücken lebensnotwendig war – und ein wirklich hartes Brot:
"Ich wurde schon als vierjähriges Kind zwischen die Stöcke gesetzt und musste mein Körbchen füllen, weil man das als Nahrungsmittel brauchte. Wir mussten das wirklich machen, meine Mutter und meine Tante, die wurden mit Lastwagen weiter weggefahren, wo es mehr Beeren gab. Und das wurde abends verkauft und dann hatten die Mütter wieder etwas Geld. Die Touristen, die hierher kommen, die machen das aus Freude. Die Hände sind blau, die Zunge wird blau, wenn man Heidelbeeren isst, das ist heute alles viel mehr Spaß und Freude gegenüber früher."
Die Ortschaft Enzklösterle im Kreis Calw im Schwarzwald
Die Ortschaft Enzklösterle im Kreis Calw im Schwarzwald ( Ronald Wittek/dpa/lsw)
Wer sich weder den Rücken krumm noch die Finger schmutzig machen möchte, kann das schwarze Gold natürlich auch kaufen. Zum Beispiel im Heidelbeerhaus von Toni Gubser und seiner Frau, einer Mischung aus Laden und Café. Die frische Ernte des Tages lagert in einem kleinen Raum hinter dem Laden: 30 Kilo geballtes Waldaroma für die Nase. Vorne stapeln sich in den Regalen Heidelbeermarmeladen und -gelees, Wein und Likör, Heidelbeeren in Honig und in Schokolade. Man findet Wildschweinterrine mit Heidelbeeren, Heidelbeersenf, Bilder, Tischdecken und dekorative Herzen mit den hübschen Früchtchen drauf. Und auch für den nimmer endenden Heidelbeergenuss zu Hause haben die Gubsers gesorgt.
"Wir haben sogar Waldheidelbeerstauden, die in einer Gärtnerei gezüchtet wurden und die wir jetzt hier verkaufen. Die dann jemand mitnehmen kann in seinen eigenen Garten – mit einer Pflege- und Pflanzanleitung dazu."
Jede Menge kulinarischer Variationen der Heidelbeere
Aber erst einmal die Beere im Dorf lassen. Sprich: Ein paar Schritte weiter gehen ins Hotel Hirsch. Dort kocht und backt die Wirtin Sabine Mast das ganze Jahr über mit Heidelbeeren. Vorab grüßt die "Wilde Heidi", ein Cocktail aus Heidelbeerlikör und Sekt. Dann gibt es Fisch- und Fleischgerichte mit den Beeren, Desserts und Kuchen. Und als besonderen Gag die Nationalparktorte mit frischen Beeren, Heidelbeerkompott, Kirschwasser-Vanillesahne – und dazu Borkenkäfer und Totholz aus Schokolade. Auch die Heidelbeeroma kommt gern auf ein Stück Torte vorbei. Aber zuhause, da mag sie die kleinen Schwarzwaldperlen am liebsten ganz schlicht:
"Ich esse sie nach wie vor furchtbar gern mit Milch und Zucker – so als Nachtisch. Und ich mache auch gern Heidelbeerpfannkuchen, aber die wirklichen Heidelbeerpfannkuchen: im Teig die Heidelbeeren mitbacken, weil da karamellisieren die Heidelbeeren schön im Teig beim Braten. Und dann noch mit Zimtzucker oder Puderzucker – ist also ein echter Traum!"