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Schweißarmes Fahren

Technik. – Die Fahrradindustrie entdeckt zunehmend Otto Normalverbraucher als Lieblingskunden. Auf der "Eurobike" in Friedrichshafen wurden für den Normalradler interessante Neuentwicklungen vorgestellt, die ihm das Dasein mit dem Drahtesel erleichtern.

Von Thomas Wagner | 31.08.2006
    Nur noch die gute, alte Fahrradklingel funktioniert wie zu Großvaters Zeiten. Wirklich ? So manches hat sich damals schon bewährt - und wurde nun entsprechend modernisiert. Beispiel: Die jahrzehntealte Nabenschaltung, die vor über 50 Jahren schon auf den Markt kam und immerhin mit drei Gängen den Radfahrern von damals das Leben leichter machte. Erst mit den Rennrädern kamen die Kettenschaltungen, die ein Vielfaches an Übersetzungen boten. Doch nun erlebt die Nabenschaltung, bei der das Schaltgetriebe in der Radnabe integriert ist, eine Renaissance. Schon vor mehreren Jahren hat der Hersteller Rohloff eine 14-Gang-Nabenschaltung speziell für Mountainbikes auf den Markt gebracht, die allerdings relativ teuer war. Nun gibt es erneut ein Radnabengetriebe mit neun Übersetzungen, auf der Eurobike vorgestellt von dem niederländischen Hersteller SRAM. Sie ist wesentlich günstiger als die 14-Gang-Variante und eignet sich deshalb auch für City-Bikes im Stadtverkehr.

    "Das ist eine sehr kompakte Getriebenabe. Wir haben diese Neun-Gänge in einen relativ kleinen Körper hineingesteckt. Wir können heute mit ganz anderen Fertigungs- und Produktionsmaßnahmen arbeiten, die es uns ermöglichen, die Sachen zu verkleinern und eben auch in kleinem Raum mit Stabilität zu arbeiten ","

    so Hersteller-Sprecher Dirk Belling. Beim ersten Hinsehen schaut das Getriebe aus wie eine Art überdimensioniertes Uhrwerk: Die vielen kleinen Zahnräder, Scheiben und Wellen, die da ineinander greifen, lassen sich kaum zählen. Ausgestattet wurde die Neun-Gang-Nabenschaltung zudem mit einem Servo-Element. Belling:

    ""Das ist ein Servo drin, der das Schalten unterstützt. Da ist nicht mehr diese Schwergängigkeit drin, die man von früher kennt. Ein Servo ist wie eine Automatik: Dadurch, dass sich die Nabe dreht, wird von der Bewegung Energie abgenommen, die dann beim Schalten genutzt wird."

    Die Übersetzungsleistung des Neun-Gang-Radnabengetriebes kommt der einer Kettenschaltung bei klassischen Rennrädern schon sehr nahe. Belling:

    "Bei einer Kettenschaltung hat man 20 Gänge, und wir haben neun. Was wir geschafft haben, ist eben ein gleichmäßiger Sprung zwischen den Gängen. Das ist wie eine unebene Treppe. Die ist auch schwer zu laufen. Wir haben zwischen jedem Gang präzise 14 Prozent Unterschied. Das macht daraus auch eine sehr sportliche Nabe."

    Ausgewiesene Rennrad-Fans wird dies gleichwohl nicht überzeugen. Doch das ist auch nicht die Klientel, für die die Neun-Gang-Nabenschaltung gedacht ist. Die Entwicklungsingenieure dachten vielmehr an diejenigen, die sportliches Schalten mit mehr Fahrkomfort verbinden. Dirk Belling:

    "Der große Vorteil der Nabenschaltung st der geringe Service-Aufwand. gerade für diejenigen, die jeden Tag zur Arbeit fahren, die sehr viel in der Stadt unterwegs sind, die eben nicht viel Zeit verbringen wollen, Service zu betreiben, ist es die beste Art, viele Gänge zu haben - gekapselt, geschützt, gedichtet in einer Nabe, mit nur einer Kette. Weiterer Vorteil: Sie können Kettenkasten montieren, also keine schmutzigen Hosen mehr, alles Sachen, die bei einer Kettenschaltung nicht möglich sind."

    Um mehr Fahrkomfort geht es auch bei den Elektro-Bikes. Dabei unterstützt ein kleiner Elektromotor die Fahrleistung des Radlers. Solche Elektro-Bikes sind schon seit geraumer Zeit auf dem Markt. Dem Fahrradhersteller Giant gelang aber ein neuer Reichweitenrekord.

    "Die Reichweite beträgt 130 Kilometer. Das heisst: Wir brechen damit erstmals den dreistelligen Bereich."

    Diese hohe Reichweite geht , so Oliver Hensche von Giant Deutschland, hauptsächlich auf das Konto verbesserter Akku-Technologien. Die müssen beim Elektro-Bike zwei Kriterien genügen: Einerseits dürfen sie nicht viel wiegen, auf der anderen Seite müssen sie möglichst lange elektrische Leistung abgeben. In diesem Fall wird das E-Bike mit einem Lithium-Ionen-Akku angetrieben, den man von außen gar nicht erkennt. Hensche:

    "Wir haben zwei Akkus verwendet, und zwar links und rechts vom Gepäckträger, und zwar einfach verpackt in ein Gepäcktaschensystem. Das heißt: Man kann von außen nichts erkennen vom Akku, und die Akkus sind, wenn man beide Akkus verwendet, nicht schwerer als in den vergangenen Jahren. Aber wir haben eine zu 100 Prozent erhöhte Reichweite."

    Dies führt der Hersteller auf eine generelle Verbesserung der Akkumulatoren-Technologie zurück. Ebenso bewusst haben die Ingenieure den etwa 500 Watt starken Motor abweichend vom Prinzip bisheriger Elektro-Bikes in die Vorderradnabe eingebaut. Hensche:

    "Wir verwenden nicht mehr den Heckantrieb. Wichtig für uns war, dass wir eine Rücktritt-Bremse haben. Das geht mit einem Motor mit Heckantrieb nicht. Deshalb haben wir einen Nabenantrieb vorne gewählt."

    Der 540-Watt- Motor schaltet sich aber nur dann ein, wenn der Fahrer auch selbst in die Pedale tritt. Bei den Elektro-Bikes haben die Hersteller nicht nur die Senioren im Blick, die damit selbst dann noch größere Touren unternehmen können, wenn sie selbst nicht mehr so gut bei Puste sind. Oliver Hensche:

    "Wir denken auch an den Geschäftsmann oder an die Geschäftsfrau, die eine Woche lang fahren kann, ohne den Akku aufzuladen. Das heißt auch: Für das schweißfreie Fahren. Das heißt: Wenn ich morgens mit dem Rad zu Arbeit fahre und ich vielleicht in den Geschäftsklamotten unterwegs bin, dann möchte ich nicht, dass ich anfange, zu schwitzen. Das heißt: Ich habe hier ein schweißfreies Fahren."