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Schwerer Kampf gegen Umwege

Luftfahrt. - Europa hat eine eigene Währung, die Grenzen existieren nur noch auf dem Papier. Doch der europäische Luftraum ist streng nach Ländergrenzen organisiert. Seit Jahren bemüht sich die Europäische Union um einen einheitlichen Luftraum in Europa. Doch das Projekt kommt nur schleppend voran.

Von Philip Banse |
    Für Flüge ins Ausland gibt es Standardrouten, die aber nicht immer der direkte Weg zum Ziel sind. Ist der Luftraum frei, erteilt der Lotse die Erlaubnis, direkt zum Ziel zu fliegen. Das spart Geld und schont die Umwelt. Die neue Route allerdings wird Lotsen des Nachbarlandes nicht automatisch und digital mitgeteilt, sagt Axel Raab von der deutschen Flugsicherung. Der deutsche Lotse greift zum Telefon:

    "Es muss dem Nachbarland mitgeteilt werden, dass das Flugzeug nicht auf der offiziellen Route kommt, sondern 20 Kilometer weiter südlich oder 20 Kilometer weiter nördlich und außerdem drei Minuten früher kommt. All das muss per Telefon ausgetauscht werden und das hemmt natürlich, es ist ein sehr großer Koordinationsaufwand und in dieser Zeit könnte der Fluglotse andere Dinge machen und mehr Flugverkehr abwickeln. Es hat was mit Effizienz zu tun."

    Innerhalb der EU-Staaten werden neue Flugrouten automatisch und digital verbreitet. Doch die 27 Flugsicherungen in Europa nutzen alle unterschiedliche Systeme, die kaum Daten untereinander austauschen können, sagt Patrick Ky von der EU-Kommission:

    "In den nächsten 20 Jahren wird sich der Flugverkehr verdreifachen. Die heutige Technik zur Luftüberwachung wird diesen Verkehr nicht bewältigen können. Die Basistechniken stammen aus den 50er, 60er Jahren. Die Luftverkehrskontrolle ist organisiert wir vor 20 Jahren."

    Die EU will die europäische Flugüberwachung daher grundsätzlich modernisieren und den Himmel über Europa einen. Das Projekt "Single European Sky" soll bis 2020 sieben Milliarden Euro kosten. Viel Geld wird es kosten, die Technik zu erneuern, damit Flugzeuge und Flugüberwachung endlich über Grenzen hinweg Daten austauschen können, sagt Professor Hartmut Fricke, Leiter des Instituts für Luftfahrt und Logistik an der Technischen Universität Dresden:

    "Die Technik, die jetzt kommen soll, soll im Wesentlichen die Vorausplanbarkeit der Flugbahnen verbessern helfen. Damit soll die Vorhersagequalität der einzelnen Luftverkehrsteilnehmer verbessert werden."

    Es muss ein Standard verabredet werden, wie Flugzeuge vor und während des Fluges alle relevanten Daten einspeisen in ein europäisches Flugüberwachungsnetz, ein Internet der Lüfte, mit dem jeder Lotse in der EU jederzeit weiß, wo welches Flugzeug ist und wann es wo ankommt. Neben der alten und inkompatiblen Technik verursacht vor allem die Struktur des europäischen Luftraums große Umweltschäden und kostet viel Geld. Durch eine starke Vereinheitlichung des Luftraums ließen sich nach Berechnungen der EU-Kommission jedes Jahr zwei Milliarden Euro sparen. Denn bis heute ist jedes EU-Land nur für den Luftraum innerhalb seiner Staatsgrenzen zuständig. Statt 50 Flugüberwachungsstationen würden jedoch zehn reichen, um den Flugverkehr über Europa zu regeln, schreibt die EU-Kommission. Außerdem haben die nationalen Zuständigkeiten verhindert, dass gerade, wirtschaftliche Flugkorridore quer über Europa eingerichtet wurden. Axel Raab von der deutschen Flugsicherung:

    "Insbesondere zum Beispiel auf dem Flug nach Mallorca. Dort haben wir, wenn der Flug durch Frankreich führt, große militärische Sperrgebiete und diese müssen alle umflogen werden. Wenn wir aber einen gemeinsamen großen Luftraum haben, dann können wir versuchen, den so zu stricken, dass möglichst überall Direktrouten möglich sind."

    Die ständigen Umwege und Verspätungen kosten die Airlines nach Berechnungen der EU-Kommission jedes Jahr 1,4 Milliarden Euro. Die Umwelt muss fast fünf Millionen vermeidbare Tonnen Kohlendioxid verkraften. Doch große, grenzüberschreitende Lufträume scheiterten bisher daran, dass kaum ein Land die Kontrolle über seinen Himmel abtreten wollte. Erst jetzt scheinen sich zumindest Deutschland, Frankreich, die Schweiz und Benelux anzunähern. Auch die technische Modernisierung soll in diesen Wochen neuen Schub bekommen. Ein Konsortium aus EU-Kommission und Industrie soll aus Planungen Produkte machen – ein Modell, dass schon das europäische Satellitennavigations-Projekt Galileo an den Rand des Scheiterns brachte: Als das Projekt zu teuer wurde, stieg die Industrie aus. Ähnliches könnte auch der Modernisierung der europäischen Flugüberwachung blühen, fürchtet der Luftfahrt-Professor Hartmut Fricke und ergänzt:

    "Die Gefahr liegt darin, dass die aktuellen Portfolios der Unternehmen, sprich der Industrie, auch verkauft werden sollen. Da muss man aufpassen, dass das nicht inhomogen wird. Das ist die Aufgabe eines sehr straffen Controllings in diesem Unternehmen."