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Schweißen und pauken - alles auf Rumänisch

Das in Deutschland bewährte duale Ausbildungsmodell macht auch in Rumänien Schule: Nach einer entsprechenden Gesetzesänderung starteten dort erste Pilotprojekte, die Studium und berufliche Ausbildung verbinden. Betreiber sind vor allem deutsche Investoren mit Interesse an Facharbeitern für ihre Fabriken. Doch die Übertragung des dualen Modells auf ein Land wie Rumänien ist nicht ohne Tücken.

Von Thomas Wagner | 17.10.2012
    Der erste Tag: 18 junge Frauen und Männer sitzen in einem Seminarraum des Conti-Reifenwerkes Timisoara in Westrumänien. Ein Mitarbeiter erklärt die Produktionsabläufe im Werk. Die jungen Leute hören ihm aufmerksam zu.

    "Elektriker will ich werden. Aber naja - ohne praktische Erfahrung kann man ja später nicht arbeiten. Unser Modell hier funktioniert so: vier Wochen Schule, dann drei Wochen praktische Arbeit im Betrieb. Dann wieder Schule, schließlich sechs Wochen praktische Arbeit im Betrieb."

    Olimpiu Sercel ist, wenn man so will, ein Pionier: Er nimmt als einer der Ersten an einem Projekt teil, das Beispiel gebend sein soll für die Facharbeiterausbildung in ganz Rumänien: Der Phase im Betrieb folgt die Berufsschule, ganz so wie in Deutschland. Dort wird die duale Berufsausbildung seit Jahren als Erfolgsmodell gefeiert. In Rumänien dagegen liegt die Ausbildung junger Handwerker und Facharbeiter seit Jahren brach.

    "In Rumänien haben wir leider nur Hochschulabgänger oder Unqualifizierte. Der Mittelbau fehlt", "

    so Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs in Timisoara. Dort haben sich zahlreiche österreichische, schweizerische und vor allem deutsche Investoren zusammen geschlossen, die alle ein gemeinsames Problem drückt: der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften.

    " "In den letzten Jahren haben sich die Firmen damit beholfen, dass sie Unqualifizierte in internen Kursen angelernt haben - Lernen am Arbeitsplatz. Aber das reicht immer weniger. Also Rumänien, insbesondere der Westen, hier im Banat, ist kein Billiglohnland mehr, es geht nicht mehr um Textilien oder einfache Produktion. Aber: Hier wird entwickelt, und hier wird hochwertig entwickelt. Aber dazu braucht man auch ausgebildete, qualifizierte Arbeitskräfte."

    Die aber fehlen bislang: Sei es der Maschinenschlosser, der Kfz-Mechaniker oder der Elektriker - die meisten, die in solchen Jobs arbeiten, haben sich ihre Kenntnisse im Do-it-yourself-Verfahren angeeignet. Bis vor drei Jahren gab es noch die sogenannten Berufsschulen, auf denen junge Interessenten solche Berufe lernen konnten. Hinter diesen Schulen standen zumeist große staatliche Unternehmen - ein Relikt aus der Zeit des Kommunismus. Die Facharbeiterausbildung an diesen Schulen wurde aber vor drei Jahren eingestellt. Deshalb nun also der Start der dualen Berufsausbildung in zwei Pilotprojekten, im westrumänischen Temeswar und im zentralrumänischen Brasov. In Temeswar arbeiten die drei Conti-Werke, die als Erstes duale Ausbildungsplätze anbieten, ganz gezielt mit einer staatlichen Schule zusammen. Das ist für Christian von Albrichtsfeld, Geschäftsführer von Conti-Automotive, ein ganz wichtiger Punkt:

    "Wir erleben hier in Rumänien einen sehr offenen Arbeitsmarkt. Das heißt: Gut ausgebildete Leute, die man anlernt, die werden gerne abgeworben von anderen Firmen. Wir können deshalb dieses System nur dann zum Erfolg bringen, wenn wir es auf eine breitere Basis stellen. Und das war unser Ziel in Temeswar: Wir brauchen jetzt Berufsschulen, die mit uns kooperieren, die dann aber ihre Lerninhalte auch anderen zur Verfügung stellen können."

    Die erste staatliche Schule, die sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt hat, ist das Colegiul Technic Regele Ferdinand, zu Deutsch: das technische Kolleg König Ferdinand , eine Art berufliches Gymnasium.

    In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium und mit den beteiligten Unternehmen hat Direktorin Patricia Elida Pisano die Lehrpläne entwickelt. Neben den fachspezifischen Inhalten geht es ihr, ganz nach dem deutschen Vorbild, um eines: um die Vermittlung von Allgemeinbildung.

    "Sie lernen rumänische Sprache, sie lernen Fremdsprachen, Mathematik, Physik, Geschichte, allerdings nicht ganz so intensiv wie die Schüler in den Gymnasialkursen."

    Das wiederum ist auch aus Sicht der deutschen Investoren wichtig, die die dualen Ausbildungsprojekte auf den Weg gebracht haben. Peter Hochmuth vom Deutschsprachigen Wirtschaftsclub in Timisoara:

    "Das sehen wir für sehr wichtig an, dass die Allgemeinbildung dabei nicht zu kurz kommt. Ein junger qualifizierter Arbeiter soll ja die Möglichkeit haben, sich weiter zu bilden, in Richtung Meister oder Techniker. Er braucht eine Allgemeinbildung. Und das ist im Anlernen zu kurz kommen. Für hier wollen wir jetzt auch Deutschkurse anbieten, sodass der Schweißer und der Mechatroniker Basiskenntnisse in Deutsch hat, damit er sich mit dem Kollegen aus Deutschland oder Österreich unterhalten kann."

    Klingt alles gut - und wird doch teilweise in Rumänien sehr kritisch beäugt. Duale Ausbildung setzen manche Kommentatoren gleich mit "dualer Ausbeutung".

    "Ich habe in der lokalen Presse gelesen: Die Deutschen wollen unsere Kinder besser ausbilden, damit sie sie besser ausnutzen können. Also so etwas steht hier in den Zeitungen. Mir solchen Vorurteilen müssen wir kämpfen."

    Und schließlich gibt es auch aus dem Bildungssektor selbst Gegenwind. Peter Hochmuth:

    "Eines sind diese sogenannten Privat-Universitäten, die in Rumänien immer noch gegen gutes Geld praktisch Diplome verkaufen. Das muss ein ganz gutes Geschäft sein."

    Diese Privat-Unis fürchten nun um ihre Pfründe, wenn junge Leute verstärkt eine duale Ausbildung beginnen, statt sich zu immatrikulieren.

    "Auf der anderen Seite sind es die Schulen, die nach Schüler bezahlt werden. Wenn wir uns jetzt aber eine Schule aussuchen, die Mechatroniker und junge Schweißer ausbilden, dann wollen wir auch junge Leute aus anderen Schulen an diese Schule bringen. Dann haben wir automatisch einen Konflikt mit der anderen Schule, weil die dann eine Handvoll Schüler weniger haben und entsprechend weniger Budget zugeteilt bekommen."

    Auch deshalb hoffen die Initiatoren des dualen Pilotprojektes, dass es ihnen in naher Zukunft möglichst viele Unternehmen gleich machen, auch solche ausschließlich mit rumänischem Kapital. Die Chancen dafür stehen nach Ansicht von Patricia Elida Pisano vom Colegiul Technik Regele Ferdinand nicht schlecht:

    "Ich komme gerade von einem großen Betrieb zurück; da hatte ich eine Besprechung. Und die Werkleitung hat sich für unser Modell sehr interessiert. Sie brauchen ja auch gut ausgebildete Leute in Zukunft. Das duale Modell hat große Chancen bei uns im Land. Denn: Es gibt einen großen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften!"