Ein Wunsch, der zumindest bislang nicht in Erfüllung ging. 236 Milliarden Tonnenkilometer transportierten die LKW im Jahre 1997. 2003 waren es - nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden - bereits 358 Milliarden Tonnenkilometer. Der Güterverkehr auf der Strasse ist in sechs Jahren um mehr als die Hälfte gewachsen. Nimmt der LKW-Verkehr weiter so stürmisch zu, übertrifft er bereits 2010 die ungünstigsten Prognosen der Bundesregierung für das Jahr 2015. Nach dieser Vorhersage werden Laster 2015 zwischen 374 bis 422 Milliarden Tonnenkilometer fahren.
Auf der Schiene wurden 1997 73 Milliarden Tonnenkilometer gefahren; 2003 waren es immerhin 78,5 Milliarden. Das sind zwar fünf ein halb Milliarden Tonnenkilometer mehr; verglichen mit dem LKW-Verkehr aber ist das so gut wie nichts. Der Marktanteil der Schiene am gesamten Verkehrsmarkt schrumpfte aber von 19,5 auf 14 Prozent.
Das will die Bundesregierung nicht hinnehmen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt:
Den Güterverkehr auf der Schiene wollen wir bis 2015 verdoppeln.
Die Absicht hat die Bundesregierung auch gleich in eine Prognose umgesetzt; sie geht davon aus, dass die Schiene 2015 einen Marktanteil von mehr als 24 Prozent erreichen wird. Eisenbahnexperten sind dagegen skeptisch:
Jede Prognose, die für die Schiene in den vergangenen zwanzig oder dreißig Jahren gemacht wurde, zeichnete sich immer dadurch aus, dass sie einen Schienenbonus hatte, und der Schiene Mengen zugewiesen oder prognostiziert, die dann nie in der Realität umgesetzt worden sind.
Marian Gaidzik von der Berater-Firma HAKON in Hannover. Der gelernte Bauingenieur beschäftigt sich seit den achtziger Jahren mit Konzepten für den Güterverkehr.
Der Eisenbahnexperte ist zu recht skeptisch. Bislang hat noch jede Bundesregierung angekündigt, Schritte gegen den drohenden Verkehrskollaps unternehmen zu wollen, doch die Taten blieben aus. So hat sich am Grundproblem seit Jahren nichts geändert: Bahnunternehmen haben deutlich höhere Betriebskosten als Speditionsunternehmen.
In den Augen von Klaus Kremper, Vorstandsvorsitzender von Railion, ist dies einer der wichtigsten Randbedingungen, die geändert werden müssten. Die Railion ist die ehemalige DB-Cargo, die Gütertochter der Deutschen Bahn; organisatorisch gehört sie heute zur Stinnes-AG.
Weil, um das mal in Zahlen zu bringen, die Railion-Gruppe zahlt im Jahr ungefähr 500 Millionen Euro, das sind rund zwanzig Prozent der Produktionskosten, allein für die Nutzung der Trassen. Wir zahlen für jede Nutzung der Trasse. Immer dann, wenn ein Güterzug fährt, zahlen wir für die Nutzung der Schienen, wenn Sie so wollen; das ist in Ordnung im Grundsatz, aber der LKW macht’s eben nicht. Und wenn sie in einem Markt, der so wie so nur zwei bis drei Prozent Marge hat, wenn dann 20 Prozent Produktionskosten draufgehen für die Nutzung des Weges, und der LKW das nicht hat, dann können Sie sich vorstellen, welches Ungleichgewicht hier besteht.
Ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung von Strasse und Schiene war die Einführung der Maut zu Beginn des Jahres.
Mit dem ersten Januar 2005 muss für jeden LKW auf dem deutschen Autobahnnetz -je nach Achszahl und Gewicht des Lastwagens- zwischen 12 und 17 Cent den Kilometer gezahlt werden.
Bei den Autofahrern keimt angesichts dessen neue Hoffnung. Wird der LKW-Verkehr zu teuer, könnte die Schiene wieder attraktiv werden, die Strassen wieder leerer.
Und auch bei der Bahn hat man ein wachsendes Interesse registriert - allerdings auch nicht mehr.
Wir haben deutlich mehr Anfragen von Verladern, die bislang auf der Strasse sind, dummerweise bleibt's dabei. Es springt noch keiner von diesen Verladern, ist ja auch klar, weil er sagt, bei 12 Cent, das ist noch nicht genug, weil ich muss ja auch Investitionen tätigen, er hat ja seine Verladereinrichtung, die hat er auf die Straße konzipiert, und wenn wir das jetzt auf Schiene umstellen würden, dann muss er einmal Investitionen tätigen auf seinem Werk oder wo auch immer er verladen will, und das macht er erst dann, wenn die Schmerzen ausreichend hoch sind. 23’26 Und sie sind definitiv bei 12 Cent noch nicht hoch genug, wir merken es wie gesagt an den vielen Anfragen, aber auch daran, das keiner springt.
Der Bahnmanager plädiert für deutlich höhere Mautgebühren.
Ich vermute, dass wir Verlagerungseffekte haben werden bei 20, 25 Cent, das ist schwer prognostizierbar, aber wir vermuten das aus den Gesprächen die wir haben mit den Verladern, und dann kommen dann auch wirklich Effekte dann zum Tragen zum Gunsten der Schiene. Also in so fern ist der erste Schritt gemacht, und wir werden sehen, was in den nächsten Jahren folgt.
Doch selbst wenn die Bundesregierung die Mautgebühren auf diesen oder einen noch höheren Satz anhebt, ist noch lange nicht sicher, dass tatsächlich so viel Güter mit der Bahn befördert werden, wie es die optimistische Zielsetzung der Bundesregierung vorgibt.
Mit ihrer Technik hat die Bahn ein prinzipielles Problem, im Güterverkehr mitzumischen.
Die Bahnen befördern Fracht in langen, fest zusammengekuppelten Zügen. Das eignet sich am besten für Güter, die in großer Menge immer die gleiche Strecke reisen, wie zum Beispiel Kohle, Erz, Stahl, Öl, Holz, Dünger oder Salz. Bis heute ist die Bahn ungeschlagen, wenn es darum geht, diese Massengüter zu fahren. Das Problem ist nur: Diese Fracht wächst so gut wie nicht mehr. Der Anteil an den insgesamt gefahrenen Gütern schrumpft.
Was wir Güterstruktureffekt nennen.
Klaus Backhaus, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Münster. Er untersucht seit 12 Jahren den Güterverkehr auf der Schiene.
Güterstruktureffekte beschreiben die Entwicklung, dass es immer stärker weggeht von sogenannten Massenguttransporten hin zu dem, was die Verkehrswissenschaftler Kaufmannsgüter nennen, also kleinteilige Sendungen, die auch sehr stark in der Fläche streuen,... so dass die Schiene, die ja auf das Schienennetz angewiesen ist, diesen stärker streuenden Verkehr nicht mehr so bedienen kann, wie sie das ursprünglich mit den Massengütern einmal tun konnte.
Die Folge ist: Die Schiene verliert trotz gleich bleibender Mengen Marktanteile. Obwohl Bahnunternehmen zwei verschiedene Techniken entwickelt haben, um diese Kaufmannsgüter zu fahren.
Zum einen bieten Bahnunternehmen den so genannten Einzelwagenverkehr an. Dabei holt eine Lok den oder die Güterwagen direkt beim Kunden ab. Die Wagen werden in kurzen Güterzügen zu einem Knotenbahnhof gefahren. Dort stellen Rangierer die Züge zu Übergabezügen um. Diese fahren zu größeren Rangierbahnhöfen, wo sie wieder neu gruppiert werden, zu Ferngüterzügen. Die fahren die lange Strecke. In der Nähe des Bestimmungsortes werden die Wagen noch einmal umrangiert, damit sie in kleinen Zügen zu den Empfängern gefahren werden können.
Das ist aufwändig, dauert lange und ist teuer: Rangieren ist immer noch weitgehend Handarbeit; auf Anlagen, die zum Teil 80 Jahre alt sind. Kein Wunder, dass diese Güterzüge kein sehr eindrucksvolles Reisetempo erreichen.
Alle Versuche, den Einzelwagenverkehr durch neue Techniken wie automatische Kupplungen wirtschaftlicher zu gestalten, sind von den Unternehmen wieder aufgegeben worden. Bis sich die Ausgaben rentiert hätten, wäre zu viel Zeit ins Land gegangen.
Außerdem ist eine Voraussetzung für diesen Verkehr der Gleisanschluss - und den haben immer weniger Unternehmen.
Die früher Flächen erschließende Bahn mit ich sag mal, einem Güterbahnhof in fast jedem Dorf, die ist einfach passe. Die war wirtschaftlich sinnvoll, solange der Güterverkehr auf der Strasse mit Pferdefuhrwerken stattfand. Der Entwicklung des LKWs hat dieser Anspruch der Bahn, spätestens seit Beginn der sechziger Jahre in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.
Marian Gaidzik von der Beraterfirma Hakon.
Und dieser Abbau von Nebenstrecken und Gleisanschlüssen scheint weiterzugehen - trotz eines gerade beschlossenen Gleisanschluss-Förderprogramms der Bundesregierung. Inzwischen prüfen Stinnes und die Konzernmutter, die DB-AG, offenbar, ob sie sich den Einzelwagenverkehr überhaupt noch leisten sollen.
So zitierte der Berliner Tagesspiegel den Europa- und Wettbewerbsbeauftragten der Deutschen Bahn, Joachim Fried: "Ich glaube, dass sich vieles nicht mehr wirtschaftlich fahren lassen wird" und schließt daraus, dass Fried "für den Güterverkehr auf der Schiene innerhalb Deutschlands ...skeptisch" sei.
Und einem Bericht des Manager-Magazins zufolge habe der Vorsitzende des Vorstandes der Stinnes AG, Bernd Malmström, angeregt, sich von dem Einzelwagenverkehr ganz zu trennen.
Das ging offenbar zu weit - die Bahn verlängerte den Vertrag von Bernd Malmström nicht. Über die Zukunft einzelner Rangierbahnhöfe ist noch nicht entschieden, nach Auskunft der Railion steht der Einzelwagenverkehr dagegen nicht zur Disposition. Wie der Güterverkehr des Unternehmens wieder rentabel werden soll, will die Railion im Frühjahr erklären.
Würde die Bahn tatsächlich darauf verzichten, Wagen beim Kunden abzuholen, müsste der Kunde die Fracht in Zukunft zur Bahn bringen - wie bei der Post.
Das Angebot gibt es bereits. Es hört auf den Namen "Kombinierter Ladungsverkehr".
Dabei kommt die Fracht per LKW zur Bahn, wird dort auf den Zug verladen - oder der ganze LKW fährt selbst auf den Zug. Die Bahn fährt dann ohne zu rangieren direkt in die Nähe des Zielortes. Dort angekommen, rollt entweder der LKW vom Zug wieder herunter und zum Kunden - oder die Fracht wird wieder vom Zug auf den LKW geladen.
Das spart natürlich Zeit und Geld. Aber auch dieses Angebot lohnt sich nicht immer:
Die Problematik liegt darin, dass sie eine Mindestlänge brauchen, eine Mindesttransportstrecke brauchen, um das Ganze rentabel zu machen.
Erklärt Klaus Backhaus, Wirtschaftswissenschaftler aus Münster. Am Kombinierten Ladungsverkehr wollen viele verdienen. Der Spediteur des ersten LKW, der Betreiber der ersten Verladestelle, die Bahn der Betreiber der zweiten Verladestelle, der zweite Spediteur - das kostet.
Nach seinen Berechnungen bliebe der Bahn auf der Strecke Hamburg Hannover nur ein Anteil von 20 Euro pro Container am Gesamtpreis übrig, wenn sie konkurrenzfähig fahren will. Der Wissenschaftler folgert daraus:
Kombinierter Verkehr allgemein rechnet sich eben unter den gegebenen Technologien, die wir zur Zeit zur Verfügung haben, eben nur auf Strecken - da gibt es unterschiedliche Prognosen, je nach dem, welche Technologien man einsetzt - zwischen, na, sagen wir mal 400 und 600 Kilometern, ab da aufwärts wird’s interessant.
Das sind aber Strecken, die in Deutschland nicht allzu häufig gefahren werden. Die Folge: Die Bahn nimmt am Wachstum des Güterverkehrsmarktes so gut wie nicht teil.
Doch für den gestressten Autofahrer gibt es doch noch eine Hoffnung:
Die Güterbahn braucht für die Zukunft eine neue Domäne. Das kann aber nur, und sollte der Langstreckenverkehr sein.
Immer dann, wenn wir lange Relationen haben, hat die Schiene nach wie vor einen Systemvorteil. Das, was sie in der Fläche, auf kurzen Strecken unterlegen macht, gegenüber der Straße, bei kleinteiligen Verkehren, macht sie vorteilhaft auf der langen Strecke.
- also von Nordeuropa, Skandinavien, Norddeutschland nach Italien, gebündelte Aufkommen im Kombinierten Verkehr über lange Strecken, das gilt es im Prinzip in Europa zu multiplizieren. Da liegen Wachstumsmöglichkeiten, da liegen Marktchancen.
So Marian Gaizdik.
Die Bahn soll also die Lastwagen von der Strasse holen, die weite Strecken quer durch Europa fahren. Und genau auf diese Zukunft bereitet sich die Railion vor.
Das ist in der Tat eines der großen Themen, und wir haben auch das erklärte Ziel als Railion-Gruppe in Europa als deutliche größte Gruppe, im Schienengüterverkehr, dass wir die europäischen Korridore besetzen wollen, es muss nicht zwingend so sein, dass wir sie selbst betreiben, im Sinne von Kapitalverflechtungen, im Sinne von: wir müssen Unternehmen kaufen im Ausland, zwingenderweise, das ist nicht das Thema, sondern das Thema ist: wir haben zwei Ziele, nämlich in Europa zu fahren, zu optimalen Kostenbildern, und zu hoher Qualität. 6
Klaus Kremper, Vorstands-Vorsitzender der Railion in Deutschland. Das Unternehmen hat sich mit den Gütersparten der Holländischen und der Dänischen Staatsbahn vereint. Außerdem hat Railion in Italien ein kleines Unternehmen gekauft. Auch Kooperationen sind angedacht, oder werden bereits realisiert.
Und insofern ist meine Prognose die: wir werden in fünf bis zehn Jahren in Europa dann auch ein, zwei oder vielleicht drei große Systemanbieter in Europa haben; die dominieren die Korridore, und sie werden das tun in Zusammenarbeit mit vielen vielen kleinen Eisenbahnen, durchaus mehr als zweihundert in Deutschland, die eben mit dem Netzanbieter zusammenarbeiten, um ein vernünftiges Produkt zustande zu bringen, ... und ich hab im Moment keine Indizien, dass wir dieses Ziel nicht erreichen.
Damit werden sich auch für mich die Strukturen der Bahnen in Europa gewaltig ändern. Hier sehe ich einen Prozess, der ähnlich wie bei der Post, bei den Paketverkehren, sich in den vergangenen Jahren vollzogen hat, eben aus ehemals staatlichen Postorganisationen haben sich leistungsfähige europäische Transportkonzerne entwickelt, zugekauft wurden die jeweils privaten Postdienste in den anderen Ländern. In den Nachbarstaaten. Diese Entwicklung sehe ich auch irgendwo bei den Bahnen. Sie ist auch zum Teil schon eingetreten, bzw. beginnt, oder hat begonnen.
Eine schöne Vision. Heute steht ihr jedoch die Eisenbahn-Realität entgegen: Eine freie Fahrt für Eisenbahnen in Europa gibt es nicht.
In Europa fahren die Bahnen derzeit unter vier verschiedenen Stromsystemen, mit 16 verschiedenen Sicherungssystemen. Von diesen ist keines mit dem anderen kompatibel; Loks, die über die Grenze fahren, müssen aufwändig aufgerüstet werden. Auf keine Lok passen jedoch alle 16 Systeme. Daher sind für jedes Land, für jede Strecke, unterschiedliche Ausrüstungen nötig. Diese sogenannten Mehrsystemloks sind sehr teuer. Und das gilt auch für das Personal: Weil der Zugfunk immer noch in der jeweiligen Landessprache geführt wird, müssen die Lokführer viele Sprachen beherrschen.
Wir bilden heute die Lokführer in Sprachen aus, ich glaube, sechs oder sieben Sprachen, die wir heute ausbilden, wir investieren sehr viel Geld in mehrsystemfähige Lokomotiven, die über die Grenze fahren können, und diese Lokomotive müssen wir refinanzieren in Märkten, in denen wir nur zwei bis drei Prozent Marge verdienen.
Außerdem muss jede dieser Loks in jedem Land neu zugelassen werden. Beim LKW reicht eine Zulassung für ganz Europa.
Aber damit ist es noch nicht getan: Jedes Land hat - genau wie bei den Signalen - andere und sich widersprechende Vorschriften dafür, wie zum Beispiel der Tachometer aussehen muss. In einem Land muss es ein digitales Instrument sein, im anderen darf es das auf gar keinen Fall sein.
Und schließlich sind die Gleise in fremden Ländern nicht immer für alle Eisenbahn-Unternehmen offen. Während LKW und Autofahrer auf allen Strassen Europas freie Fahrt haben, müssen Bahnen, die ins Nachbarland wollen, Anträge stellen und sich diese genehmigen lassen - oder die Fracht an die Konkurrenz abgeben. Und während in Deutschland derzeit 200 Unternehmen Güter auf der Schiene fahren dürfen, ist in Frankreich nur die Staatsbahn zugelassen.
Aber selbst wenn die Bahn in Europa freie Fahrt hätte, drohte ihr immer noch Konkurrenz vom LKW.
Und ein Beispiel, im Jahr 2004 sind wir auf der Erlösseite massiv überrascht worden, wir haben also deutliche Preisnachlässe geben müssen, was ist passiert? Die Grenzen nach Osteuropa haben sich geöffnet, es gibt eine massive Arbeitslosigkeit in Osteuropa, die zunehmen wird, und viele Leute sagen sich: Was mache ich in der Situation, und sie kommen auf die Idee und kaufen sich abgeschriebene LKW, meistens aus dem Westen. Und dann fahren sie, es ist relativ einfach, ein Speditionsbetrieb aufzumachen, und Rumänen fahren dann eben mit abgeschriebenen LKW bis nach Portugal, sie brauchen nicht andere Sprachen zu lernen, sie müssen nicht andere Führerscheine haben, sie fahren einfach durch.
Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Railion jetzt auf ein Projekt setzt, das angesichts dieser Situation zwar sehr überzeugend - aber noch sehr utopisch klingt.
Die Railion nimmt den Landverkehr nach China ins Visier.
Das ist ein sehr konkretes Thema wir werden in den nächsten Monaten werden wir eine gemeinsame Firma gründen eine Deutsch-Russische, mit Sitz in Russland, also Moskau, ganz konkret, die das Ziel hat, den Marktanteil auf dem Korridor zwei, also von Berlin nach Moskau, zu verdoppeln.
Die Fracht käme aus dem fernen China über die Transsibirische Eisenbahn bis nach Moskau. Dort ginge sie auf die Strecke nach Berlin; bis nach Weißrussland führe sie auf der Russischen Breitspur; danach auf der etwas schmaleren Normalspur quer durch Polen bis nach Berlin.
Und nachdem was ich im Moment sehe in der Projektarbeit, wird das auch erreicht werden, es ist eine klassische Eisenbahnstrecke, allein die Entfernung ist typisch für die Eisenbahn, in so fern ist es schade, dass wir da bis lang eher, eher, eher mager vertreten sind; das hat viele Gründe, auch Stromsysteme, Zugsicherungssysteme verschiedene in den Ländern, und es sind auch die Grenzprozesse in Weißrussland, nicht vergleichbar mit denen in Deutschland, in so fern ist da eine ganze Menge zu tun, und wir arbeiten in allen Dimensionen im Moment, bis hin zu der Frage, ob wir nicht auch Mehrsystemlokomotiven beschaffen müssten, die sich dann aber natürlich dann mit den Erlösen refinanzieren müssen auf der Strecke,
So Klaus Kremper. Eine Konkurrenz mit dem LKW wäre auf dieser Distanz - viele tausend Kilometer, einmal quer durch Asien - nicht zu befürchten, nicht einmal mit den Arbeitslöhnen rumänischer LKW-Fahrer.
Das mag utopisch klingen, aber die Railion und die Russische Staatsbahn haben bereits Konkurrenz bei ihrem Projekt. Die Staatsbahn Kasachstans hat damit begonnen, eine völlig neue Eisenbahn-Strecke zwischen China und dem Iran zu bauen. Das besondere daran: Die Gleise haben dieselbe Breite wie die in China - und die in Europa. Während Fracht, die von China nach Europa über die Transsibirische Eisenbahn gefahren werden soll, derzeit an der Chinesisch-Russischen Grenze umgeladen werden muss, könnten Güterwagen auf der Kasachischen Linie bis nach Europa durchrollen.
Noch ist es aber nicht so weit, und die Railion sieht solchen Projekten gelassen entgegen.
Und in dem Zusammenhang ist natürlich sehr wohl ein Thema, ob man nicht auch die Schenker-Expertise nutzen kann, Schenker ist der drittgrößte Seefracht-Spediteur weltweit, auch von Asien nach Europa, und es stellt sich ganz unmittelbar die Frage, wenn Schenker zum Konzern der Deutschen Bahn gehört, ob man nicht auch darüber nachdenkt, eben einen Teil der Container nicht über den Seeweg zu transportieren, sondern über die Transsibirische Eisenbahn zum Beispiel, und dann die Mengen übernimmt in Moskau, in die Feinverteilung dann per Eisenbahn nach Westeuropa.
Und am Rande erwähnt sei nur, dass der Weg über die Schiene natürlich deutlich kürzer ist als der Seeweg, also in so fern, wir haben ja auch etwas anzubieten, es ist ja nicht so, als wäre die Bahn unspannend für solch eine Strecke; ganz im Gegenteil, und die Hausaufgaben, die wir noch zu tun haben, an denen sind wir dran, und die werden wir auch in den nächsten Monaten erledigen.
Ein Vision, nicht für heute oder morgen, sondern für eine mittelfristige Zukunft. Die spannende Frage wird dann allerdings sein, wie es von Berlin aus weiter geht. Übernimmt die Schiene die Verteilung? Oder geht die Fracht im Nahverkehr auf den LKW über?
Nein, der Nahverkehr spielt natürlich auch - sie müssen für die großen Korridore brauchen sie irgendjemanden, der die Korridore füttert. Und beim Füttern der Korridore wiederum, also bei der Bedienung der Nahbereiche gibt’s mehrere Alternativen. Die eine Alternative ist die, dass wirs selbst machen ... eine zweite Variante ist, dass wir Partner mit reinnehmen...
Und die dritte Variante, die ich auch nicht ausschließe, ist die, dass man letztlich auch den Vorlauf macht mit dem LKW, für Verkehre, die heute grundsätzlich auf dem LKW sind, stelle ich mir vor, dass man in Nahbereich LKW akzeptiert, dann aber umlädt, und dann eben den Rest der Transportkette mit der Eisenbahn bewältigt.
In den USA rechnet sich der Transkontinentale Verkehr durchaus für die Bahnen. Ob er allerdings tatsächlich LKW-Verkehr in Deutschland von der Strasse auf die Schiene holt, das muss sich zeigen.
Auf der Schiene wurden 1997 73 Milliarden Tonnenkilometer gefahren; 2003 waren es immerhin 78,5 Milliarden. Das sind zwar fünf ein halb Milliarden Tonnenkilometer mehr; verglichen mit dem LKW-Verkehr aber ist das so gut wie nichts. Der Marktanteil der Schiene am gesamten Verkehrsmarkt schrumpfte aber von 19,5 auf 14 Prozent.
Das will die Bundesregierung nicht hinnehmen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt:
Den Güterverkehr auf der Schiene wollen wir bis 2015 verdoppeln.
Die Absicht hat die Bundesregierung auch gleich in eine Prognose umgesetzt; sie geht davon aus, dass die Schiene 2015 einen Marktanteil von mehr als 24 Prozent erreichen wird. Eisenbahnexperten sind dagegen skeptisch:
Jede Prognose, die für die Schiene in den vergangenen zwanzig oder dreißig Jahren gemacht wurde, zeichnete sich immer dadurch aus, dass sie einen Schienenbonus hatte, und der Schiene Mengen zugewiesen oder prognostiziert, die dann nie in der Realität umgesetzt worden sind.
Marian Gaidzik von der Berater-Firma HAKON in Hannover. Der gelernte Bauingenieur beschäftigt sich seit den achtziger Jahren mit Konzepten für den Güterverkehr.
Der Eisenbahnexperte ist zu recht skeptisch. Bislang hat noch jede Bundesregierung angekündigt, Schritte gegen den drohenden Verkehrskollaps unternehmen zu wollen, doch die Taten blieben aus. So hat sich am Grundproblem seit Jahren nichts geändert: Bahnunternehmen haben deutlich höhere Betriebskosten als Speditionsunternehmen.
In den Augen von Klaus Kremper, Vorstandsvorsitzender von Railion, ist dies einer der wichtigsten Randbedingungen, die geändert werden müssten. Die Railion ist die ehemalige DB-Cargo, die Gütertochter der Deutschen Bahn; organisatorisch gehört sie heute zur Stinnes-AG.
Weil, um das mal in Zahlen zu bringen, die Railion-Gruppe zahlt im Jahr ungefähr 500 Millionen Euro, das sind rund zwanzig Prozent der Produktionskosten, allein für die Nutzung der Trassen. Wir zahlen für jede Nutzung der Trasse. Immer dann, wenn ein Güterzug fährt, zahlen wir für die Nutzung der Schienen, wenn Sie so wollen; das ist in Ordnung im Grundsatz, aber der LKW macht’s eben nicht. Und wenn sie in einem Markt, der so wie so nur zwei bis drei Prozent Marge hat, wenn dann 20 Prozent Produktionskosten draufgehen für die Nutzung des Weges, und der LKW das nicht hat, dann können Sie sich vorstellen, welches Ungleichgewicht hier besteht.
Ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung von Strasse und Schiene war die Einführung der Maut zu Beginn des Jahres.
Mit dem ersten Januar 2005 muss für jeden LKW auf dem deutschen Autobahnnetz -je nach Achszahl und Gewicht des Lastwagens- zwischen 12 und 17 Cent den Kilometer gezahlt werden.
Bei den Autofahrern keimt angesichts dessen neue Hoffnung. Wird der LKW-Verkehr zu teuer, könnte die Schiene wieder attraktiv werden, die Strassen wieder leerer.
Und auch bei der Bahn hat man ein wachsendes Interesse registriert - allerdings auch nicht mehr.
Wir haben deutlich mehr Anfragen von Verladern, die bislang auf der Strasse sind, dummerweise bleibt's dabei. Es springt noch keiner von diesen Verladern, ist ja auch klar, weil er sagt, bei 12 Cent, das ist noch nicht genug, weil ich muss ja auch Investitionen tätigen, er hat ja seine Verladereinrichtung, die hat er auf die Straße konzipiert, und wenn wir das jetzt auf Schiene umstellen würden, dann muss er einmal Investitionen tätigen auf seinem Werk oder wo auch immer er verladen will, und das macht er erst dann, wenn die Schmerzen ausreichend hoch sind. 23’26 Und sie sind definitiv bei 12 Cent noch nicht hoch genug, wir merken es wie gesagt an den vielen Anfragen, aber auch daran, das keiner springt.
Der Bahnmanager plädiert für deutlich höhere Mautgebühren.
Ich vermute, dass wir Verlagerungseffekte haben werden bei 20, 25 Cent, das ist schwer prognostizierbar, aber wir vermuten das aus den Gesprächen die wir haben mit den Verladern, und dann kommen dann auch wirklich Effekte dann zum Tragen zum Gunsten der Schiene. Also in so fern ist der erste Schritt gemacht, und wir werden sehen, was in den nächsten Jahren folgt.
Doch selbst wenn die Bundesregierung die Mautgebühren auf diesen oder einen noch höheren Satz anhebt, ist noch lange nicht sicher, dass tatsächlich so viel Güter mit der Bahn befördert werden, wie es die optimistische Zielsetzung der Bundesregierung vorgibt.
Mit ihrer Technik hat die Bahn ein prinzipielles Problem, im Güterverkehr mitzumischen.
Die Bahnen befördern Fracht in langen, fest zusammengekuppelten Zügen. Das eignet sich am besten für Güter, die in großer Menge immer die gleiche Strecke reisen, wie zum Beispiel Kohle, Erz, Stahl, Öl, Holz, Dünger oder Salz. Bis heute ist die Bahn ungeschlagen, wenn es darum geht, diese Massengüter zu fahren. Das Problem ist nur: Diese Fracht wächst so gut wie nicht mehr. Der Anteil an den insgesamt gefahrenen Gütern schrumpft.
Was wir Güterstruktureffekt nennen.
Klaus Backhaus, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Münster. Er untersucht seit 12 Jahren den Güterverkehr auf der Schiene.
Güterstruktureffekte beschreiben die Entwicklung, dass es immer stärker weggeht von sogenannten Massenguttransporten hin zu dem, was die Verkehrswissenschaftler Kaufmannsgüter nennen, also kleinteilige Sendungen, die auch sehr stark in der Fläche streuen,... so dass die Schiene, die ja auf das Schienennetz angewiesen ist, diesen stärker streuenden Verkehr nicht mehr so bedienen kann, wie sie das ursprünglich mit den Massengütern einmal tun konnte.
Die Folge ist: Die Schiene verliert trotz gleich bleibender Mengen Marktanteile. Obwohl Bahnunternehmen zwei verschiedene Techniken entwickelt haben, um diese Kaufmannsgüter zu fahren.
Zum einen bieten Bahnunternehmen den so genannten Einzelwagenverkehr an. Dabei holt eine Lok den oder die Güterwagen direkt beim Kunden ab. Die Wagen werden in kurzen Güterzügen zu einem Knotenbahnhof gefahren. Dort stellen Rangierer die Züge zu Übergabezügen um. Diese fahren zu größeren Rangierbahnhöfen, wo sie wieder neu gruppiert werden, zu Ferngüterzügen. Die fahren die lange Strecke. In der Nähe des Bestimmungsortes werden die Wagen noch einmal umrangiert, damit sie in kleinen Zügen zu den Empfängern gefahren werden können.
Das ist aufwändig, dauert lange und ist teuer: Rangieren ist immer noch weitgehend Handarbeit; auf Anlagen, die zum Teil 80 Jahre alt sind. Kein Wunder, dass diese Güterzüge kein sehr eindrucksvolles Reisetempo erreichen.
Alle Versuche, den Einzelwagenverkehr durch neue Techniken wie automatische Kupplungen wirtschaftlicher zu gestalten, sind von den Unternehmen wieder aufgegeben worden. Bis sich die Ausgaben rentiert hätten, wäre zu viel Zeit ins Land gegangen.
Außerdem ist eine Voraussetzung für diesen Verkehr der Gleisanschluss - und den haben immer weniger Unternehmen.
Die früher Flächen erschließende Bahn mit ich sag mal, einem Güterbahnhof in fast jedem Dorf, die ist einfach passe. Die war wirtschaftlich sinnvoll, solange der Güterverkehr auf der Strasse mit Pferdefuhrwerken stattfand. Der Entwicklung des LKWs hat dieser Anspruch der Bahn, spätestens seit Beginn der sechziger Jahre in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.
Marian Gaidzik von der Beraterfirma Hakon.
Und dieser Abbau von Nebenstrecken und Gleisanschlüssen scheint weiterzugehen - trotz eines gerade beschlossenen Gleisanschluss-Förderprogramms der Bundesregierung. Inzwischen prüfen Stinnes und die Konzernmutter, die DB-AG, offenbar, ob sie sich den Einzelwagenverkehr überhaupt noch leisten sollen.
So zitierte der Berliner Tagesspiegel den Europa- und Wettbewerbsbeauftragten der Deutschen Bahn, Joachim Fried: "Ich glaube, dass sich vieles nicht mehr wirtschaftlich fahren lassen wird" und schließt daraus, dass Fried "für den Güterverkehr auf der Schiene innerhalb Deutschlands ...skeptisch" sei.
Und einem Bericht des Manager-Magazins zufolge habe der Vorsitzende des Vorstandes der Stinnes AG, Bernd Malmström, angeregt, sich von dem Einzelwagenverkehr ganz zu trennen.
Das ging offenbar zu weit - die Bahn verlängerte den Vertrag von Bernd Malmström nicht. Über die Zukunft einzelner Rangierbahnhöfe ist noch nicht entschieden, nach Auskunft der Railion steht der Einzelwagenverkehr dagegen nicht zur Disposition. Wie der Güterverkehr des Unternehmens wieder rentabel werden soll, will die Railion im Frühjahr erklären.
Würde die Bahn tatsächlich darauf verzichten, Wagen beim Kunden abzuholen, müsste der Kunde die Fracht in Zukunft zur Bahn bringen - wie bei der Post.
Das Angebot gibt es bereits. Es hört auf den Namen "Kombinierter Ladungsverkehr".
Dabei kommt die Fracht per LKW zur Bahn, wird dort auf den Zug verladen - oder der ganze LKW fährt selbst auf den Zug. Die Bahn fährt dann ohne zu rangieren direkt in die Nähe des Zielortes. Dort angekommen, rollt entweder der LKW vom Zug wieder herunter und zum Kunden - oder die Fracht wird wieder vom Zug auf den LKW geladen.
Das spart natürlich Zeit und Geld. Aber auch dieses Angebot lohnt sich nicht immer:
Die Problematik liegt darin, dass sie eine Mindestlänge brauchen, eine Mindesttransportstrecke brauchen, um das Ganze rentabel zu machen.
Erklärt Klaus Backhaus, Wirtschaftswissenschaftler aus Münster. Am Kombinierten Ladungsverkehr wollen viele verdienen. Der Spediteur des ersten LKW, der Betreiber der ersten Verladestelle, die Bahn der Betreiber der zweiten Verladestelle, der zweite Spediteur - das kostet.
Nach seinen Berechnungen bliebe der Bahn auf der Strecke Hamburg Hannover nur ein Anteil von 20 Euro pro Container am Gesamtpreis übrig, wenn sie konkurrenzfähig fahren will. Der Wissenschaftler folgert daraus:
Kombinierter Verkehr allgemein rechnet sich eben unter den gegebenen Technologien, die wir zur Zeit zur Verfügung haben, eben nur auf Strecken - da gibt es unterschiedliche Prognosen, je nach dem, welche Technologien man einsetzt - zwischen, na, sagen wir mal 400 und 600 Kilometern, ab da aufwärts wird’s interessant.
Das sind aber Strecken, die in Deutschland nicht allzu häufig gefahren werden. Die Folge: Die Bahn nimmt am Wachstum des Güterverkehrsmarktes so gut wie nicht teil.
Doch für den gestressten Autofahrer gibt es doch noch eine Hoffnung:
Die Güterbahn braucht für die Zukunft eine neue Domäne. Das kann aber nur, und sollte der Langstreckenverkehr sein.
Immer dann, wenn wir lange Relationen haben, hat die Schiene nach wie vor einen Systemvorteil. Das, was sie in der Fläche, auf kurzen Strecken unterlegen macht, gegenüber der Straße, bei kleinteiligen Verkehren, macht sie vorteilhaft auf der langen Strecke.
- also von Nordeuropa, Skandinavien, Norddeutschland nach Italien, gebündelte Aufkommen im Kombinierten Verkehr über lange Strecken, das gilt es im Prinzip in Europa zu multiplizieren. Da liegen Wachstumsmöglichkeiten, da liegen Marktchancen.
So Marian Gaizdik.
Die Bahn soll also die Lastwagen von der Strasse holen, die weite Strecken quer durch Europa fahren. Und genau auf diese Zukunft bereitet sich die Railion vor.
Das ist in der Tat eines der großen Themen, und wir haben auch das erklärte Ziel als Railion-Gruppe in Europa als deutliche größte Gruppe, im Schienengüterverkehr, dass wir die europäischen Korridore besetzen wollen, es muss nicht zwingend so sein, dass wir sie selbst betreiben, im Sinne von Kapitalverflechtungen, im Sinne von: wir müssen Unternehmen kaufen im Ausland, zwingenderweise, das ist nicht das Thema, sondern das Thema ist: wir haben zwei Ziele, nämlich in Europa zu fahren, zu optimalen Kostenbildern, und zu hoher Qualität. 6
Klaus Kremper, Vorstands-Vorsitzender der Railion in Deutschland. Das Unternehmen hat sich mit den Gütersparten der Holländischen und der Dänischen Staatsbahn vereint. Außerdem hat Railion in Italien ein kleines Unternehmen gekauft. Auch Kooperationen sind angedacht, oder werden bereits realisiert.
Und insofern ist meine Prognose die: wir werden in fünf bis zehn Jahren in Europa dann auch ein, zwei oder vielleicht drei große Systemanbieter in Europa haben; die dominieren die Korridore, und sie werden das tun in Zusammenarbeit mit vielen vielen kleinen Eisenbahnen, durchaus mehr als zweihundert in Deutschland, die eben mit dem Netzanbieter zusammenarbeiten, um ein vernünftiges Produkt zustande zu bringen, ... und ich hab im Moment keine Indizien, dass wir dieses Ziel nicht erreichen.
Damit werden sich auch für mich die Strukturen der Bahnen in Europa gewaltig ändern. Hier sehe ich einen Prozess, der ähnlich wie bei der Post, bei den Paketverkehren, sich in den vergangenen Jahren vollzogen hat, eben aus ehemals staatlichen Postorganisationen haben sich leistungsfähige europäische Transportkonzerne entwickelt, zugekauft wurden die jeweils privaten Postdienste in den anderen Ländern. In den Nachbarstaaten. Diese Entwicklung sehe ich auch irgendwo bei den Bahnen. Sie ist auch zum Teil schon eingetreten, bzw. beginnt, oder hat begonnen.
Eine schöne Vision. Heute steht ihr jedoch die Eisenbahn-Realität entgegen: Eine freie Fahrt für Eisenbahnen in Europa gibt es nicht.
In Europa fahren die Bahnen derzeit unter vier verschiedenen Stromsystemen, mit 16 verschiedenen Sicherungssystemen. Von diesen ist keines mit dem anderen kompatibel; Loks, die über die Grenze fahren, müssen aufwändig aufgerüstet werden. Auf keine Lok passen jedoch alle 16 Systeme. Daher sind für jedes Land, für jede Strecke, unterschiedliche Ausrüstungen nötig. Diese sogenannten Mehrsystemloks sind sehr teuer. Und das gilt auch für das Personal: Weil der Zugfunk immer noch in der jeweiligen Landessprache geführt wird, müssen die Lokführer viele Sprachen beherrschen.
Wir bilden heute die Lokführer in Sprachen aus, ich glaube, sechs oder sieben Sprachen, die wir heute ausbilden, wir investieren sehr viel Geld in mehrsystemfähige Lokomotiven, die über die Grenze fahren können, und diese Lokomotive müssen wir refinanzieren in Märkten, in denen wir nur zwei bis drei Prozent Marge verdienen.
Außerdem muss jede dieser Loks in jedem Land neu zugelassen werden. Beim LKW reicht eine Zulassung für ganz Europa.
Aber damit ist es noch nicht getan: Jedes Land hat - genau wie bei den Signalen - andere und sich widersprechende Vorschriften dafür, wie zum Beispiel der Tachometer aussehen muss. In einem Land muss es ein digitales Instrument sein, im anderen darf es das auf gar keinen Fall sein.
Und schließlich sind die Gleise in fremden Ländern nicht immer für alle Eisenbahn-Unternehmen offen. Während LKW und Autofahrer auf allen Strassen Europas freie Fahrt haben, müssen Bahnen, die ins Nachbarland wollen, Anträge stellen und sich diese genehmigen lassen - oder die Fracht an die Konkurrenz abgeben. Und während in Deutschland derzeit 200 Unternehmen Güter auf der Schiene fahren dürfen, ist in Frankreich nur die Staatsbahn zugelassen.
Aber selbst wenn die Bahn in Europa freie Fahrt hätte, drohte ihr immer noch Konkurrenz vom LKW.
Und ein Beispiel, im Jahr 2004 sind wir auf der Erlösseite massiv überrascht worden, wir haben also deutliche Preisnachlässe geben müssen, was ist passiert? Die Grenzen nach Osteuropa haben sich geöffnet, es gibt eine massive Arbeitslosigkeit in Osteuropa, die zunehmen wird, und viele Leute sagen sich: Was mache ich in der Situation, und sie kommen auf die Idee und kaufen sich abgeschriebene LKW, meistens aus dem Westen. Und dann fahren sie, es ist relativ einfach, ein Speditionsbetrieb aufzumachen, und Rumänen fahren dann eben mit abgeschriebenen LKW bis nach Portugal, sie brauchen nicht andere Sprachen zu lernen, sie müssen nicht andere Führerscheine haben, sie fahren einfach durch.
Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Railion jetzt auf ein Projekt setzt, das angesichts dieser Situation zwar sehr überzeugend - aber noch sehr utopisch klingt.
Die Railion nimmt den Landverkehr nach China ins Visier.
Das ist ein sehr konkretes Thema wir werden in den nächsten Monaten werden wir eine gemeinsame Firma gründen eine Deutsch-Russische, mit Sitz in Russland, also Moskau, ganz konkret, die das Ziel hat, den Marktanteil auf dem Korridor zwei, also von Berlin nach Moskau, zu verdoppeln.
Die Fracht käme aus dem fernen China über die Transsibirische Eisenbahn bis nach Moskau. Dort ginge sie auf die Strecke nach Berlin; bis nach Weißrussland führe sie auf der Russischen Breitspur; danach auf der etwas schmaleren Normalspur quer durch Polen bis nach Berlin.
Und nachdem was ich im Moment sehe in der Projektarbeit, wird das auch erreicht werden, es ist eine klassische Eisenbahnstrecke, allein die Entfernung ist typisch für die Eisenbahn, in so fern ist es schade, dass wir da bis lang eher, eher, eher mager vertreten sind; das hat viele Gründe, auch Stromsysteme, Zugsicherungssysteme verschiedene in den Ländern, und es sind auch die Grenzprozesse in Weißrussland, nicht vergleichbar mit denen in Deutschland, in so fern ist da eine ganze Menge zu tun, und wir arbeiten in allen Dimensionen im Moment, bis hin zu der Frage, ob wir nicht auch Mehrsystemlokomotiven beschaffen müssten, die sich dann aber natürlich dann mit den Erlösen refinanzieren müssen auf der Strecke,
So Klaus Kremper. Eine Konkurrenz mit dem LKW wäre auf dieser Distanz - viele tausend Kilometer, einmal quer durch Asien - nicht zu befürchten, nicht einmal mit den Arbeitslöhnen rumänischer LKW-Fahrer.
Das mag utopisch klingen, aber die Railion und die Russische Staatsbahn haben bereits Konkurrenz bei ihrem Projekt. Die Staatsbahn Kasachstans hat damit begonnen, eine völlig neue Eisenbahn-Strecke zwischen China und dem Iran zu bauen. Das besondere daran: Die Gleise haben dieselbe Breite wie die in China - und die in Europa. Während Fracht, die von China nach Europa über die Transsibirische Eisenbahn gefahren werden soll, derzeit an der Chinesisch-Russischen Grenze umgeladen werden muss, könnten Güterwagen auf der Kasachischen Linie bis nach Europa durchrollen.
Noch ist es aber nicht so weit, und die Railion sieht solchen Projekten gelassen entgegen.
Und in dem Zusammenhang ist natürlich sehr wohl ein Thema, ob man nicht auch die Schenker-Expertise nutzen kann, Schenker ist der drittgrößte Seefracht-Spediteur weltweit, auch von Asien nach Europa, und es stellt sich ganz unmittelbar die Frage, wenn Schenker zum Konzern der Deutschen Bahn gehört, ob man nicht auch darüber nachdenkt, eben einen Teil der Container nicht über den Seeweg zu transportieren, sondern über die Transsibirische Eisenbahn zum Beispiel, und dann die Mengen übernimmt in Moskau, in die Feinverteilung dann per Eisenbahn nach Westeuropa.
Und am Rande erwähnt sei nur, dass der Weg über die Schiene natürlich deutlich kürzer ist als der Seeweg, also in so fern, wir haben ja auch etwas anzubieten, es ist ja nicht so, als wäre die Bahn unspannend für solch eine Strecke; ganz im Gegenteil, und die Hausaufgaben, die wir noch zu tun haben, an denen sind wir dran, und die werden wir auch in den nächsten Monaten erledigen.
Ein Vision, nicht für heute oder morgen, sondern für eine mittelfristige Zukunft. Die spannende Frage wird dann allerdings sein, wie es von Berlin aus weiter geht. Übernimmt die Schiene die Verteilung? Oder geht die Fracht im Nahverkehr auf den LKW über?
Nein, der Nahverkehr spielt natürlich auch - sie müssen für die großen Korridore brauchen sie irgendjemanden, der die Korridore füttert. Und beim Füttern der Korridore wiederum, also bei der Bedienung der Nahbereiche gibt’s mehrere Alternativen. Die eine Alternative ist die, dass wirs selbst machen ... eine zweite Variante ist, dass wir Partner mit reinnehmen...
Und die dritte Variante, die ich auch nicht ausschließe, ist die, dass man letztlich auch den Vorlauf macht mit dem LKW, für Verkehre, die heute grundsätzlich auf dem LKW sind, stelle ich mir vor, dass man in Nahbereich LKW akzeptiert, dann aber umlädt, und dann eben den Rest der Transportkette mit der Eisenbahn bewältigt.
In den USA rechnet sich der Transkontinentale Verkehr durchaus für die Bahnen. Ob er allerdings tatsächlich LKW-Verkehr in Deutschland von der Strasse auf die Schiene holt, das muss sich zeigen.