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Schwerpunkt Stammzellenforschung

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte um den Import embryonaler Stammzellen hat sich die Deutsche Stammzelldebatte auf eben diese ES-Zellen verengt. Etwas aus dem Blick gerät dabei, dass deutsche Forscher auf diesem Feld sehr erfolgreich arbeiten, sowohl mit den Stammzellen des erwachsenen Menschen als auch mit den embryonalen Stammzellen des Modelltieres Maus.

    Die deutsche Stammzellforschung hat ihren Ursprung an einem ungewöhnlichen Ort, im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben bei Magdeburg. Hier züchtet Prof. Anna Wobus schon seit 20 Jahren embryonale Stammzellen der Maus und hier haben auch die meisten ihrer deutschen Kollegen ihr Handwerk gelernt. Die sogenannten ES-Zellen der Maus lassen sich mit Hilfe bestimmter Wachstumsfaktoren beliebig lange in der Zellkultur vermehren. Doch sobald Anna Wobus dieses chemische Signal entfernt, beginnen sie sich ganz spontan zu entwickeln.

    Einer der auffälligsten Zelltypen sind zum Beispiel schlagende Herzmuskelzellen und nach der Entwicklung der Herzzellen sehen wir Skelettmuskelzellen, wir sehen Fettzellen, in einem bestimmten Entwicklungsmuster können wir auch Blutzellen bereits sehen, als rot gefärbte Zelltypen, wir können Nervenzellen , neuronale Zellen identifizieren in der Kultur oder glatte Gefäßmuskelzellen.

    Die große Kunst der Stammzellforscherin besteht darin, die natürlichen Entwicklungstendenzen der ES-Zellen gezielt zu lenken, mit Hilfe eines ganzen Cocktails von Signalmolekülen, die nach einem komplizierten Zeitschema verabreicht werden müssen. In Gatersleben lassen sich inzwischen routiniert fast reine Kulturen von Herzzellen erzeugen, von Nerven und von Inselzellen. Andere Arbeitsgruppen erproben in Mausmodellen, ob sich diese Zellen wirklich für die Behandlung einer Herzschwäche, von Parkinson oder der Zuckerkrankheit eignen.

    Die Ergebnisse von Anna Wobus sind Leitlinien für die Forscher, die in anderen Nationen mit menschlichen embryonalen Stammzellen experimentieren. Sie helfen aber auch den deutschen Wissenschaftlern, die versuchen, die Stammzellen des Erwachsenen fit für die Therapie zu machen. Etwa an der Universität Heidelberg, wo daran gearbeitet wird, leicht gewinnbare Stammzellen aus dem Knochenmark in Nerven zu verwandeln. Nach jedem Experiment transplantiert der Neurologe Dr. Thomas Hartman die umerzogenen Stammzellen in ein fetales Schaf.

    Und zwar ist der Vorteil, dass wir in vitro, also außerhalb des Tieres verschiedene Schritte zwar nachvollziehen können, aber noch nicht die vollständige Umwandlung von der Stammzelle in die Nervenzelle nachvollziehen können. Um das zu erreichen, verwenden wir unterschiedliche Ausgangspopulationen der Zellen und diese können wir dann im Schaf, das von sich aus sämtliche Faktoren mitbringt, dort austesten. Diejenigen, die am Besten funktioniert haben, am Ende die größte Zahl von Nervenzellen erbracht haben, können wir dann in vitro, außerhalb des Tierversuches weiter untersuchen.

    In einigen Jahren soll die Technik so ausgereift sein, dass die Stammzellen aus dem Knochenmark eines Parkinsonpatienten in der Zellkultur in Nerven umgewandelt werden können, die dann sein Leiden lindern. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Dr. Georg Kuhn in seinem Labor an der Universität Regensburg. Er arbeitet mit den erst kürzlich entdeckten Stammzellen des Gehirns.

    Uns wurde immer nur beigebracht, das gibt es gar nicht im adulten Gehirn und das faszinierende eigentlich ist, dass das Dogma verschwunden ist und wir auf einmal über eine Mauer gesprungen sind und völlig neue Möglichkeiten haben in der Neurobiologie, von denen wir wirklich noch vor 5 Jahren gar nicht zu träumen wagten. Wir sehen mehrere 10.000 neue Nervenzellen, die täglich im Gehirn von Nagetieren gebildet werden und wir können auch davon ausgehen, dass diese Rate auch beim Menschen sehr hoch sein wird.

    In Tierversuchen lassen sich die Stammzellen des Gehirns mit Medikamenten dazu anregen, sich weiter zu vermehren und in Nerven zu verwandeln. Vielleicht können sie so in Zukunft einmal von außen dazu angeregt werden, die Schäden nach einem Schlaganfall oder bei der Parkinsonschen Erkrankung zu reparieren. Georg Kuhn glaubt allerdings, wie im übrigen die meisten seiner deutschen Kollegen, dass sich der Fortschritt beschleunigen würde, wenn die Wissenschaftler auch mit den embryonalen Stammzellen des Menschen arbeiten dürften.

    Wir brauchen die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen deshalb weil das Potential der embryonalen Stammzellen höher zu sein scheint als das der adulten Stammzellen wenn sie ursprünglich in die Zellkultur genommen werden. Das heißt, wir können von den embryonalen Stammzellen lernen welche Signale sind notwendig um einen bestimmten Differenzierungsgrad zu erreichen und wenn wir diese Signale bei den embryonalen Stammzellen herausgefunden haben, können wir diese Ergebnisse übertragen auf die adulten und können auch mit relativ großer Sicherheit sagen, dass die da auch erfolgreich sein werden.

    Autor: Volkart Wildermuth