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Schwarzwaldmädel im Frühling

Der Schwarzwald mit seinen mittleren Höhelagen gehört seit rund 100 Jahren zu den Legenden der deutschen Urlaubsregionen. Der Andrang in seine Täler und auf seine Berge war zur Winter- und Sommerzeit zeitweise derart heftig, sodass im Takt der Fahrpläne Fernzüge aus dem Ruhrgebiet zu den Schwarzwald-"Bahnhöfle" hinauf dampften.

Von Klaus Amann |
    Viele Zutaten kamen im 20. Jahrhundert zusammen: die frische Luft, die saftigen Wiesen, die dichten Waldbestände, die gute Milch, aber auch die preiswerten Unterkünfte für große und kleine Familien. Auch die deutschen Heimatfilme wie das legendäre "Schwarzwaldmädel" mit der herzallerliebsten Schauspielerin Sonja Ziemann beförderte quasi als Marketingstreifen in den 50er und 60er-Jahren die "Schwarzwald-Hochkonjunktur". Erstaunlicherweise fand dieser Film seinen Weg sogar auf die Leinwände der DDR-Lichtspielhäuser, obschon "die Schwestern und Brüder" in den Jahren des Kalten Krieges ihren Urlaub wohl kaum im Schwarzwald verbringen durften.

    Doch seit den 70er-Jahren musste sich der Schwarzwald dem Wettbewerb mit den Billigangeboten stellen. Die Pauschal-Flugreisen in die weite Ferne hatten den Schwarzwald-Tourismus zeitweise kräftig gerupft. Insgesamt aber blieb die Marke Schwarzwald stabil und mit neuen Angeboten, wie etwa dem Mountainbike, öffneten die Marketing-Strategen ihren Schwarzwald einem Klientel, das nicht nur die Ruhe und Entspannung sucht, sondern vor allem fröhliche und sportliche Urlaubserlebnisse einsammeln will.

    Der Kuckuck ruft und die Touristen kommen wieder vermehrt in den zwischenzeitlich umfassend geschützten Naturpark. Die Schwarzwälder sind froh, dass dem so ist. Es war ja nicht die Uhrenherstellung in Heimarbeit, die im Verlauf des 18. und des 19. Jahrhunderts die bittere Not aus den abgelegenen Schwarzwalddörfern verscheuchte, sondern der Bus- und Eisenbahntourismus des 20. Jahrhunderts. Erst mit ihm konnte die Anmut und die Schönheit dieses Mittelgebirges ins Bewusstsein von vielen Skifahrern und Erholungssuchenden gelangen. Mit dem Schwarzwald ging es steil bergauf und es kam durchaus reichlich Finanzkraft in seine Täler und Gehöfte.

    Der Schwarzwald lebt immer noch von seiner Idylle und St. Peter gehört ganz gewiss zu den schönsten Orten im südlichen Bereich. Es ist ein schmuckes Klosterdorf mit rund 2500 Einwohnern, rund 25 Kilometer von Freiburg im Breisgau entfernt. Während der Fahrt in die Höhe mit all den "Rinkeli-Ränkeli"-Kurven erlebt man die Postkartenidylle sozusagen in "Echtzeit", denn es klappern die Mühlen und es plätschern die Bächle, es gibt einen herrlichen Weitblick und die blitzblank saubere Luft lädt zum ausgiebigen Verschnaufen ein. Schon aus der Ferne entdeckt man den Bezugspunkt von St. Peter, nämlich die tip-top renovierte Klosteranlage mit ihrer mächtigen Barockkirche, den großen Rokoko-Gebäuden, in denen Bibliothek, Fürstensaal und sehr gastliche "Fremdenzimmer" untergebracht sind, in denen immer wieder auch Prominenz aus Kirche, Politik und Kultur verweilt. Und an Sonn- und Feiertagen schallen die Glocken von St. Peter weit ringsumher in die Schwarzwald-Täler hinein und begrüßen jährlich rund 15.000 Tagesgäste.

    Das ehemalige Benediktinerkloster von St. Peter gilt als grandioses Zeugnis der Baukunst von Barock und Rokoko. Die Anlage ist weitestgehend im ursprünglichen Zustand, obschon die rund 1000-jährige Geschichte von vielen Umbauten und Anbauten berichtet, auch von Raub und Plünderung, von Brandschatzung und von Zweckentfremdung, etwa als Herberge für Typhuskranke und als Lazarett in Kriegszeiten.

    Im Verlauf der Säkularisation wurde die Benediktiner-Abtei St. Peter im Jahre 1806 aufgelöst und die Mönche vertrieben. Die Besitztümer gingen an das von Napoleons Gnaden neu gekürte Großherzogtum Baden mit seiner evangelischen Herrscherfamilie. Doch, es ließ sich wohl verhandeln, denn ab 1842 wurde in den Gebäuden das katholische Priesterseminars des Erzbistums Freiburg untergebracht. Viele Tausend Kandidaten erlebten hier in St. Peter das letzte Jahr ihrer Ausbildung und die endgültige, oft genug recht schwere Entscheidung für das Zölibat.

    Vor drei Jahren wurde das Priesterseminar in St. Peter nach Freiburg verlegt und ein neues "Geistliches Zentrum" in die Klosteranlage integriert. Diese Institution knüpft mit einer unerwartet großen Nachfrage an den wissenschaftlichen und spirituellen Veranstaltungen erfolgreich an die Vergangenheit des Klosters an, in einem Ort geistlicher Lebenskultur im historischen Gemäuer.

    Bei den Renovierungsarbeiten entdeckte man überraschenderweise rund 1000 äußerst wertvolle, im Wert kaum bezifferbare Bücher aus dem einstigen Originalbestand der Benediktiner-Bibliothek. Bei der staatlich verordneten Räuberei im Zusammenhang mit der Säkularisation hatten die großherzoglichen Transporteure aus Karlsruhe diese Bücher vor rund 200 Jahren wohl übersehen oder ihren Wert nicht erkannt. Dr. Arno Zahlauer, Direktor des Geistlichen Zentrums ist auf "seinen" Schatz außerordentlich stolz.

    In St. Peter ist die Tradition der Volksfrömmigkeit fest verwurzelt und im Verlauf eines Jahres öffentlich präsent und dies keineswegs als Touristen-Inszenierung. Ob Vereine, Wirte und Bürgermeister, sie alle stehen zu den Hochfesten wie Palmsonntag, Ostern, Fronleichnam und Erntedank. Für viele junge und ältere Schwarzwälder ist Tragen ihrer im Detail durchaus verschieden ausgestalteten Schwarzwäldertracht zumindest zur Prozession, zum Kirchgang oder auch zur Trachtenwallfahrt noch selbstverständlich, bestätigt Trachtenträger Gottfried Rohrer, der langjährige Bürgermeister von St. Peter.

    Auch als Nachwirkung der Schwarzwaldfilme in Kino und Fernsehen gelten die leuchtend roten Bollenhüte als Bestandteil der Schwarzwälder Tracht schlechthin, obschon sie ursprünglich nur drei kleine Orte repräsentierten, nämlich Gutach, Kirnbach und Reichenbach, und auch nur von unverheirateten Mädchen getragen werden durften. Nach der Hochzeit werden dann 11 schwarze Wollkugeln auf dem kunstvollen Strohgeflecht aufgenäht. Zum faltenreichen, schwarzen Rock mit schwarz-seidener Schürze tragen die Mädchen und Frauen eine weiße Bluse mit weiten Puffärmeln, darüber ein Leibchen aus geblümtem Samt. Vervollständigt wird diese Tracht durch weiße Kniestrümpfe und schwarze Schuhe.

    Junge und ältere Männer tragen ein weißes Hemd mit schwarzem Schlips, dazu eine schwarze Samtweste, einen langen, innen rotgefütterten, schwarzen Mantel, sowie den schwarzen Trachtenhut mit breiter Krempe.

    Wer als Tourist in St. Peter zur Zeit auf einer frühlingsgrünen Wiese verweilt, kräftig durchatmet und die Augen schließt, der sieht ganz gewiss das ihm zulächelnde "Bärbele" und "Schätzle", jenes legendäre "Schwarzwaldmädel", das dem deutschen Mittelgebirge Schwarzwald im Südwesten Deutschlands vor 60 Jahren Gesicht und Stimme verliehen hat.