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Schwarzwaldbilder im 19. Jahrhundert
Von der Entstehung eines Klischees

Zur Zeit der Industrialisierung zog es die Menschen in die anonymen Städte. Bilder von der Heimat, von Trachten, Kirchen und dem Schwarzwald hatten daher Hochkonjunktur. Die Städtische Galerie Karlsruhe zeigt eine Auswahl der entstandenen Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert.

Von Christian Gampert | 11.12.2016
    Ein typisches Schwarzwaldhaus Furtwangen im Schwarzwald.
    Die Malerei aus dem 19. Jahrhundert legte den Grundstein für die heutigen Schwarzwaldklischees. (imago / Volker Preußer)
    Gewöhnlich kennt man die Landschaften von John Constable zu Beginn des 19.Jahrhunderts, und auch die Schule von Barbizon gehört zum Kanon. Viel unbekannter sind die atmosphärisch kaum schlechteren Darstellungen des Schwarzwalds in der Romantik. Liegt es daran, dass hier auch eine sehr deutsche Sehnsucht nach dem "Waldesinneren", nach Bächen und Wasserfällen, nach Höllental und Ravennaschlucht bedient und inszeniert wird?
    "La forêt noire", der schwarze Wald, ist auch für die Franzosen eine schummrige Projektionsfläche; sie glauben, hier etwas von der deutschen Seele zu finden. Und der Ursprung der Schwarzwaldmythen, -topoi und ja, auch –klischees hat indirekt auch mit Frankreich zu tun: Nach Napoleon, nach Gründung des Großherzogtums Baden 1806, begann die Aufforstung der weitgehend ausgebeuteten, einsamen, abgeholzten Wälder, und zwar vor allem mit Nadelbäumen.
    Die nun besser ausgebauten Verkehrswege brachten auch auswärtige Künstler in die Gegend; Abbildungen von Burgen, Schlössern, Klöstern, Berggipfeln, Wasserläufen und Stadtarchitekturen sah nicht nur Großherzog Friedrich I. gerne, der 1854 in Karlsruhe eine Kunstschule gründete, sondern auch das städtische Bürgertum, das von seinen Erholungsreisen Erinnerungsstücke mit nach Hause nehmen wollte – sagt die Karlsruher Direktorin Brigitte Baumstark.
    "Da entstehen Bilder, die das Bürgertum mit 'Heimat' konnotiert - und die sich dann auch als Signets für den Schwarzwald entwickeln."
    Bilder von Bauernhöfen, Trachten und Kirchen
    Die realistischen Landschafts-Stiche von Carl Ludwig Frommel, die den Anfang der Ausstellung bilden, erreichten in den 1820iger-Jahren hohe Auflagen: Baden-Baden, der Blick auf Schloss Eberstein, das Murg-Tal – das waren die Klassiker. Aber gerade Frommel konnte den Schwarzwald sowohl (als Aquarell) in den schönsten Farben schimmern lassen als auch als harte, kalte, unwirtliche Landschaft zeigen (Feder, dunkelbraun-trübe Stimmung).
    Mit der zunehmenden Industrialisierung gingen viele Menschen in die Städte; aber in den Bildern hatte die Heimat, hatten Schwarzwälder Trachten und Bollenhüte, Kirchgang und strohgedeckte Bauernhöfe Konjunktur. Immer ist Sonntag in diesen Bildern. Der zugezogene Wilhelm Hasemann mit seiner Gutacher Künstlerkolonie war Ende des 19.Jahrhunderts an der Etablierung solcher Klischees stark beteiligt.
    "Angefangen hat das mit Berthold Auerbach und seinen Dorfgeschichten, der hat den Wilhelm Hasemann gebeten, eine spezielle Geschichte zu illustrieren, nämlich 'die Frau Professor', und dieses illustrierte Werk ist dann eingeschlagen und hat sich hervorragend verkauft."
    Nach den Ölbildern kamen Postkarten, dann die Operette, dann der Film – das "Schwarzwaldmädel" hat bis heute überlebt. Aber es gibt auch eine andere Schwarzwald-Malerei, die uns den Alltag zeigt, dunkle Bauernkaten, Glasbläser in düsterem Ambiente, einsame Kübler, Schnitzer, Uhrmacher, die dem Ende ihres Berufsstands entgegendämmern.
    Unverkitschte Darstellungen
    Hans Thoma malte 1868 Mutter und Schwester, fromm in der Bibel lesend, großformatig (und großartig!) in einem bescheidenen Schwarzwälder Garten, Hortus Conclusus. Aber auch in der Landschaftsmalerei ist diesen oft zu wenig bekannten Künstlern Ende des 19.Jahrhunderts Erstaunliches gelungen. Die weiten, an Ferdinand Hodler erinnernden, schneebedeckten winterlichen Flächen von Karl Biese nähern sich der Abstraktion und sind weit entfernt von jedem Heimatkitsch.
    Graphisch gestaffelt stehen die Baumstämme bei Otto Fikentscher. Die "Höllentalbahn" des Georg Michael Zimmermann bringt das ganze Bild ins Schwanken. Die detailreich geschilderten Bauernstuben von Johann Baptist Kirchner oder Alma Erdmann sind zum Teil niederländisch beeinflusst und öffnen einen weiten Bühnenraum. Und viele der metaphorisch wolkenverhangenen Schwarzwaldlandschaften sind einfach nur betörend schön.