Die Liebe der namenlosen Ich-Erzählerin ist obzessiv. So maßlos ihre Liebe zu Ivan, so exzessiv sind die Attacken körperlicher Gewalt. Die Situation verschärft sich, als drei von der Mutter ungewollte Kinder geboren werden. Mehr Konkretes lässt sich kaum herauslesen. Wortfelder verdichten sich zu situativen Fragmenten und Bedeutungsinseln: Es gibt Andeutungen einer Bahnfahrt, ein Wohnhaus mit Treppe und Garten, Krankenhaus- und Geburtsszenen, Weihnachtsvorbereitungen, Hinweise auf eine Kriminaluntersuchung. Der Rest findet in den Fantasien der Leser und den Eingeweiden der Sprache statt. Der experimentelle Text ist eine dicht gewebte Textur aus hingebungsvollen Liebesbezeugungen und Hasstiraden, Gewaltexzessen und Angst-Attacken; durchbrochen von surrealen Splittern und zärtlichen poetischen Momenten. Sie hören die Autorin selbst:
Am Tag danach befindet sich das Herz an ungewohnter Stelle.
"Soeben hat sie sich für die Hochzeitszeremonie herausgeputzt."
Die Sonne steht schon hoch an diesem warmen Vormittag zwei Kreidekreise male ich an die Wand hier.
Ganz vorsichtig hat er meinen Arm gehalten.
Wo warst du?
Ist es vorbei oder beginnt es?
"Zeit nach Hause zu gehen."
"Komm mit den Garten anschauen."
Ivan schenkt mir einen Quadratmeter seines Gartens hat ein großes Loch gegraben darin Schlamm es gehört jetzt mir ganz allein ist mein Zuhause.
Ich kann dann vier Tage nicht schlafen bin glücklich sehr glücklich.
All das Sehnen ein Ende unter besonderem Schutz stehen am Sonntag spreche ich das erste Mal seinen vollen Namen aus.
Ivan.
Ivan lass mich heil mitunter.
"Das ist Absicht."
Wir sterben für einander.
In dem Maße, in dem die Autorin das eigene Ich zum Austragungsort literarischer Entwürfe macht, wird die Sprache körperlich. Der hier im Wortsinn verstandene Text-Körper wird zum direkten Objekt der Gewalt. Michaela Falkner führt in ihren "Kaltschweißattacken" eine Operation am offenen Sprachherzen vor. In ihrer literarischen Performance fügt sie dem fleischgewordenen Wort schwelende Satzwunden und nicht heilende Wortnarben zu. Die Autorin bricht der Sprachlogik das Genick. Ihr Verfahren? Fragmentieren, wiederholen, variieren. Die konventionelle Sprachstruktur wird zerstört. Auseinandergebrochene Satzfragmente verschmelzen neu miteinander. Damit öffnen sich die syntaktischen Elemente zum Vorangehenden und Folgenden. In assoziativen Reihungen werden Innensicht und Außensicht, Konkretes und Abstraktes, Beschreibendes, Ausrufe, Wünsche und Gedanken unverbunden aneinandergefügt. Bedeutungsmöglichkeiten potenzieren sich. Die Sprache führt ihr poetisches Eigenleben.
Nachts lege ich mir schwere Steine in den Mund gewappnet für den Nächsten der dort ist keiner er heißt nur so geschwärzte Stellen es ist Zeit sich zu ergeben. Auf der Erde schlafen und aus Pfützen trinken dann muss der Chor lauthals singen dass die Kampfhandlungen abgebrochen werden und das Blutvergießen aufhöre.
Wenige Schritte nur entfernt.
Ich kann dich sehen.
"Es kann uns nichts passieren."
"Dreh dich um und ich sag es dir!"
Ich werde an deiner Seite sein Landschaften interessieren nicht eine Bleibe suchen den richtigen Ton die Zusicherung.
Laufen wir weg!
Erzähl mir was!
Mehr mehr mehr!
Und wenn schon morgen die Welt unterginge?
"Dreh dich um und ich sag es dir."
Ebenso typisch für den Text: polare Denkmuster und das Arbeiten mit Schlagworten, Superlativen, Hyperbeln, mit Appellen und Imperativen. Präsenz und Indikativ herrschen vor, knappe Subjekt-Prädikat-Konstruktionen, die wie Befehle klingen. Die Sätze kennen kaum Vergangenheit, nur selten Zukunft. Ein Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. Besonders irritierend daran: die scheinbar unvereinbare Mischung aus Poesie und Radikalität. Extrem kurze Sätze wie Ein-Wort-Ausrufe wechseln mit mehreren Zeilen langen Satzkombinationen ohne Kommata. Die enorm hohe Dynamik des Textes durch den stark wechselnden Rhythmus verdichtet sich mehr und mehr zur rauschhaften Komposition. Michaela Falkners Sprech-Text drängt gerade zum Vortrag, zur Performance. Im für sie typischen gebieterisch-sanften Gestus zwischen Verkündigung und Gebet. Die Autorin selbst dazu:
"Warum ich die Texte dann auch in dieser großen Sanftheit lese, also, ich will auch, hat auch Gründe darin, von der Haltung dieser Hauptfiguren, die da sprechen, die sind eigentlich nicht wütend. Ja, die sind eigentlich, die sind zwar unerbittlich, sie sind entschlossen, kompromisslos, unverstellt, unzensiert, aber eigentlich innerlich, ganz bestimmt sogar federleicht."
Sanftheit: ein klassisch weibliches Attribut. Die Unerbittlichkeit aber, das Kompromisslose bleibt typischerweise Männern vorbehalten: Ivan also. Doch hier ist auch die namenlose Ich-Erzählerin von gewalttätiger Entschlossenheit, wenn auch für die Unbedingtheit ihrer Liebe – ein extrem ungewöhnlicher Gestus für eine Frau und Stoff für eine griechische Tragödie.
"Ich seh ja eigentlich viel mehr, vor allem in diesem Buch, den Medea-Topos, eigentlich, der war viel mehr Inspiration für mich, diese Frau, die da von irgendwoher kommt und diese Außenseiterrolle aufgrund ihrer Sehnsüchte, ja es ist jetzt nicht unbedingt eine geographische Außenseiterrolle, ja, also das war für mich eine große Inspiration, Medea."
Ihr Antrieb ist der Aufbau einer Ordnung nach eigenen Sehnsüchten – ohne Einschränkung durch gesellschaftliche Grenzen. Medea ist eine Sehnsuchtsfigur jenseits jeder Moralität; eine manische Utopistin, getrieben von Gewalt, Liebe und Sehnsucht.
"Die Utopie ist eigentlich die vollkommen ein unzensierter und unverstellter Mensch sein zu dürfen, ja, sich jenseits von Moralität behaupten zu können. ( ... ) Sie setzt sie ein für das, was sie sich wünscht, für das, was sie proklamieren will, für ihre Gesellschaftskritik, also halt dann teilweise gegen Teile der Gesellschaft oder eben manchmal richtet sich ein Manifest auch direkt an jemanden, aber es ist eigentlich ein Empowerment, ja, eine Selbstbehauptung auch, eine Selbstermächtigung, die da mit vollzogen wird in einer, wie ich noch einmal betonen möchte, in einer großen Selbstverständlichkeit."
Utopie als Vorstellung von etwas, das fehlt – ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einer Realisierung. Das Utopische greift per definitionem über die Wirklichkeit hinaus. Daher steckt in wirklichen Utopien eine ungeheure produktive, aber auch gewalttätige Kraft. Diesen Aspekt versucht Michaela Falkner in Sprache und Bilder zu übersetzen. Sie setzt dabei gezielt auf den "sensualen Aspekt" von Gewalt, auf den "apokalyptischen Kern" des gewalttätigen Textes.
"Für mich hat das so etwas Euphorisches, setzt so viel an Energie frei, dass das für mich eigentlich vollkommen positiv besetzt ist und mich dieser sensuale Aspekt der Gewalt so sehr interessiert. ( ... ) Und es ist eben nicht nur destruktiv, weil ich nicht nur zerstöre, oder nicht nur zur Zerstörung animiere, sondern auch zum Kreieren nach den ganz eigenen Vorstellungen. ( ... ) Also, jedwede Opferrolle aufzugeben, dass man sich mit Verhältnissen abzufinden hätte, nein, man ist selber Kreateur."
Es sind Strategien der Provokation, Intervention und Überwältigung, mit denen Michaela Falkner in ihren Texten arbeitet. Mit diesen Taktiken der Konfrontationen will sie eine Auseinandersetzung erzwingen. Dazu überschreitet sie ganz bewusst Grenzen. Bei diesen Grenzüberschreitungen geht es ihr darum, inhaltliche Schutzsituationen zu verlassen und sich immer wieder neu zu verorten. Denn Grenzerfahrungen, weiß die Autorin, künden von großer Energie.
"Grenzerfahrungen sind einfach traumhaft. Im Überschreiten einer Grenze verschieben sich und erweitern sich einfach die Möglichkeiten, nach nächsten Grenzen zu suchen und irgendwie hab ich da eine ganz große Sehnsucht und Bedürfnis danach und ich brauche das auch sehr stark. Ich verbrenne auch so wahnsinnig viel, hab ich das Gefühl, an Material. Es gibt einen großen Drang nach mehr, mehr, mehr."
Der Text kennt keine Grenzen und nimmt keine Rücksicht – nicht auf den Leser, nicht auf die Autorin selbst. Falkner bleibt in "Kaltschweißattacken" nicht im Sprachspiel stehen, sondern schreibt sich mit ihrem Text direkt in die Lebenswirklichkeit des Lesers hinein. Der radikal zärtliche Text trifft den Leser schutzlos.
Ich will berühren und erschüttern, ja, berühren, erschüttern, ( ... ) Genau, und dass ich keine Erleichterung bieten will, das ist eben ganz, ganz wesentlich.
Michaela Falkner ist eine militante Romantikerin. Sie will etwas bewegen mit ihrer Kunst – egal, ob mit ihren Büchern, ihren Manifesten und Verkündungen oder mit ihren Performances. Dazu ist sie bereit, sich selbst einzusetzen und rückhaltlos auszusetzen. In einer Extrem-Performance im Wiener Museum für angewandte Kunst stellt sie sich dafür fünf Tage lang buchstäblich "an die Wand":
"im Garten, da gibt es ein Terrassenplateau, also eigentlich eine Skulptur, eine riesige Betontreppe, die quasi in den Himmel ragt und die hab ich mir für meinen utopischen Ort quasi erkört. Ja, und ich werde diese Rampe 120 Stunden lang bespielen via Text, das heißt ich zieh da Achsen und Spuren mit meinen Texten einerseits und bin aber auch konfrontiert mit dem Material; also die Spuren zieh nicht nur ich, sondern auch das Bauwerk, die Skulptur zieht Spuren an mir auch an meinem Körper, also über hundertzwanzig Stunden ja, zeichnet sich ja einiges ab, auch an einem selber."
Michaela Falkner will berühren und erschüttern. Die Reaktionen des Publikums lassen darauf schließen, dass ihr das gelingt. Mit ihren Performances, mit ihren Manifesten und mit Büchern wie "Kaltschweißattacken". Denn eins haben sie alle gemeinsam: Sie sind fanatisch sehnsüchtig, provokativ poetisch und schonungslos suggestiv.
Michaela Falkner: Kaltschweißattacken. Residenzverlag 2009. 144 Seiten, 17,90 EUR
Am Tag danach befindet sich das Herz an ungewohnter Stelle.
"Soeben hat sie sich für die Hochzeitszeremonie herausgeputzt."
Die Sonne steht schon hoch an diesem warmen Vormittag zwei Kreidekreise male ich an die Wand hier.
Ganz vorsichtig hat er meinen Arm gehalten.
Wo warst du?
Ist es vorbei oder beginnt es?
"Zeit nach Hause zu gehen."
"Komm mit den Garten anschauen."
Ivan schenkt mir einen Quadratmeter seines Gartens hat ein großes Loch gegraben darin Schlamm es gehört jetzt mir ganz allein ist mein Zuhause.
Ich kann dann vier Tage nicht schlafen bin glücklich sehr glücklich.
All das Sehnen ein Ende unter besonderem Schutz stehen am Sonntag spreche ich das erste Mal seinen vollen Namen aus.
Ivan.
Ivan lass mich heil mitunter.
"Das ist Absicht."
Wir sterben für einander.
In dem Maße, in dem die Autorin das eigene Ich zum Austragungsort literarischer Entwürfe macht, wird die Sprache körperlich. Der hier im Wortsinn verstandene Text-Körper wird zum direkten Objekt der Gewalt. Michaela Falkner führt in ihren "Kaltschweißattacken" eine Operation am offenen Sprachherzen vor. In ihrer literarischen Performance fügt sie dem fleischgewordenen Wort schwelende Satzwunden und nicht heilende Wortnarben zu. Die Autorin bricht der Sprachlogik das Genick. Ihr Verfahren? Fragmentieren, wiederholen, variieren. Die konventionelle Sprachstruktur wird zerstört. Auseinandergebrochene Satzfragmente verschmelzen neu miteinander. Damit öffnen sich die syntaktischen Elemente zum Vorangehenden und Folgenden. In assoziativen Reihungen werden Innensicht und Außensicht, Konkretes und Abstraktes, Beschreibendes, Ausrufe, Wünsche und Gedanken unverbunden aneinandergefügt. Bedeutungsmöglichkeiten potenzieren sich. Die Sprache führt ihr poetisches Eigenleben.
Nachts lege ich mir schwere Steine in den Mund gewappnet für den Nächsten der dort ist keiner er heißt nur so geschwärzte Stellen es ist Zeit sich zu ergeben. Auf der Erde schlafen und aus Pfützen trinken dann muss der Chor lauthals singen dass die Kampfhandlungen abgebrochen werden und das Blutvergießen aufhöre.
Wenige Schritte nur entfernt.
Ich kann dich sehen.
"Es kann uns nichts passieren."
"Dreh dich um und ich sag es dir!"
Ich werde an deiner Seite sein Landschaften interessieren nicht eine Bleibe suchen den richtigen Ton die Zusicherung.
Laufen wir weg!
Erzähl mir was!
Mehr mehr mehr!
Und wenn schon morgen die Welt unterginge?
"Dreh dich um und ich sag es dir."
Ebenso typisch für den Text: polare Denkmuster und das Arbeiten mit Schlagworten, Superlativen, Hyperbeln, mit Appellen und Imperativen. Präsenz und Indikativ herrschen vor, knappe Subjekt-Prädikat-Konstruktionen, die wie Befehle klingen. Die Sätze kennen kaum Vergangenheit, nur selten Zukunft. Ein Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. Besonders irritierend daran: die scheinbar unvereinbare Mischung aus Poesie und Radikalität. Extrem kurze Sätze wie Ein-Wort-Ausrufe wechseln mit mehreren Zeilen langen Satzkombinationen ohne Kommata. Die enorm hohe Dynamik des Textes durch den stark wechselnden Rhythmus verdichtet sich mehr und mehr zur rauschhaften Komposition. Michaela Falkners Sprech-Text drängt gerade zum Vortrag, zur Performance. Im für sie typischen gebieterisch-sanften Gestus zwischen Verkündigung und Gebet. Die Autorin selbst dazu:
"Warum ich die Texte dann auch in dieser großen Sanftheit lese, also, ich will auch, hat auch Gründe darin, von der Haltung dieser Hauptfiguren, die da sprechen, die sind eigentlich nicht wütend. Ja, die sind eigentlich, die sind zwar unerbittlich, sie sind entschlossen, kompromisslos, unverstellt, unzensiert, aber eigentlich innerlich, ganz bestimmt sogar federleicht."
Sanftheit: ein klassisch weibliches Attribut. Die Unerbittlichkeit aber, das Kompromisslose bleibt typischerweise Männern vorbehalten: Ivan also. Doch hier ist auch die namenlose Ich-Erzählerin von gewalttätiger Entschlossenheit, wenn auch für die Unbedingtheit ihrer Liebe – ein extrem ungewöhnlicher Gestus für eine Frau und Stoff für eine griechische Tragödie.
"Ich seh ja eigentlich viel mehr, vor allem in diesem Buch, den Medea-Topos, eigentlich, der war viel mehr Inspiration für mich, diese Frau, die da von irgendwoher kommt und diese Außenseiterrolle aufgrund ihrer Sehnsüchte, ja es ist jetzt nicht unbedingt eine geographische Außenseiterrolle, ja, also das war für mich eine große Inspiration, Medea."
Ihr Antrieb ist der Aufbau einer Ordnung nach eigenen Sehnsüchten – ohne Einschränkung durch gesellschaftliche Grenzen. Medea ist eine Sehnsuchtsfigur jenseits jeder Moralität; eine manische Utopistin, getrieben von Gewalt, Liebe und Sehnsucht.
"Die Utopie ist eigentlich die vollkommen ein unzensierter und unverstellter Mensch sein zu dürfen, ja, sich jenseits von Moralität behaupten zu können. ( ... ) Sie setzt sie ein für das, was sie sich wünscht, für das, was sie proklamieren will, für ihre Gesellschaftskritik, also halt dann teilweise gegen Teile der Gesellschaft oder eben manchmal richtet sich ein Manifest auch direkt an jemanden, aber es ist eigentlich ein Empowerment, ja, eine Selbstbehauptung auch, eine Selbstermächtigung, die da mit vollzogen wird in einer, wie ich noch einmal betonen möchte, in einer großen Selbstverständlichkeit."
Utopie als Vorstellung von etwas, das fehlt – ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einer Realisierung. Das Utopische greift per definitionem über die Wirklichkeit hinaus. Daher steckt in wirklichen Utopien eine ungeheure produktive, aber auch gewalttätige Kraft. Diesen Aspekt versucht Michaela Falkner in Sprache und Bilder zu übersetzen. Sie setzt dabei gezielt auf den "sensualen Aspekt" von Gewalt, auf den "apokalyptischen Kern" des gewalttätigen Textes.
"Für mich hat das so etwas Euphorisches, setzt so viel an Energie frei, dass das für mich eigentlich vollkommen positiv besetzt ist und mich dieser sensuale Aspekt der Gewalt so sehr interessiert. ( ... ) Und es ist eben nicht nur destruktiv, weil ich nicht nur zerstöre, oder nicht nur zur Zerstörung animiere, sondern auch zum Kreieren nach den ganz eigenen Vorstellungen. ( ... ) Also, jedwede Opferrolle aufzugeben, dass man sich mit Verhältnissen abzufinden hätte, nein, man ist selber Kreateur."
Es sind Strategien der Provokation, Intervention und Überwältigung, mit denen Michaela Falkner in ihren Texten arbeitet. Mit diesen Taktiken der Konfrontationen will sie eine Auseinandersetzung erzwingen. Dazu überschreitet sie ganz bewusst Grenzen. Bei diesen Grenzüberschreitungen geht es ihr darum, inhaltliche Schutzsituationen zu verlassen und sich immer wieder neu zu verorten. Denn Grenzerfahrungen, weiß die Autorin, künden von großer Energie.
"Grenzerfahrungen sind einfach traumhaft. Im Überschreiten einer Grenze verschieben sich und erweitern sich einfach die Möglichkeiten, nach nächsten Grenzen zu suchen und irgendwie hab ich da eine ganz große Sehnsucht und Bedürfnis danach und ich brauche das auch sehr stark. Ich verbrenne auch so wahnsinnig viel, hab ich das Gefühl, an Material. Es gibt einen großen Drang nach mehr, mehr, mehr."
Der Text kennt keine Grenzen und nimmt keine Rücksicht – nicht auf den Leser, nicht auf die Autorin selbst. Falkner bleibt in "Kaltschweißattacken" nicht im Sprachspiel stehen, sondern schreibt sich mit ihrem Text direkt in die Lebenswirklichkeit des Lesers hinein. Der radikal zärtliche Text trifft den Leser schutzlos.
Ich will berühren und erschüttern, ja, berühren, erschüttern, ( ... ) Genau, und dass ich keine Erleichterung bieten will, das ist eben ganz, ganz wesentlich.
Michaela Falkner ist eine militante Romantikerin. Sie will etwas bewegen mit ihrer Kunst – egal, ob mit ihren Büchern, ihren Manifesten und Verkündungen oder mit ihren Performances. Dazu ist sie bereit, sich selbst einzusetzen und rückhaltlos auszusetzen. In einer Extrem-Performance im Wiener Museum für angewandte Kunst stellt sie sich dafür fünf Tage lang buchstäblich "an die Wand":
"im Garten, da gibt es ein Terrassenplateau, also eigentlich eine Skulptur, eine riesige Betontreppe, die quasi in den Himmel ragt und die hab ich mir für meinen utopischen Ort quasi erkört. Ja, und ich werde diese Rampe 120 Stunden lang bespielen via Text, das heißt ich zieh da Achsen und Spuren mit meinen Texten einerseits und bin aber auch konfrontiert mit dem Material; also die Spuren zieh nicht nur ich, sondern auch das Bauwerk, die Skulptur zieht Spuren an mir auch an meinem Körper, also über hundertzwanzig Stunden ja, zeichnet sich ja einiges ab, auch an einem selber."
Michaela Falkner will berühren und erschüttern. Die Reaktionen des Publikums lassen darauf schließen, dass ihr das gelingt. Mit ihren Performances, mit ihren Manifesten und mit Büchern wie "Kaltschweißattacken". Denn eins haben sie alle gemeinsam: Sie sind fanatisch sehnsüchtig, provokativ poetisch und schonungslos suggestiv.
Michaela Falkner: Kaltschweißattacken. Residenzverlag 2009. 144 Seiten, 17,90 EUR