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Schwerpunkt Globalisierung: Eingeschleppte Arten

Tiere und Pflanzen sterben nicht nur aus, auch neue Arten siedeln sich an: Sei es durch den Klimawandel, den globalen Handel oder weil Tiere bewusst eingeführt wurden, beispielsweise zur Schädlingsbekämpfung. Im Rahmen des europäischen Projektes Daisie (Delivering Alien Invasive Species Inventories in Europe) wurde in Frankreich erstmals eine Inventarliste aller exotischen Pflanzen und Tiere in Europa erstellt.

Von Suzanne Krause | 22.04.2008
    Fast elftausend verschiedene Arten finden sich auf der europäischen Inventarliste, von Säugetieren über Zierpflanzen bis hin zu Muscheln und Meerestieren. Allen gemeinsam ist ihre Herkunft von anderen Kontinenten. Erfasst haben die Forscher alle Tiere und Pflanzen, die seit der Entdeckung Amerikas auf unserem Boden ankamen - also seit dem Auftakt des weltweiten Handels, erläutert Alain Roques. Roques, Wissenschafter am französischen Agrarforschungsinstitut INRA, koordinierte die Studien zu den wirbellosen Landbewohnern, die in unsere Breiten einwanderten: Insekten, Milben, Würmer und andere Weichtiere:

    "Unsere Inventararbeit macht deutlich: Der Einwanderungsprozess exotischer Arten beschleunigt sich. Zwischen 1960 und 1975 kamen jährlich im Schnitt an die neun neue Sorten aus der Gattung der wirbellosen Tiere nach Europa. Seit dem Aufschwung der Globalisierung jedoch waren es zwischen den Jahren 2000 und 2007 durchschnittlich schon 19 neue Sorten. Wir gehen davon aus, dass die Zuwanderungsquote weiterhin rasant nach oben geht, denn es gibt bei uns noch genügend Nischen, in denen sich außereuropäische Insekten ansiedeln können."

    Die Forscher kamen insgesamt 1513 Arten exotischer wirbelloser Landtiere auf die Spur:

    "Die Insekten machen darunter eine sehr große Gruppe aus. Und zumeist wurden diese Insekten unabsichtlich eingeschleppt, etwa beim Import exotischer Zierpflanzen. Zehn Prozent dieser außereuropäischen Insekten wurden absichtlich eingeführt, beispielsweise zur biologischen Schädlingsbekämpfung."

    Die asiatische Tigermücke zum Beispiel kam wohl 1979 als blinder Passagier in Europa, genauer gesagt, in Albanien an. Versteckt in Altreifen aus den Vereinigten Staaten oder auch aus Asien, die in Albanien runderneuert wurden. Absichtlich eingeführt hingegen wurden Marienkäfer aus Asien. Sie sind etwas größer als ihre europäischen Artgenossen und tragen andere Farben, von schwarz bis orange. Und sie gelten mittlerweile vor allem in Frankreich als wahre Plage:

    "Als wir Agrarforscher auch Hobbygärtnern vor einigen Jahren empfahlen, die asiatischen Marienkäfer zu importieren, sahen wir in ihnen nur eine gute biologische Waffe gegen Läuse. Wir schauten zu wenig auf die ökologischen Konsequenzen, nämlich dass die exotischen Tiere die einheimischen Artgenossen verdrängen und damit die Artenvielfalt bei uns gefährden. Zudem fallen die asiatischen Marienkäfer in Scharen über Weinstöcke her und sitzen auf den Trauben. Das schafft Probleme bei der Traubenernte. Vielleicht mag irgendwann jemand mal einen Wein mit der Note Marienkäfer, aber derzeit ist das noch nicht der Fall."

    Deutschland, mit einer Gesamtzahl von 1092 exotischen Arten aus Fauna und vor allem Flora, liegt etwas über dem europäischen Mittel. Die stärkste Invasion verzeichnen Frankreich und Italien - wegen der Vielfalt ihrer Landschaften und der Klimazonen:

    "Wir waren sehr überrascht zu sehen, wie viele Arten aus tropischen und subtropischen Zonen in Europa schon heimisch wurden. Bei den Insekten liegt dieser Anteil bereits bei 38 Prozent. Viele siedeln bislang nur im Mittelmeerraum und dort in tropischen Pflanzen, in Palmen, Eukalyptusbäumen. Aber im vergangenen Jahrzehnt sind dreizehn Insektenarten massiv in Europa eingefallen und greifen von den Kanarischen Inseln bis nach Zypern alle Palmen an. Da handelt es sich um einen Vorboten des Klimawandels."

    Die europäische Inventarliste bietet die Basis, die Invasion der fremden Tiere und Pflanzen besser zu überwachen und die Ausbreitung schädlicher Arten gezielt zu bekämpfen. INRA-Forscher Roques warnt beispielsweise vor der Mode der Bonsai-Bäumchen oder auch der gedrehten Bambuspflänzchen: Mehr als einmal kam aus einer solchen Importpflanze ein riesiges Insekt gekrabbelt.