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Schwer-Ionen-Therapie gegen Tumore

Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Das sind heute die drei Methoden, mit denen Ärzte versuchen, Menschen mit bösartigen Tumoren zu heilen. Bei der herkömmlichen Bestrahlung mit Röntgenstrahlen gibt es allerdings das Problem, dass viele Tumorarten - insbesondere Gehirntumore - nicht auf die Behandlung ansprechen. Seit Jahren suchen Forscher deshalb nach alternativen Strahlenbehandlungen. Erste vielversprechende Erfahrungen liegen inzwischen von Behandlungen mit Teilchenstrahlen vor.

Anja Paumen |
    Eine neue Art von Strahlen soll Krebswucherungen in schwer zugänglichen Körperbereichen besser abtöten. Es sind Teilchenstrahlen: Strahlen, die aus extrem schnell fliegenden Teilchen bestehen.

    Die Teilchenstrahlung kann nur bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt produziert werden. Denn hier steht der bislang einzige Kreisbeschleuniger, der für die Schwerionentherapie unbedingt notwendig ist. Es ist eine riesige Anlage - 70 Meter im Durchmesser. Der Kreisbeschleuniger beschleunigt die Teilchen auf halbe Lichtgeschwindigkeit, bevor sie auf den Tumor geschossen werden. Die Krebsmediziner aus Heidelberg müssen deswegen für die Behandlung mit ihren Patienten nach Darmstadt fahren. Jürgen Debus, medizinischer Leiter der Studiengruppe vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg:

    Der Vorteil der Schwerionentherapie liegt insbesondere darin, dass wir zum einen die Dosis präziser an den Tumor anpassen können, als wir das in der konventionellen Therapie können. Auch dort hat die konventionellen Therapie in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht. Ein weiterer Aspekt, der für uns sehr wichtig ist, ist die erhöhte biologische Wirksamkeit. Daraus resultiert, dass auch Tumoren, die ursprünglich unempfindlich sind gegenüber der konventionellen Therapie auf diese spezielle Bestrahlungsart besser reagieren.

    Die Teilchenstrahlen bestehen aus Kohlenstoffatomen, die auch schwere Ionen genannt werden. Im Gegensatz zu den konventionellen Röntgenstrahlen treffen die schweren Ionen den Krebsherd präziser. Es fällt weniger Streustrahlung auf angrenzende Regionen. Gesunde Regionen in der Nähe des Tumors werden so geschont. Ein Vorteil, wenn in der Nachbarschaft des Tumors Zellen oder Organe liegen, die nicht ausfallen dürfen - wie etwa ein Sehnerv oder lebenswichtige Hirnfunktionen. Fast alle Patienten, die bislang mit den schweren Ionen bestrahlt worden sind, haben Tumoren im Kopf. Jürgen Debus über die Erfahrungen mit den ersten 88 Patienten:

    Wir haben bei den 88 Patienten bei 86 Patienten feststellen können, dass der Tumor aufgehört hat zu wachsen. Bei 2 Patienten ist der Tumor allerdings jetzt im weiteren Verlauf wiedergekommen - einmal nach sechs Monaten einmal nach zwei Jahren. Und dass ist eben das Heimtückische, dass auch nach einer längeren Zeit noch Tumoren wiederkommen können. Und aus dem Grunde ist eben die sorfältige Nachbeobachtung ein ganz wesentlicher Teil dieser Studien.

    Da der Tumor im Kopf sitzt müssen die Patienten während der Behandlung eine Kopfmaske aufsetzen. Sie garantiert, dass der Strahl auch genau dort auftrifft, wo der Tumor sitzt. Die Behandlung dauert etwa 45 Minuten. Durch die ersten Erfolge ermutigt, will das Forscherteam aus Medizinern und Physikern, die Therapie auch auf andere Patienten ausweiten. Die Voraussetzungen dafür erläutert Professor Gerhard Kraft, Leiter der Abteilung Biophysik an der GSI:

    Jetzt können wir auch in der Zwischenzeit Masken produzieren für den ganzen Körper, so dass wir längs der Wirbelsäule und im Beckenbereich auch auf 1-2 Millimeter genau den Patienten positionieren können. Und sonst muss der Patient 20 mal kommen und wird 20 mal bestrahlt, aber er sieht nichts von der Bestrahlung, er hört sie nicht und spürt sie nicht.

    Bislang ist die Therapie noch in einer experimentellen Phase. Doch in Zukunft soll eine größere Gruppe von Patienten von ihr profitieren. Dafür soll ein neuer Kreisbeschleuniger auf dem Gelände der Universität Heidelberg entstehen.