Archiv


Schweinswale kehren in die Elbe zurück

Zum Lebensraum von Schweinswalen gehört auch das Süßwasser - in den Flüssen hierzulande aber waren sie jahrzehntelang nicht zu sehen. Doch seit kurzem wagen sich im Frühjahr einige Tiere wieder gut 100 Kilometer weit in die Elbe, bis hinein in den Hamburger Hafen.

Von Sven Kästner |
    Die Landungsbrücken im Hamburger Hafen. Vor den Elbfähren herrscht Gedränge. Gegenüber die Docks der "Blohm und Voss"-Werft, dahinter Hunderte Verladekräne. Kaum zu glauben, dass zwischen all den riesigen Frachtschiffen eine Tierart Platz findet, die in der Nordsee als bedroht gilt. Und doch ist der Schweinswal in den nördlichen Elbabschnitt zurückgekehrt – Jahrzehnte nach seinem Verschwinden.

    "Wir können sagen, dass so viele Schweinswale wie noch nie in der Elbe hier schwimmen, dass die in größeren Gruppen kommen, den Hamburger Hafen als Jagdgebiet benutzen, dort Fische jagen",

    sagt Denise Wenger während der Fahrt auf einer Fähre über die Elbe. Die Münchner Biologin beobachtet die Tiere regelmäßig in den Frühlingsmonaten entlang des Hamburger Flussabschnittes. Vor sechs Jahren startete sie außerdem ihr Sichtungsprogramm. Seither ruft Wenger die Hamburger auf, jeden entdeckten Schweinswal zu melden.

    "Vor drei Jahren hatten wir noch zehn Sichtungsmeldungen. Und im letzten Jahr waren es sprunghaft mehr. Und das hat eben dieses Jahr nochmal zugenommen."

    Ankunft in Teufelsbrück, einer Fährstation am Eingang des Hafens. Von hier wurden besonders viele Tiere gemeldet. Gleich am Schiffsanleger befindet sich ein Imbiss. Wie viele seiner Gäste hat auch der Verkäufer die einzige heimische Walart bereits gesehen.

    "Synchron zwei nebeneinander. Direkt hier zehn Meter vom Ufer entfernt. Und ich dachte auch erst, ich sehe nicht richtig. Dass die hier überhaupt her finden, also dass ein Lebensraum für die entsteht. Sonst sieht man hier ja nur Kormorane oder Haubentaucher. Und dann tauchen die Schweinswale auf."

    50 bis 80 der Tiere haben sich dieses Jahr in die Elbe gewagt. Das schätzt Biologin Wenger aus den Sichtungsmeldungen und der Auswertung einiger Unterwasserdetektoren. Diese Geräte registrieren die Klickgeräusche, mit denen die Schweinswale kommunizieren und sich orientieren. Vermutlich folgen die Raubtiere in den Frühlingsmonaten den Schwärmen bestimmter Fischarten, die zum Ablaichen aus der Nordsee bis in den Hafen ziehen. Vor allem Stint und Finte scheinen den Jagdtrieb zu wecken. Nach deren Laichsaison kehren auch die Schweinswale Ende Mai, Anfang Juni wieder ins Meer zurück.

    "Für die Schweinswale scheint dieses Futterangebot hier eine Rolle zu spielen - und eben in Kauf zu nehmen den langen Weg von der Nordsee hierher. Und auch den Schiffslärm, den Verkehr, die Verschmutzung."

    Für die These spricht, dass sich die Fischbestände in den vergangenen zehn Jahren erholt haben. Die Elbe ist sauberer geworden, seit die EU-Wasserrahmenrichtlinie auch in Deutschland umgesetzt wurde. Veit Hennig, Biologe an der Universität Hamburg, sieht das deutliche Wachstum einer Kolonie von Flussseeschwalben im Elbmündungsgebiet als Anzeichen dafür.

    "Wir wissen aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts, dass alle Seeschwalbenarten sich ausschließlich vom Stint ernährt haben. Und dieses merken wir jetzt wieder. Es ist also offensichtlich anhand von diesen Indikationen eine Wiedererholung des Stints vorhanden."

    Biologin Wenger, im Hauptberuf Projektleiterin bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung der Delfine, promoviert derzeit über die Erforschung der Schweinswale. Die galten bisher als äußerst scheu und einzelgängerisch. Doch die jüngsten Beobachtungen haben neue Erkenntnisse gebracht.

    "Jetzt wurde eben schon neugieriges Verhalten beobachtet, eben aktive Annäherung wurde beschrieben. Öfters als einmal. Und auch: Gut, das Springen ist immer noch sehr selten, aber wurde schon auch dokumentiert, wie zwei Schweinswale Bauch an Bauch hochspringen direkt am Boot."

    Noch stehen die Forschungen am Anfang. So ist wenig bekannt über die Gefahren, die etwa von Schadstoffen im Wasser oder vom Boots- und Schiffsverkehr ausgehen. Allein in den vergangenen drei Monaten sind in Hamburg 20 tote Tiere entdeckt worden.

    Jetzt, Mitte Juni, kann Wenger von der Elbfähre aus keine Tiere mehr entdecken.

    "Wir können davon ausgehen, dass die Schweinswale wieder in die Nordsee zurückgekehrt sind. Aber wir hoffen, dass sie im nächsten Jahr wiederkommen."