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Schweine in leuchtendem Grün

Biologie. – Mitunter muten die Errungenschaften der Forschung eher unappetitlich an, etwa wenn auf dem Rücken einer Maus ein menschliches Ohr wächst. In diese Kategorie werden viele vielleicht auch die Kreation Münchener Wissenschaftler einordnen, die jetzt vorgestellt wurde: Ferkel, die im Dunkeln grün fluoreszieren. Was makaber anmutet, hat indes erhebliche praktische Bedeutung für die Arbeit mit genetisch veränderten Organismen. Überdies entdeckten die Pharmakologen eine Methode, mit der so genannte transgene Tiere erfolgreicher erzeugt und somit die Kosten reduziert werden können. Damit könnte auch die Bereitstellung von Ersatzorganen für den Menschen einen Schritt näher rücken.

20.10.2003
    Im Stall des landwirtschaftlichen Versuchsguts der Universität München führt Alexander Pfeifer ganz praktisch vor, was ohne Erläuterung erschaudern lässt. Der Professor für Pharmakologie schaltet das Licht aus und eines der beiden jungen Ferkel glimmt unter dem blauen Licht seiner Leuchte grünlich im Dunkel auf. Bei dem Tier mit der gruselig anmutenden Eigenschaft handele es sich um ein transgenes, also gentechnisch verändertes Schwein, erläutert Pfeifer. "Der Hintergrund für das Experiment ist, dass wir ein so genanntes Reporter-Gen suchten, mit dessen Hilfe wir erfolgreich manipulierte Tiere leicht erkennen können, ohne sie dazu etwa töten zu müssen." Fündig wurden die Münchener Forscher schließlich bei Meeresquallen, deren Gen für ein fluoreszierendes Protein sie als Marker auf die Schweine übertrugen.

    Die Markierung benötigten Pfeifer und Professor Eckhard Wolf, Inhaber des Lehrstuhsl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, um den Erfolg einer neuen Methode zur Herstellung genetisch veränderter Tiere zu prüfen. Bislang geschieht dies, indem der Kern einer bereits befruchteten Eizelle mit einer feinen Kanüle angestochen und das fremde Erbgut eingefügt wird. Allerdings ist diese Methode nicht besonders effektiv, erklärt Pfeifer: "Das Problem ist einfach, dass man den Zellkern zunächst finden muss, um die DNS einzufügen. Außerdem müssen sie durch die Zelle und in den Kern hinein stechen. Und das ist ein sehr großer Stress für den Embryo." Stattdessen setzen Pfeifer und Wolf auf Viren, die quasi als Taxi die neue genetische Eigenschaft in den Zellkern chauffieren. Das funktionierte sogar so gut, dass die beiden Forscher von ihrem Erfolg selbst überrascht waren. Während eine genetische Veränderung nach herkömmlicher Methode bestenfalls in jedem zehnten Versuch gelingt und alle anderen Embryonen absterben, liegt die Rate der Münchener Wissenschaftler bei zwei von drei Tieren.

    "Wir führten die ''Infektion'' mit den Virus-Taxis im so genannten Einzellstadium kurz nach der Befruchtung der Eizelle durch, aber neue Untersuchungen zeigen, dass auch noch nicht befruchtete Eizellen genetisch verändert werden können, die erst anschließend befruchtet werden", so Professor Pfeifer. Je früher die Infektion geschehe, desto mehr Zellen des Tieres wiesen später die neue genetische Eigenschaft auf. Besonderer Clou der Methode ist, dass auch die Zellen der Keimbahn die neue Erbinformation besitzen und daher spätere Nachkommen ebenfalls die Genmanipulation tragen. Damit wird das Verfahren viel wirtschaftlicher als das bisherige. Der Preis eines transgenen Schweins könnte damit von rund 30.000 auf 1000 Euro sinken und so die Zucht von Tieren als Organspender für den Menschen ebenfalls näher rücken. Doch bis dahin müssen Pfeifer und seine Kollegen zunächst alle ihre grün leuchtenden Schweine durchfüttern - und zwar viel mehr Tiere, als sie erwartet hatten.

    [Hellmuth Nordwig]