Von Rach eins bis vier sprechen Musiker liebevoll, wenn die populären Klavierkonzerte Sergej Rachmaninows gemeint sind. Diese virtuosen Schlachtrösser des Konzertbetriebs überragen in der Publikumsgunst sämtliche andere Werke des russischen Komponisten: Seine Opern, seine geistlichen Werke, seine Lieder und die Kammermusikwerke sowieso. Der Cellist Denis Severin und die Pianistin Tatiana Korsunskaya haben nun Sergej Rachmaninows Cellosonate und einige Celloromanzen für Sony Classical aufgenommen. Diese neue Platte "Romances for Cello and Piano" möchte ich ihnen heute vorstellen. Dazu begrüßt Sie Uwe Friedrich.
MUSIK - Track 8
Prélude, aus: Zwei Stücke op. 2
Länge: 3'49
Recht schwermütig kommt diese frühe Komposition Sergej Rachmaninows daher, das Prélude aus den zwei Stücken für Cello und Klavier. Rachmaninow komponierte sie für sein Moskauer Debüt am 30. Januar 1892, das er gemeinsam mit dem Cellisten Anatolij Brandukov gab. Die beiden kannten sich noch aus Studententagen am Moskauer Konservatorium, denn zum Lehrplan für das Musikerdiplom gehörten gemeinsame Konzertauftritte in der Hochschule. Offenbar schätzte Rachmaninow das technische Können und die Musikalität seines Kommilitonen sehr, deshalb hat er ihm die beiden Werke auch gewidmet. In dieser frühen Komposition ist ebenso wie in den Liedbearbeitungen der CD das große Vorbild Peter Tschaikowski noch sehr stark spürbar. Ein mitunter sentimentaler Hang zur großen Geste, eine düster eingetrübte Harmonik mit nicht immer subtilen Wendungen, der Wille zum Effekt. Das gilt auch für Rachmaninows Lieder, die in Russland gerne "Romanzen" genannt wurden. Sieben dieser Lieder haben der Cellist Denis Severin und die Pianistin Tatiana Korsunskaya für ihre CD arrangiert und entgehen damit der Kitschgefahr der Liedtexte, wie hier im Lied "Wie erhaben ist dieser Ort".
MUSIK - Track 4
"Wie erhaben ist dieser Ort", op. 21,7
Länge: 2'06
Ja, das ist Salonmusik, aber Salonmusik von verblüffender Stilsicherheit. Es ist ja auch was dran am Klischee der gelangweilten russischen Oberschicht, die sich in prunkvollen Palästen hinter dicken Vorhängen am Samowar der Melancholie hingab. Doch in diesem Salon haben Denis Severin und Tatiana Korsunskaya gründlich durchgelüftet. Beide haben am Moskauer Tschaikowski-Konservatorium studiert und kennen sich aus in der russischen Kammermusiktradition. Doch glücklicherweise fehlt ihrem Spiel alles dunstig-ungefähre. Wo russische Sänger und zumal Sängerinnen sich gerne vokal mächtig in die Kurve legen, unterspielen die beiden Instrumentalisten Rachmaninows Pathos, ohne es völlig zu verleugnen. Seit vielen Jahren treten die Mittdreißiger gemeinsam auf, sind einander hörbar vertraut und haben eine angenehm entspannte Musizierhaltung entwickelt, in der keiner dem anderen etwas beweisen muss. Auch uns Zuhörer wollen sie nicht mit ausgestellter Virtuosität beeindrucken, sondern höchstens mit der Schönheit der musikalischen Linie, mit ihrem Glauben an Rachmaninows kompositorische Überredungskünste. Das gilt besonders für das Hauptwerk dieser CD, die auf dem Cover verschwiegene Cellosonate:
MUSIK - Track 12
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Zweiter Satz: Allegro Scherzando (Ausschnitt)
Länge: 1'53
Auch die Cellosonate widmete Sergej Rachmaninow seinem Mitstreiter und Freund aus Studententagen, Anatolij Brandukov. Auch dieses Werk hat er mit ihm gemeinsam in Moskau uraufgeführt. Das war am 2. Dezember 1901, nach einer langen und tiefgreifenden Schaffenskrise. Der Misserfolg seiner ersten Symphonie hatte Rachmaninow 1897 in ein tiefes Loch gestürzt, aus dem er sich fast drei Jahre lang nicht befreien konnte. Leo Tolstoi, von dem er sich Ermunterung erhoffte, tätschelte laut Rachmaninows Erinnerungen bloß dessen Knie und fragte ihn, ob irgendjemand solche Musik brauche. Erst mit Hilfe des auf Hypnosetechniken spezialisierten Psychoanalytikers Nikolai Dahl gelang es ihm, durch neue Kompositionen sein Selbstvertrauen wieder zu erlangen. Ihm widmete er dann auch umgehend sein beliebtestes Werk, Rach zwei, das Klavierkonzert, op. 18. Ein weiteres dieser gewissermaßen therapeutischen Werke war die Cellosonate, op. 19. Die stilistische Nähe der beiden Stücke ist unverkennbar. In den drei schnellen Sätzen der Sonate dominieren Rachmaninows neu gewonnenes Gespür für Rhythmen und dynamisches Vorwärtstreiben, doch der langsame Satz mit seinen weit geschwungenen Melodielinien ist auch in der Interpretation von Denis Severin und Tatiana Korsunskaya das eigentliche Kraftzentrum:
MUSIK - Track 13
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Dritter Satz: Andante (Ausschnitt)
Länge: 2'41
Die Cellosonate ist das Zeugnis von Rachmaninows wiederhergestelltem Selbstvertrauen als Komponist. Es zeigt ihn auf der Höhe seiner Kraft und seines musikalischen Einfallsreichtums. In den Krisenjahren zuvor hatte er zwar an mehreren Werken gearbeitet, aber keines zur eigenen Zufriedenheit vollendet. Nun kehrte er glanzvoll zurück ins Musikleben, hatte wieder Erfolg, und zwar nicht nur in Russland sondern in ganz Europa. Durch ausgedehnte Reisen hatte er seinen Horizont erweitert. Jetzt konnte er im letzten Satz seiner Cellosonate russische Volksweisen zitieren, ohne Gefahr zu laufen, in folkloristischem Dekor stecken zu bleiben. Diese Musik ist immer aus dem Gesang entwickelt, spinnt aus dieser Grundlage jedoch endlose Melodien, die an Bellinis Belcantoschwärmereien erinnern. Und so lässt sich das abgegriffene Bild vom "Singen auf dem Cello" kaum vermeiden, wenn es um Denis Severins Spiel geht. Zumal er nicht nur vor sich hin singt, sondern an den richtigen Stellen auch kraftvoll zupackt und seiner Partnerin Tatiana Korsunskaya immer wieder den Vortritt lässt. Schließlich hat sich der Klaviervirtuose Rachmaninow nicht mit einem demütigen Umspülen der Cellomelodien zufrieden gegeben, sondern einen vollgriffigen Part geschrieben, mit dem sich die Pianistin ins beste Licht setzen kann.
MUSIK - Track 14
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Vierter Satz: Allegro mosso (Ausschnitt)
Länge: 2'26
Sie hörten das Finale der Cellosonate, op. 19, von Sergej Rachmaninow, gespielt von dem Cellisten Denis Severin und der Pianistin Tatiana Korsunskaya. Diese Sonate findet sich neben einigen Liedbearbeitungen und der wohl unvermeidlichen Vokalise auf der CD "Romances for Cello and Piano", die bei der Plattenfirma Sony Classical erschienen ist. Mit dieser Empfehlung verabschiedet sich und wünscht einen schönen Sonntag, Uwe Friedrich.
Sergej Rachmaninow: Romances for cello and piano
Denis Severin (Violoncello), Tatiana Korsunskaya (Klavier)
Sony Classical (LC 06868) 88697491312
MUSIK - Track 8
Prélude, aus: Zwei Stücke op. 2
Länge: 3'49
Recht schwermütig kommt diese frühe Komposition Sergej Rachmaninows daher, das Prélude aus den zwei Stücken für Cello und Klavier. Rachmaninow komponierte sie für sein Moskauer Debüt am 30. Januar 1892, das er gemeinsam mit dem Cellisten Anatolij Brandukov gab. Die beiden kannten sich noch aus Studententagen am Moskauer Konservatorium, denn zum Lehrplan für das Musikerdiplom gehörten gemeinsame Konzertauftritte in der Hochschule. Offenbar schätzte Rachmaninow das technische Können und die Musikalität seines Kommilitonen sehr, deshalb hat er ihm die beiden Werke auch gewidmet. In dieser frühen Komposition ist ebenso wie in den Liedbearbeitungen der CD das große Vorbild Peter Tschaikowski noch sehr stark spürbar. Ein mitunter sentimentaler Hang zur großen Geste, eine düster eingetrübte Harmonik mit nicht immer subtilen Wendungen, der Wille zum Effekt. Das gilt auch für Rachmaninows Lieder, die in Russland gerne "Romanzen" genannt wurden. Sieben dieser Lieder haben der Cellist Denis Severin und die Pianistin Tatiana Korsunskaya für ihre CD arrangiert und entgehen damit der Kitschgefahr der Liedtexte, wie hier im Lied "Wie erhaben ist dieser Ort".
MUSIK - Track 4
"Wie erhaben ist dieser Ort", op. 21,7
Länge: 2'06
Ja, das ist Salonmusik, aber Salonmusik von verblüffender Stilsicherheit. Es ist ja auch was dran am Klischee der gelangweilten russischen Oberschicht, die sich in prunkvollen Palästen hinter dicken Vorhängen am Samowar der Melancholie hingab. Doch in diesem Salon haben Denis Severin und Tatiana Korsunskaya gründlich durchgelüftet. Beide haben am Moskauer Tschaikowski-Konservatorium studiert und kennen sich aus in der russischen Kammermusiktradition. Doch glücklicherweise fehlt ihrem Spiel alles dunstig-ungefähre. Wo russische Sänger und zumal Sängerinnen sich gerne vokal mächtig in die Kurve legen, unterspielen die beiden Instrumentalisten Rachmaninows Pathos, ohne es völlig zu verleugnen. Seit vielen Jahren treten die Mittdreißiger gemeinsam auf, sind einander hörbar vertraut und haben eine angenehm entspannte Musizierhaltung entwickelt, in der keiner dem anderen etwas beweisen muss. Auch uns Zuhörer wollen sie nicht mit ausgestellter Virtuosität beeindrucken, sondern höchstens mit der Schönheit der musikalischen Linie, mit ihrem Glauben an Rachmaninows kompositorische Überredungskünste. Das gilt besonders für das Hauptwerk dieser CD, die auf dem Cover verschwiegene Cellosonate:
MUSIK - Track 12
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Zweiter Satz: Allegro Scherzando (Ausschnitt)
Länge: 1'53
Auch die Cellosonate widmete Sergej Rachmaninow seinem Mitstreiter und Freund aus Studententagen, Anatolij Brandukov. Auch dieses Werk hat er mit ihm gemeinsam in Moskau uraufgeführt. Das war am 2. Dezember 1901, nach einer langen und tiefgreifenden Schaffenskrise. Der Misserfolg seiner ersten Symphonie hatte Rachmaninow 1897 in ein tiefes Loch gestürzt, aus dem er sich fast drei Jahre lang nicht befreien konnte. Leo Tolstoi, von dem er sich Ermunterung erhoffte, tätschelte laut Rachmaninows Erinnerungen bloß dessen Knie und fragte ihn, ob irgendjemand solche Musik brauche. Erst mit Hilfe des auf Hypnosetechniken spezialisierten Psychoanalytikers Nikolai Dahl gelang es ihm, durch neue Kompositionen sein Selbstvertrauen wieder zu erlangen. Ihm widmete er dann auch umgehend sein beliebtestes Werk, Rach zwei, das Klavierkonzert, op. 18. Ein weiteres dieser gewissermaßen therapeutischen Werke war die Cellosonate, op. 19. Die stilistische Nähe der beiden Stücke ist unverkennbar. In den drei schnellen Sätzen der Sonate dominieren Rachmaninows neu gewonnenes Gespür für Rhythmen und dynamisches Vorwärtstreiben, doch der langsame Satz mit seinen weit geschwungenen Melodielinien ist auch in der Interpretation von Denis Severin und Tatiana Korsunskaya das eigentliche Kraftzentrum:
MUSIK - Track 13
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Dritter Satz: Andante (Ausschnitt)
Länge: 2'41
Die Cellosonate ist das Zeugnis von Rachmaninows wiederhergestelltem Selbstvertrauen als Komponist. Es zeigt ihn auf der Höhe seiner Kraft und seines musikalischen Einfallsreichtums. In den Krisenjahren zuvor hatte er zwar an mehreren Werken gearbeitet, aber keines zur eigenen Zufriedenheit vollendet. Nun kehrte er glanzvoll zurück ins Musikleben, hatte wieder Erfolg, und zwar nicht nur in Russland sondern in ganz Europa. Durch ausgedehnte Reisen hatte er seinen Horizont erweitert. Jetzt konnte er im letzten Satz seiner Cellosonate russische Volksweisen zitieren, ohne Gefahr zu laufen, in folkloristischem Dekor stecken zu bleiben. Diese Musik ist immer aus dem Gesang entwickelt, spinnt aus dieser Grundlage jedoch endlose Melodien, die an Bellinis Belcantoschwärmereien erinnern. Und so lässt sich das abgegriffene Bild vom "Singen auf dem Cello" kaum vermeiden, wenn es um Denis Severins Spiel geht. Zumal er nicht nur vor sich hin singt, sondern an den richtigen Stellen auch kraftvoll zupackt und seiner Partnerin Tatiana Korsunskaya immer wieder den Vortritt lässt. Schließlich hat sich der Klaviervirtuose Rachmaninow nicht mit einem demütigen Umspülen der Cellomelodien zufrieden gegeben, sondern einen vollgriffigen Part geschrieben, mit dem sich die Pianistin ins beste Licht setzen kann.
MUSIK - Track 14
Sonate für Cello und Klavier, op. 19. Vierter Satz: Allegro mosso (Ausschnitt)
Länge: 2'26
Sie hörten das Finale der Cellosonate, op. 19, von Sergej Rachmaninow, gespielt von dem Cellisten Denis Severin und der Pianistin Tatiana Korsunskaya. Diese Sonate findet sich neben einigen Liedbearbeitungen und der wohl unvermeidlichen Vokalise auf der CD "Romances for Cello and Piano", die bei der Plattenfirma Sony Classical erschienen ist. Mit dieser Empfehlung verabschiedet sich und wünscht einen schönen Sonntag, Uwe Friedrich.
Sergej Rachmaninow: Romances for cello and piano
Denis Severin (Violoncello), Tatiana Korsunskaya (Klavier)
Sony Classical (LC 06868) 88697491312