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Schwergeburt Klettersteig

Seit einigen Jahren boomen in den Alpen Klettersteige: Mit Stahlseilen, Leitern und Stufen gesicherte Routen, die einen abenteuerlichen, aber vergleichsweise leichten Weg zum Gipfel ermöglichen. Um solch einen Steig zu bauen und zu pflegen, sind viele tatkräftige Geburtshelfer nötig.

Von Jane Höck |
    "Das Klettersteig gehen ist halt attraktiv geworden dadurch, dass man mit relativ wenig Aufwand wegkommt vom normalen Wanderweg. Gerade der Wanderer, wo schon länger geht, der sagt, er möchte es ein bisschen sportlicher haben, ein bisserl Nervenkitzel, der geht in den Klettersteig."

    Sommer in den Allgäuer Alpen. Auf dem Salewa-Klettersteig herrscht Hochbetrieb, an die 50 Leute, alle ausgerüstet mit Helm und Klettergurt hangeln sich mit Karabinern am Stahlseil befestigt den schmalen Pfad bis zum knapp 2000 Meter hohen Iseler hinauf. Es ist offensichtlich: Klettersteig-Sport boomt. Allein in den Alpen entstehen jedes Jahr Dutzende neuer Eisenwege. Für ihre Realisation braucht es aber viel Zeit und Geduld.

    "Es fängt an bei Wildbiologen, Biologen, Vogelschützern, Grundstückseigentümern natürlich. Landratsamt, ob das überhaupt genehmigt wird, Gutachten machen, ob das alles naturverträglich auch ist. Dann sollte man sich natürlich am Berg auskennen, wie man so Verankerungen macht und wie man das natürlich plant, das ist dann der nächste Schritt gewesen."

    Patrick Jost vom Hindelanger Bergführerbüro plant und baut Klettersteige. Er setzt auf die klassische Variante und sucht im Berg nach einer logischen Linie zum Gipfel. Ist die mithilfe von Fotos und Erkundungstouren gefunden, heißt es: Rein in den Fels und Hand anlegen!

    "Dann wird das so gemacht, dass man den Klettersteig eigentlich zweimal baut, also man muss ihn erst mal verankern, mit normalen Haken, wo man Bergseile reinspannt, dass die wo drin arbeiten, dass da nix passieren kann."

    Die nächste Schwierigkeit ist der Materialtransport. Beim Klettersteig rauf zum Iseler zum Beispiel mussten, vom Werkzeug ganz abgesehen, 3000 Meter Stahlseil, 1500 Anker, 3000 Schrauben, 50 Bohrhaken und 30 Stahltritte sowie 200 Patronen für die Klebepistolen befördert werden. Die Seilbahn brachte die Materialschlepper auf knapp 1500 Meter bevor es dann zu Fuß, mit schweren Rucksäcken beladen, weiter zur Baustelle ging. Die Arbeit im Fels erfolgt grundsätzlich in Zweierteams. Einer sichert, der andere nimmt die jeweiligen Handgriffe vor. Das Ganze im ständigen Wechsel. Zwei Leute, die die Befestigungsanker setzten, zwei, die das Seil legen, zwei, die bohren ...

    "Wir haben da so eine Bohrmaschine wie ein kleines Moped und mit der bohren wir dann die Löcher für die Anker, dann werden die geklebt und die müssen dann aushärten, ungefähr so einen halben Tag. Das kommt auf die Temperatur immer an. Und dann wird wieder das Stahlseil von oben reingelegt und dann wird wieder einer reingesichert und der verankert das dann mit einer Art Seilklemme und dann ist der Steig eigentlich drin."

    Das Team klettert die Route noch einmal durch, räumt lockeres Gestein aus und gibt den Steig zur Begehung frei. Eine offizielle Abnahme, einen TÜV für Klettersteige etwa gibt es nicht, wohl aber die Verkehrssicherungspflicht, die den jeweiligen Betreibern obliegt. Das sind in Deutschland Gemeinden, Seilbahnen, Bergschulen oder der Alpenverein. Fachmann Patrick Jost zum Beispiel übernimmt die Wartung im Auftrag der Seilbahn.

    "Wir schauen uns das einmal im Frühjahr an, einmal im Herbst und dann natürlich, wenn Rückmeldungen kommen, während der Saison. Wenn Begeher sagen, da ist was locker oder was, dann geht man hoch und repariert es, wenn es akut ist. Nach dem Winter kann's schon sein, dass durch die Schneelast was kaputt geht. Also, wir gehen den Klettersteig einmal durch, schauen uns den an, ob da auch alles in Ordnung ist, sodass er quasi ein Abnahme kriegt für die kommende Saison."

    Das ist bei jedem Klettersteig aber ein bisschen anders geregelt. In den Dolomiten zum Beispiel gibt es viele alte Eisenwege aus dem 1. Weltkrieg, bei denen die Wartung zu wünschen übrig lässt. Und selbst bei neuen Klettersteigen ist Vorsicht geboten, denn auch sie sind vor kurzfristigen Schäden durch Unwetter und Steinschlag nie ganz gefeit.

    "Man sollte schon immer trotzdem schauen, was man anlangt, weil man ist einfach in der Natur draußen und nicht in einer ständig geprüften Anlage."