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Schwere Entscheidungen im Labor

Medizin. - Die so genannte Parabioseforschung ist unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig, weshalb sie in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten kaum betrieben wurde. Warum die umstrittene Methode eine Renaissance erlebt und welche Alternativen existieren, erklärte Volker Herzog vom Bonner in "Forschung aktuell".

    Volker Herzog: "Die Parabiose-Experimente haben uns gezeigt, dass wir auf diese Weise die Herkunft von Zellen in der Entwicklung, aber auch bei Reparaturprozessen nachvollziehen können. Unter diesem Aspekt sehen es wohl die Forscher in Hannover."

    Pasch: Nun ist dieses Verfahren nicht ganz neu und wird offenbar in den USA recht häufig angewandt, während es hierzulande aus Tierschutzgründen zurückgestellt wurde. Wie beurteilen Sie diese Situation?

    Herzog: "Nun, da sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Das eine ist, dass man so wenige Tierexperimente wie möglich durchführen sollte. Auf der anderen Seite sind es ganz wichtige biologische Fragen, die einfach unser Wissen erweitern, zum anderen aber auch Fragen der menschlichen Existenz. Die Niere ist eines der Organe, das weiß wohl jeder, die für unsere Existenz unabdingbar sind. Und wenn es um deren Funktionserhaltung geht, dann meine ich, ist es gerechtfertigt, derartige Tierexperimente durchzuführen, zumal die Tiere sich nur wenig gestört fühlen. Sie tolerieren offenbaren dieses dichte Beieinander zweier Individuen."

    Pasch: Zu welchen Ergebnissen kann denn diese Parabiose-Forschung führen?

    Herzog: "Sie kann dazu führen, aufzuklären, ob zirkulierende Zellen, die aus dem Knochenmark stammen, in der Lage sind, in dem parabiotischen Partnertier direkt dazu beizutragen, Zellersatz herbeizuführen - in diesem Fall in der Niere. Es gibt verschiedene Untersuchungen, wo das bereits an anderen Organen gemacht worden ist, zum Beispiel am Knochenmark: Wenn man dem einen Tier das Knochenmark entfernt, etwa durch Bestrahlung, dann wird durch zirkulierende Zellen dieses Knochenmark vom parabiotischen Partner ersetzt. Diese zirkulierenden Zellen könnten aber auch Zellen in der Lunge ersetzen, oder auch am Herzmuskel. In der Tat, da gibt es entsprechende Untersuchungen, aber die sind widersprüchlich. Es gibt auch Untersuchungen, die das Gegenteil beweisen. Zum Beispiel ist an der Stanford University eine entsprechende Untersuchung durchgeführt worden, dass zirkulierende Zellen des Knochenmarks nicht in der Lage sind, Herzmuskelzellen zu ersetzen."

    Pasch: Herr Herzog, gibt es denn Alternativen zu dieser Parabiose-Forschung?

    Herzog: "Es sind natürlich Experimente folgendermaßen durchgeführt worden, dass man die Zellen, die jetzt durch Parabiose dem parabiotischen Partnern überführt werden, die also durch Zirkulation in den Partner gelangen, auch direkt injizieren kann und so in dieses betreffende Organen einfügen kann. Das ist gemacht worden beim Herzmuskel und bei verschiedenen anderen Organen und es hat wie gesagt zu widersprüchlichen Ergebnissen auch dort geführt. Zum einen glaubte man nachgewiesen zu haben, dass sich hoch differenzierte Zellen aus diesen zirkulierenden Knochenmarkszellen entwickeln können. Es ist aber auch gleichfalls in anderen Experimenten festgestellt worden, dass dies nicht der Fall ist. Es gibt Dinge, wo man einfach etwas machen muss, wenn man ein Ergebnis erreichen will, oder wo man etwas unternehmen muss mit dem lebendigen Organismus, um zu einer Erkenntnis zu gelangen. Und meines Wissens ist es noch nicht durchgeführt worden: eine Reparatur von Nierengewebe durch zirkulierende Knochenmarkszellen mit Hilfe eines Parabiose-Experimentes."