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Schwere Aufgaben für die bulgarische Übergangsregierung

Hohe Strompreise, Armut und Korruption belasten Bulgarien. Nach dem Rücktritt der Regierung soll es nun ein Diplomat gemeinsam mit parteilosen Fachleuten richten. Sie müssen aufpassen, dass aus der politischen Krise keine Finanzkrise wird.

Von Karla Engelhard |
    Bulgarien hat eine neue Regierung mit neuen Gesichtern. Allen voran das von Übergangsregierungschef Marin Raikow. Der 52-Jährige ist Diplomat, der auf europäischen Parkett mithalf, Bulgarien in die Europäische Union zu bringen. In der vergangenen Woche war er noch Botschafter in Paris, wo er auch studiert hat. Nun muss er umlernen – auf Übergangspremier in Krisenzeiten. In seiner ersten Rede als Regierungschef machte er klar, oberste Priorität haben faire und freie Wahlen. Außerdem muss verhindert werden, dass aus der politischen Krise eine Finanzkrise wird:
    "Wir werden keine Politik zulassen, die die Finanzdisziplin und den Währungsrat im Land in Frage stellen würden. Wir werden keine wirtschaftlichen Abenteuer zulassen, keine unkontrollierten Verstaatlichungen, die politischen und anderen Interessen dienen. Wir werden jedem Versuch entgegentreten, der das Land ins Chaos treiben würde."

    Damit trifft er den Nerv der Leute auf der Straße. Eine Frau vor dem Parlament in Sofia fordert von der neuen Regierung:

    "Ich bestehe am meisten darauf, dass sie die Finanzen stabil hält. Ich habe die Hyperinflation von 1997 erlebt und habe eine riesige Angst davor, dass etwas Ähnliches wieder passiert. Ich erinnere mich noch, wie wir unsere ganzen Ersparnisse verloren haben, was für ein Horror das damals war."

    Nach Massenprotesten gegen zu hohe Stromrechnungen und gegen den Sparkurs der Regierung hat die konservative Regierung um Premier Borissow überraschend das Handtuch geworfen. Borissows populistischen Versuche, die Strompreise per Dekret ab 1. März zu senken, kamen zu spät und bei den Demonstrierenden nicht mehr an.

    Denn zugleich sollten sie die hohen Rechnungen von Januar /Februar bezahlen und dann gemeinsam klagen, um das Geld zurückzubekommen. Viel Geld: Bis zu zwei Drittel eines durchschnittlichen Monatslohnes von umgerechnet 400 Euro beziehungsweise die Hälfte einer Rente – nur für Strom. Ein junger Familienvater erzählt resigniert:

    "Zu Hause stehen vor einem Dilemma. Wir müssen die Rechnungen bezahlen. Wir werden uns beim Energielieferanten zwar beschweren, aber zahlen. Sonst drehen sie uns den noch Strom ab. Aber alles hängt am Strom: Internet, Heizung, sogar unser Essen."

    Für die Demonstranten sind die ausländischen Energielieferanten, vor allem die aus Österreich und Tschechien schuld, ihr Firmen-Logo steht schließlich auf den Rechnungen. Die unzureichenden Investitionen des Staates und die verschleppte Liberalisierung des Strommarktes werden übersehen. Auch ein Problem, das die Übergangsregierung zumindest in Angriff nehmen muss.

    Viel Zeit bleibt nicht und das Parlament wurde bereits verfassungsgemäß aufgelöst. Am 12. Mai wird gewählt. Für die Parteien ist der Wahlkampf schon in vollem Gange. Doch der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew setzt auf seine Expertenregierung des Übergangs. Gegenüber der ARD meinte er:
    "Ich mache mir nicht viel Sorgen über die Periode bis zum 12. Mai, ich mache mir viel mehr Sorgen über das was später kommt, ich sage Ihnen auch warum, weil jetzt sehr viel Energie von den Bürgern kommt, die politischen Parteien müssen sich ändern, wenn die sich nicht ändern, dann kann es sein, dass es schlimmer kommen wird."