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Schwefelfreier Sprit

PKW und LKW sind zu rund 80 Prozent für die Schadstoffkonzentration in den Städten verantwortlich, so die Angaben des Umweltbundesamtes. Weil trotz dieser eindrucksvollen Zahl kaum jemand bereit ist auf sein Auto zu verzichten, gibt es derzeit nur zwei Wege, die Atemluft in der Stadt erträglicher zu machen: die Entwicklung neuer Motoren, die weniger verbrauchen und die Verminderung von Schadstoffen im Sprit. Hier wird derzeit vor allem über die Reduzierung von Schwefel diskutiert, der ein natürlicher Bestandteil von Rohöl ist.

von Christine Heuer |
    Soviel Einigkeit war selten, wenn mit steuerlichen Instrumenten umweltfreundliche Kraftstoffe gefördert wurden. Nicht nur die Umweltverbände, auch die Industrie und Verbrauchervertretungen wie der ADAC freuen sich über die frühzeitige Einführung schwefelarmen und schwefelfreien Benzins und Dieselkraftstoffs in Deutschland. Und das obwohl - anders als es der ADAC gern gesehen hätte - die vergleichsweise sauberen Kraftstoffe nicht billiger, sondern die schmutzigen Kraftstoffe teurer werden. Ab November dieses Jahres wird die Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel mit einem Schwefelgehalt von über 50 parts per million um drei Pfennig angehoben. Diese Maßnahme wird ab Januar 2003 auch bei den schwefelfreien Kraftstoffen greifen: Dann werden Benzin und Diesel mit einem Schwefelgehalt von über 10 ppm um drei Pfennig pro Liter teurer. In der Europäischen Union ist die Einführung der sauberen Kraftstoffe erst ab 2005 verbindlich vorgeschrieben. In Großbritannien, Schweden, Finnland und Dänemark werden schwefelarme, selten auch schwefelfreie Benzin- und Diesel-Sorten zum Teil schon seit Jahren freiwillig angeboten. Seit wenigen Monaten verkaufen Shell, BP, Aral und TotalFinaElf auch an deutschen Tankstellen schwefelarmes SuperPlus. Dafür, dass die rot-grüne Bundesregierung nun auch schwefelfreie Kraftstoffe steuerlich begünstigen darf, haben die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister jetzt grünes Licht gegeben. Umwelt, Industrie und Verbraucher, darin sind sich in der Bundesrepublik alle einig, werden davon profitieren. Der Umwelt wird es gut bekommen, dass die Schadstoff- und Kohlendioxyd-Emissionen durch die neuen Kraftstoffqualitäten drastisch sinken. Gegenüber den heutigen Benzin- und Dieselsorten werden mit schwefelfreien Kraftstoffen bei Katalysatorfahrzeugen durchschnittlich 40 Prozent weniger Stickoxyde und Kohlenwasserstoffe freigesetzt. Das sind die wichtigsten Ozon-Vorläufer-Substanzen. Die neuen Kraftstoffe werden also das Sommersmog-Problem spürbar entschärfen. Die Partikelemissionen von Dieselmotoren werden um etwa 10 Prozent gesenkt. Da die neuen Kraftstoffe moderne Motortechniken erst ermöglichen, mit deren Hilfe der Flottenverbrauch deutlich gesenkt wird, könnten am Ende satte 20 Prozent der klimaschädlichen CO-2-Emmissionen von Autos eingespart werden. Die neuen Motortechniken sind der wichtigste Vorteil, den sich die Automobilindustrie von der flächendeckenden Einführung schwefelfreier Kraftstoffe erhofft. Das technische Potential innovativer Motor- und Abgasreinigungskonzepte für Otto- und Dieselmotoren, betonen die Hersteller, könne nur mit schwefelfreiem Benzin und Diesel ausgeschöpft werden. Wer diese Techniken anbieten und verkaufen kann, hat einen internationalen Wettbewerbsvorteil. Je früher Deutschland flächendeckend mit schwefelfreiem Kraftstoff versorgt wird, umso größer sind die Chancen der Automobilindustrie, diesen Vorteil ausgiebig zu nutzen. Wie schon bei der Einführung bleifreien Benzins erhofft sich die Wirtschaft auch diesmal, dass sich alle europäischen Staaten rasch der in der großen Bundesrepublik geübten Praxis anschließen werden. Anders als die bleifreien Kraftstoffe bergen die schwefelarmen und -freien Benzin- und Dieselqualitäten auch in der Übergangsphase keine technischen oder logistischen Probleme. Hier liegt der größte Vorteil für die Verbraucher. Um schwefelfrei tanken zu können, muss kein Fahrzeug umgerüstet werden. Im Gegenteil werden Wirkung und Haltbarkeit von Katalysatoren und Auspuffanlagen verbessert. Auch an den Tankstellen sind schwefelfreie Kraftstoffe unproblematisch. Viel tiefer muss der Verbraucher auch für die neuen Kraftstoffe nicht in die Tasche greifen. Das Umweltbundesamt rechnet damit, dass schwefelfreies Benzin, weil es aufwendiger raffiniert wird als herkömmliches, bis zu zwei Pfennig pro Liter mehr kosten kann. Diese Teuerung wird aber durch den steuerlichen Vorteil - wenigstens auf dem Papier - wieder wettgemacht. Langfristig kann der Verbraucher damit rechnen, durch die neuen Motortechniken weniger Sprit zu verbrauchen und auf diesem Wege die höheren Kosten der schwefelfreien Kraftstoffe wieder einzusparen.