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Schweinswale in Gefahr

Die Ostsee ist ein wahres Munitionsdepot. Schätzungen zufolge lagern dort mehrere hunderttausend Tonnen Munition, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg versenkt wurden. Die Altlasten sollen nach und nach gesprengt werden, was die sensible Ortung der Schweinswale in Gefahr bringt.

Von Annette Eversberg |
    Schweinswale sind neben den Robben als Meeressäugetiere die Bewohner von Nord- und Ostsee. Sie sind sehr klein, denn im Gegensatz zu ihren mehrere Meter langen Artgenossen in den Weltmeeren werden diese Wale allenfalls 1,80 Meter lang. Wale können kaum sehen. Dafür ist ihr Gehör besonders wichtig. Petra Deimer, Meeresbiologin von der Gesellschaft für Meeressäugetiere, kennt die Schweinswale genau:

    "Die Wale orientieren sich vor allem akustisch, mit Sonaren, mit einer Art Echolot, wie auch die Fledermäuse, weil das Wasser ja recht trüb ist. Man kann nicht weit gucken. Sie erfassen die Beutetiere, aber auch die Umgebung rein akustisch. Der Schall kommt zurück, und über das Innenohr können sie sich dann ein akustisches Bild von Umgebung und Beutefisch machen."

    Störungen bringen die Orientierung der Tiere durcheinander. Sprengungen unter Wasser, wie sie in der Ostsee geplant sind und im September und Oktober bereits durchgeführt wurden, sind lebensbedrohlich. Petra Deimer:

    "Es kann sein, dass sie Lungenrisse bekommen und dann sterben. Es kann sein, dass ihr ganzes Gehör platzt und sie dann sterben. Es gibt diverse Möglichkeiten, dass der Schall die Tiere umbringt früher oder später."

    Im Umkreis von 1,2 Kilometern. Die Sprengung der Munition ist für den Winter geplant, wenn der Schiffsverkehr auf der Ostsee und in der Kieler Förde geringer ist als im Sommer. Aber gerade zu dieser Zeit überwintern Schweinswale aus der nördlichen Ostsee im Süden, nahe der Kieler Förde. Es sind also nicht weniger, sondern mehr. Die Meeresbiologen und der Naturschutzbund Deutschland fordern daher zu prüfen, ob es noch andere Möglichkeiten als die Unterwassersprengung gibt, zumal die große Menge von 300.000 Tonen Munition die Sprengungen über Jahrzehnte zu einer Dauergefahr für Schweinswale machen würde. Ingo Ludwichowski vom NABU Schleswig-Holstein:

    "Es gibt verschiedene Maßnahmen. Eine ist, wenn die Munition noch vom Zustand es erlaubt, sie über Taucher bergen zu lassen. Das gilt natürlich nur für Munition, die nicht explodiert, und wo eine Gefährdung der Taucher ausgeschlossen ist. Selbst bei den Sprengungen sind aber technische Möglichkeiten vorhanden, um die Auswirkungen abzumildern oder ganz zu vermeiden. Eine Möglichkeiten ist, einen Vorhang von Luftblasen zu erzeugen, durch den der Schall eingegrenzt wird und sich nicht stark ausbreitet, so dass die Tiere gefährdet werden."

    Mit so genannten Klickdetektoren kann man die sehr scheuen Tiere vorher orten. Bei der NATO nimmt man auf Meeressäuger Rücksicht. In einem eigenen Forschungszentrum hat die NATO entsprechende Schutzbestimmungen entwickelt. Übertragen auf die Schweinswale bedeutet dies, dass sie keinem Empfangspegel über 160 Dezibel ausgesetzt werden sollen. Im Zentrum einer Sprengung würden aber 260 Dezibel herrschen. Auch das Bonner Artenschutzabkommen gibt den Schutz der Schweinswale vor. Meeresbiologin Petra Deimer:

    "Ich finde, dass hier Deutschland gefragt ist, besonders zu handeln. Wir sind nicht nur Mitgliedsstaat der Bonner Artenschutzkonvention, gehört zu den vereinten Nationen, wir sind auch Depositar für diese Konvention. Und es gibt auch noch das Kleinwale-Abkommen, ein Regionalabkommen der Bonner Konvention. Und ich finde, dass allein der Name und der Sitz Deutschland verpflichtet, alles zu tun, um diese Tiere zu schützen."

    Der Protest der Naturschützer und zahlreicher Bürger hat inzwischen einen ersten Erfolg zu verzeichnen. In dieser Woche wird vor der Kieler Förde nicht wie geplant gesprengt. Dafür fährt heute ein Schiff des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lübeck auf die Ostsee hinaus. Dabei will man sich erst einmal einen Überblick verschaffen, wo sich Schweinswale in diesem Gebiet aufhalten.