Hohe Mauern und Kilometer von Stacheldraht sind um das Gelände in Pullach einst gezogen worden: die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt, gehen die Agenten hier ihrem Job nach. Am liebsten erledigen sie ihre Arbeit ganz im verborgenen. Schlagzeilen sind ihnen ein Graus.
Doch seit einigen Wochen hat der Bundesnachrichtendienst, kurz BND, mehr von diesen Schlagzeilen, als so ihm lieb ist. Im November kam heraus, dass die Pullacher auch im Inland unbequeme Journalisten bespitzelt haben. Kaum verzogen sich diese Wolken, tauchte schon das nächste Gewitter auf: Zwei deutsche BNDler, die während des Irak-Krieges ihren Dienst in Bagdad versehen haben, sollen Informationen an die Amerikaner weiter gegeben haben – zuviel Informationen, die dazu geführt haben sollen, dass die US-Streitkräfte ihre Ziele in Bagdad ausgewählt haben.
Die Opposition im Deutschen Bundestag, Grüne, FDP und Die Linke, fordert darauf hin einen Untersuchungsausschuss. Die große Regierungskoalition aus SPD und CDU lehnt das ab. Aber alle Stimmen der Oppositionsparteien würden reichen, um den Ausschuss einzusetzen. Doch im letzten Moment entscheiden sich die Bündnisgrünen anders. Sie wollen nur dann auf ein solches Gremium beharren, wenn anders keine gründliche Aufklärung möglich sei. Beantworte die Bundesregierung alle offenen Fragen in dieser neuen Affäre, dann solle auf einen Untersuchungsausschuss verzichtet werden, heißt es von den Grünen. Bis Mitte/Ende Februar müssten die ausführlichen Antworten auf die insgesamt 67 Fragen vorliegen, so die Forderung der Bündnisgrünen.
Eine der Fragen wurde offenbar allerdings schon in dieser Woche beantwortet. Wie das Nachrichtenmagazin der Spiegel berichtete, sollen amerikanische Geheimdienste insgesamt 33 Anfragen an die deutschen BNDler in Bagdad gestellt haben. Doch nur knapp die Hälfte der Auskunftsersuchen hätten die Pullacher beantwortet, bei den übrigen Fragen verweigerten sie sich, weil sie offensichtlich der Kriegsführung gedient hätten.
Steinmeier:
"Meine Damen und Herren, an dieser Wahrheit, an diesen Wahrheiten würde auch ein von der Opposition angestrebter Untersuchungsausschuss nichts ändern.. "
Wahrheit oder Wahrheiten? Außenminister Frank Walter Steinmeier bringt unbewusst auf den Punkt, wo das Problem liegt. In der Welt der Nachrichtendienste ist der Begriff der "Wahrheit" eine sehr relative Sache. Einerseits. Andererseits ist per Gesetz und durch politische Vorgaben deutlich geregelt, was erlaubt und was erwünscht ist.
Schmidt-Eenboom:
"Ich war Verteidiger des BND in dieser vermeintlichen Affäre, weil ich gesagt habe, zwei Agenten da, das ist Business as usally, das ist vernünftig, Nachrichtendienstaustausch auch mit den Amerikanern auch unter den Bedingungen der politischen Eiszeit ist nachvollziehbar und jene Vorwürfe.. aus dem Hamburger Fernsehmagazin Panorama, dass die beiden BND-Offiziere quasi als Feuerleitoffiziere direkt für einen Bombenangriff im Stadteil Manusur auf Hussein verantwortlich sein, die habe ich von der ersten Minute an in das Reich der Fabel verwiesen …"
Sagt der Publizist Erich Schmidt-Eenboom. Er gilt als ein kritischer Geheimdienstexperte und wurde über Jahre vom Bundesnachrichtendienst beobachtet. Dennoch ergreift er für die Agenten in der Irak-Affäre Partei. Es sei schlicht unrealistisch, meint er, dass die Pullacher entgegen politischer Weisung an andere Dienste Informationen weiter geben. Eine Weisung, an der Außenminister Frank-Walter Steinmeier keinen Zweifel lässt:
Steinmeier:
"Wir haben klargestellt: Es gab im Dienst eine klare und eindeutige Weisungs- und Auftragslage: Kein Unterstützung für operative Kampfhandlungen zu leisten."
Doch so eindeutig diese Anweisung auch war, es gäbe dennoch Ungereimtheiten, meint Erich Schmdit-Eenboom:
Schmdit-Eenboom:
"Es geht in erster Linie um einen formalen und formalisierten Austausch), und zuwenig diskutiert ist bisher die Tatsache, dass die BND-Mitarbeiter natürlich zu den Nachrichtendiensten von Saddam Hussein weiter intensiven Kontakt gepflegt haben. Der BND ist seit den 80ger Jahren in Bagdad mit Residenten präsent und sie haben zu Saddams furchtbaren Geheimdiensten enge Partnerbeziehungen unterhalten und die BND-Mitarbeiter konnten sich in Bagdad unter den Bedingungen des Krieges auch nur so sicher bewegen, weil sie weiter unter dem Cover des irakischen Nachrichtendienstes standen."
Und es ist nicht das erste Regime zu dem deutsche Geheimdienstler Kontakt gehalten haben, obwohl es auf politischer Ebene keinerlei offizielle Gespräche gab. Auch mit dem afrikanischen Appartheits-Regime habe es nachrichtendienstliche Kontakte gegeben, obwohl auf politischer Ebene Funkstille geherrscht habe, so Schmidt- Eenboom. Das sei auch völlig unabhängig davon, welche Bundesregierung an der Macht wäre. Das Gros der Nachrichtenaufklärung laufe aber über mehr oder minder "offene" Quellen, sagt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenbbom.
Schmidt-Eenbbom
"Vorausschicken muss man, dass der BND 90% seines Meldeaufkommens im Inland gewinnt, einmal aus der Aufwertung offener Quellen, aus der fernmeldeelektronischen Aufklärung, oder aus Quellen hier bei uns. Von der Qualität her gewichtiger sind die im Ausland gesammelten Erkenntnisse und dazu hat der BND mittlerweile in knapp 100 Staaten der Erde eine so genannte Residentur, d.h. seine Mitarbeiter sind in die Botschaften als 1. Sekretär, Militärattache oder Kanzler eingebaut und deren Hauptaufgabe liegt darin Kontakte zu den Nachrichtendiensten des Gastlandes aufrecht zu erhalten, mit denen intensiv Informationen auszutauschen."
Neben diesen offiziellen BND-Mitarbeitern gibt es die Agenten, wobei nicht unbedingt jedem Agenten bewusst ist, dass er als solcher beim BND in den Akten auftaucht…..
Schmidt-Eenbbom
"Also, ich gehe mal davon aus, dass über den Daumen (gepeilt) der BND etwa 10.000 Quellen weltweit hat, Agenten die er führt. Davon ist der allergrößte Teil nicht so wichtig, sitzt in irgendwelchen Wirtschaftsunternehmen, sind Reisejournalisten, Geologen, Archäologen, aber er hat einen kleinen Kernbestand von Geheimnisträgern fremder Staaten, das mögen weltweit nicht mehr als 100 sein, aber diese 100 sind eigentlich die Goldkörner im ganzen nachrichtendienstlichen Geschäft."
So wichtig diese "Goldkörner" auch sein mögen, im Tagesgeschäft müssen sich die Pullacher mit anderen Informationsquellen zufrieden geben:
Osthoff:
"Ich weiß genau, wann ich die Leute zum ersten Mal traf, die haben sich mir natürlich nicht als BND-Mitarbeiter vorgestellt, sondern als Diplomaten natürlich, ich habe mich dann beim Botschafter persönlich erkundigt, wer diese Leute überhaupt sind, denn die hatten mich privat mal besucht, also, wenn sie am Flughafen jemanden kennen lernen, da gibt es nicht mehr viele Deutsche, das ist völlig normal das man dann mit den spricht, denn jeder lebt ja unter Bomben, das ist doch ganz klar."
Erinnert sich Susanne Osthoff in der TVSchau "Beckmann". Die Archäologin war im November im Irak entführt worden. Nach ihrer Freilassung irritierte sie nicht nur Sicherheitsexperten mit ihrer Auskunftsfreude: Durch sie wurde publik, dass ganz offenbar von deutscher Seite aus Geld für ihre Freilassung gezahlt worden war. Schließlich sickerte noch die Nachricht durch, dass in Susanne Osthoffs Gepäck Geld war: registrierte Scheine aus dem Lösegeld.
Diese Neuigkeit hatte gleich mehrere Auswirkungen. Eine davon war, dass die einstige Geisel Osthoff unter Tatverdacht geriet, ihre Entführung inszeniert zu haben oder wenigstens daran beteiligt gewesen zu sein. Doch das – da sind sich die Experten einig- gilt als sehr unwahrscheinlich.
Schmidt-Eenbbom
"Aber die Summe, die im Gespräch ist, 3000 Dollar, ist mir zu niedrig um sie im Verdacht zu haben, sie könnte selbst an ihrer Entführung mitgewirkt haben."
Gravierender als dieser Verdacht sind hingegen die Auswirkungen auf den BND selbst. Denn aus der Pullacher Sicht muss die Schlagzeile, dass Deutschland Lösegeld gezahlt hat, ein Mega-Gau sein. Interviews möchten die Geheimdienstler im Moment allerdings nicht geben, erklärt deren Pressesprecher auf Nachfrage. Der gerade erst vor wenigen Tagen neu eingeführte Präsident des Amtes, Ernst Uhrlau, habe zur Zeit zu viele andere Verpflichtungen. Kein Wunder, sind doch in der vergangenen Woche wieder zwei Deutsche im Irak entführt worden. Und der ein oder andere vermutet, dass das auch damit zusammenhängen könnte, das Deutschland offenbar direkt Lösegeld an die Osthoff-Entführer gezahlt hat.
Maxim Worcester:
"Man muss sich dann immer wieder die Frage stellen, haben die denn genug für ihren eigenen Schutz getan, bzw. hat man genug Schutz angeboten für diese Leute, die in den Irak gefahren sind."
Maxim Worcester ist ein Spezialist für solche Fälle. Allerdings arbeitet er nicht für einen Geheimdienst, sondern für ein privates Sicherheitsunternehmen. Control Risks ist einer der größten Anbieter weltweit, für den Sicherheit ein lohnendes Geschäft ist. Seit 30 Jahren bietet die Firma ihre Dienste an. Mit 1.500 Entführungsfällen waren die Profis bisher im Kundenauftrag befasst. Jetzt ist das Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern im Irak vertreten.
Maxim Worcester:
""Wir haben den Auftrag vor Ort für verschiedene Diplomaten und ihre Angehörige und ihre Besucher im Irak zu sorgen."
Und ganz offenbar sind es nicht nur private Wirtschaftsunternehmen, die sich auf die Hilfe der privaten Experten verlassen:
Maxim Worcester:
"(Dies passierte vor zwei Jahren) als eine Regierung an uns heran trat, nicht nur an uns sondern auch an verschiedene andere Unternehmen, aber auch staatliche Stellen und um ein Konzept gebeten hat, für die Gewährleistung der Sicherheit im Irak, kurz nachdem der Krieg zu Ende war, wir haben seinerzeit diese Ausschreibung gewonnen. "
Die Arbeitsweise eines privaten Sicherheitsunternehmens und die eines Geheimdienstes ist auf den ersten Blick nicht unbedingt gleichzusetzen. Theoretisch. In der Praxis gibt es allerdings durchaus Gemeinsamkeiten.
Maxim Worcester:
""Etwa 80 wenn nicht gar 90 Prozent unserer Tätigkeit besteht darin Informationen zu sammeln über die Situation vor Ort, in Real Time, die Informationen zu analysieren und Schlüsse dann aus dieser Analyse dann zu ziehen."
Auch der Bundesnachrichtendienst sammelt in erster Linie Informationen und nimmt die Lage genau unter die Lupe. Das gilt auch für Geiselnahmen, wie jetzt die von den beiden deutschen Ingenieuren. Sie sind im Auftrag eines sächsischen Unternehmens in den Irak gereist. Zum zweiten Mal. Welche Schutzmaßnahmen die beiden hatten, darüber schweigt sich die deutsche Firma aus. Doch all zu gut waren die Männer wohl nicht vorbereitet. Sie sollten ursprünglich auf dem Gelände einer Raffinerie schlafen. Ein eigentlich - wie es aus Sicherheitskreisen heißt – gut abgesicherter Ort. Doch dann wurde umdisponiert- die Ingenieure verbrachten die Nacht in einem Gästehaus einer ehemaligen Kaserne. Warum sie dort schliefen, statt wie geplant in der Raffiniere, liegt noch im Dunklen.
Denn auch wenn es sich vermeintlich sicher anhört, in einer ehemaligen Kaserne der irakischen Streitkräfte ist es für Ausländer nicht unbedingt sicher. Im Gegenteil. Jede Nähe zur irakischen Armee ist zur Zeit noch eher ein Sicherheitsrisiko: Zu groß ist noch die Korruption in der Armee, groß auch die Sympathien für die Aufständischen, zu instabil der gesamte irakische Staatsapparat. Vielleicht, so die Vermutungen - sind die beiden sächsischen Ingenieure verraten und von den Entführern als einfaches und lohnendes Ziel erkannt worden.
Während die Angehörigen der beiden Männer nun hoffen und bangen, setzt die Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, damit auch diese Entführung ein glückliches Ende nimmt. Ganz vorne mit dabei ist natürlich der Bundesnachrichtendienst. Seine Mitarbeiter werden - wie bei vorherigen Entführungen – die Situation ausloten, analysieren und ihre Bewertung an den Berliner Krisenstab weitergeben. Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom.
Schmidt-Eenboom:
"Das gehört zu den Kernaufgaben des BND, weil es ja zuerst einmal erforderlich ist auf dunklen Wegen Verbindung herzustellen zu den Entführern, insbesondere dann, wenn es sich um politisch motivierte Gruppierungen handelt und das kann das Auswärtige Amt nicht leisten, dazu ist nur der BND in der Lage und auch die konspirativen Geldübergaben erfordern nachrichtendienstliches Handwerkswissen, insofern finde ich auch nichts verwerfliches daran, wenn der BND diese Aufgabe wahrnimmt."
In der Regel werden in solchen Situationen – nachdem der BND die Lage analysiert hat – Unterhändler eingeschaltet. Oft sind das Personen, denen sowohl der betroffene Staat als auch die Entführer ein gewissen Vertrauen entgegen bringen: ein Mitarbeiter einer humanitären Organisation, der Dorfpfarrer oder ein Politiker könnte das sein. Wie beispielsweise im Fall der entführten Deutschen im Jahr 2000. Damals waren die Touristen auf den Philippinen gekidnappt worden, darunter auch die Familie Wallert. Als strahlender Vermittler präsentierte sich nach dem Ende der Entführung Lybiens Staatschef Ghaddafi.
Ganz ähnlich gehen private Sicherheitsdienste vor, wenn es zum Fall der Fälle kommt. Maxim Worcester von Control Risks:
Maxim Worcester:
"Ich möchte nicht im Einzelnen darüber sprechen, was wir da genau machen, außer, dass wir nicht verhandeln, sondern nur beratend zur Stelle stehen und dass wir die notwendigen Kräfte einbinden in diese Verhandlungen und den Kunden beraten, mit wem er verhandeln sollte."
Eines ist auf jeden Fall gewiss: In solch einer Situation gehören die Kräfte gebündelt - aller Sicherheitsdienste. Doch das ist schon eine große Herausforderung. Wenn ein Deutscher im Irak entführt wird, treten nicht nur der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt, die Regierung, das Auswärtige Amt, daneben vielleicht auch der Militärische Abschirmdienst auf den Plan, sondern natürlich ebenso die lokalen Sicherheitsdienste. Und die Sicherheitsdienste von befreundeten Ländern. Sowie – falls beauftragt- natürlich auch die privaten Unternehmen wie Control Risks.
Maxim Worcester:
"Genauso ist es, man kennt sich, man schätzt sich, man arbeitet zusammen, nicht immer muss man dazu sagen, manchmal ist es auch recht schwierig, aber dazu sind wir ja da, um das zu koordinieren. Und um das bestmögliche Ergebnisse zu er zielen, das ist ja auch im Sinne aller."
Tatsächlich hält sich in der Regel aber die Begeisterung der staatlichen Dienste in Grenzen, wenn ein privates Unternehmen im Ausland koordinieren möchte. Eine Handhabe dagegen gibt es freilich nicht. Aber haben deutsche Behörden in solch einer Situation, wie bei der Entführung von Deutschen im Irak, nicht besondere Eingriffsmöglichkeiten? Maxim Worcester schüttelt den Kopf:
Maxim Worcester:
"Die Frage stellt sich ja gar nicht, wir sind ja im Ausland, das sind da ja auch Gäste."
Kurzum: Alle Beteiligten müssen sich in einer solchen Notlage zusammenraufen. In der Regel funktioniert das, wenn vielleicht auch nicht immer reibungslos.Ohnehin verbindet die Arbeit in einem Kriegs- oder Krisengebiet. Die meisten Ausländer in Bagdad werden sich kennen, allzu viele gibt es dort ohnehin nicht von ihnen. Und wer in den besonders gefährlichen Norden des Iraks reist, wie die beiden deutschen Ingenieure, dürfte über jeden Kontakt zu einem Landsmann froh sein.
Diese Ausnahmesituation schweißt zusammen. Vielleicht befördert das auch den Austausch von Informationen zwischen Diensten, einen informellen Austausch? Doch das ist – wenn gleich nicht von der Hand zu weisen- im vorliegenden Fall reine Spekulation.
Bisher sieht es nicht so aus, als ob deutsche BND-Agenten den amerikanischen Streitkräften Daten gegeben haben, damit die USA Ziele im Irak bombardieren können. Und während die Einen nun vehement einen Untersuchungsausschuss fordern, winken die Anderen ab. Solch ein Ausschuss würde die deutschen Sicherheitsdienste ins Abseits stellen. Denn dann könnten ja Details ans Tageslicht kommen, die vielleicht andere Geheimdienste nicht veröffentlicht sehen möchten.
Dieses Argument taucht einerseits mit schöner Regelmäßigkeit immer dann auf, wenn das Interesse der Öffentlichkeit aus Sicht der Agenten wieder einmal zu groß ist. Andererseits: Kein Dienst verzichtet ohne Not auf gute Quellen. Selbst dann nicht, wenn die politischen Zeichen in eine andere Richtung zeigen. Ein Umstand, der den Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Enboom nicht überraschen kann:
Schmidt-Enboom:
"Mir war von vorneherein klar, dass selbst in Zeiten einer politischen Einzeit zwischen Washington und Berlin der nachrichtendienstliche Austausch, einerseits mit der CIA und andererseits mit der Defense Intelligence Agency ohne Einschränkung weiter läuft, mir war auch klar, dass nach den schlechten Erfahrungen der Bundesregierung nach dem vorherigen Irak-Krieges oder auch auf dem Balkan, weil unzutreffenden Informationen von Partnerdiensten eintrafen, ein hohes Bedürfnis bestand, da mit eigenen Leuten präsent zu sein."
Steinmeier:
"Meine Damen und Herren, es wird unabhängig vom Ausgang dieser Debatte heute so sein, um politische Entscheidungen sachgerecht zu füllen, um Spielräume zu erkennen, um Optionen überhaupt abwägen zu können in der Außen- und Sicherheitspolitik werden wir auch künftig auf erstklassige Informationen und möglichst aus eigenen Quellen angewiesen sein."
Sagte kürzlich Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Kooperation muss sein und ist unabdingbar, weiß auch Maxim Worcester vom privaten Sicherheitsunternehmen Control Risks:
Maxim Worcester:
"Ja, wir kooperieren, wir sind zwar Konkurrenten aber wir kooperieren sehr eng mit den guten Firmen die unten zu Gange sind, als auch mit der Regierung und den verschiedenen Armeen die unten zu Gange sind, mit der Polizei, mit allen Sicherheitskräften die vor Ort sind."
Unabhängig davon, wie die Zusammenarbeit zwischen den Diensten geregelt ist, es wird immer eine Gratwanderung bleiben: Das rege Interesse der einen Seite contra den gesetzlichen Vorgaben und Wünschen der anderen Seite. In einem sind sich alle Experten jedoch einig, Außenminister Frank-Walter Steinmeier:
Steinmeier:
""Wir brauchen die Zusammenarbeit der Dienste, ohne die es nicht gelungen wäre, das haben sie doch alle in der Erinnerung, Anschlagsplanungen auch in Europa, möglicherweise auch von Deutschland ausgehend, zu vereiteln."
Doch seit einigen Wochen hat der Bundesnachrichtendienst, kurz BND, mehr von diesen Schlagzeilen, als so ihm lieb ist. Im November kam heraus, dass die Pullacher auch im Inland unbequeme Journalisten bespitzelt haben. Kaum verzogen sich diese Wolken, tauchte schon das nächste Gewitter auf: Zwei deutsche BNDler, die während des Irak-Krieges ihren Dienst in Bagdad versehen haben, sollen Informationen an die Amerikaner weiter gegeben haben – zuviel Informationen, die dazu geführt haben sollen, dass die US-Streitkräfte ihre Ziele in Bagdad ausgewählt haben.
Die Opposition im Deutschen Bundestag, Grüne, FDP und Die Linke, fordert darauf hin einen Untersuchungsausschuss. Die große Regierungskoalition aus SPD und CDU lehnt das ab. Aber alle Stimmen der Oppositionsparteien würden reichen, um den Ausschuss einzusetzen. Doch im letzten Moment entscheiden sich die Bündnisgrünen anders. Sie wollen nur dann auf ein solches Gremium beharren, wenn anders keine gründliche Aufklärung möglich sei. Beantworte die Bundesregierung alle offenen Fragen in dieser neuen Affäre, dann solle auf einen Untersuchungsausschuss verzichtet werden, heißt es von den Grünen. Bis Mitte/Ende Februar müssten die ausführlichen Antworten auf die insgesamt 67 Fragen vorliegen, so die Forderung der Bündnisgrünen.
Eine der Fragen wurde offenbar allerdings schon in dieser Woche beantwortet. Wie das Nachrichtenmagazin der Spiegel berichtete, sollen amerikanische Geheimdienste insgesamt 33 Anfragen an die deutschen BNDler in Bagdad gestellt haben. Doch nur knapp die Hälfte der Auskunftsersuchen hätten die Pullacher beantwortet, bei den übrigen Fragen verweigerten sie sich, weil sie offensichtlich der Kriegsführung gedient hätten.
Steinmeier:
"Meine Damen und Herren, an dieser Wahrheit, an diesen Wahrheiten würde auch ein von der Opposition angestrebter Untersuchungsausschuss nichts ändern.. "
Wahrheit oder Wahrheiten? Außenminister Frank Walter Steinmeier bringt unbewusst auf den Punkt, wo das Problem liegt. In der Welt der Nachrichtendienste ist der Begriff der "Wahrheit" eine sehr relative Sache. Einerseits. Andererseits ist per Gesetz und durch politische Vorgaben deutlich geregelt, was erlaubt und was erwünscht ist.
Schmidt-Eenboom:
"Ich war Verteidiger des BND in dieser vermeintlichen Affäre, weil ich gesagt habe, zwei Agenten da, das ist Business as usally, das ist vernünftig, Nachrichtendienstaustausch auch mit den Amerikanern auch unter den Bedingungen der politischen Eiszeit ist nachvollziehbar und jene Vorwürfe.. aus dem Hamburger Fernsehmagazin Panorama, dass die beiden BND-Offiziere quasi als Feuerleitoffiziere direkt für einen Bombenangriff im Stadteil Manusur auf Hussein verantwortlich sein, die habe ich von der ersten Minute an in das Reich der Fabel verwiesen …"
Sagt der Publizist Erich Schmidt-Eenboom. Er gilt als ein kritischer Geheimdienstexperte und wurde über Jahre vom Bundesnachrichtendienst beobachtet. Dennoch ergreift er für die Agenten in der Irak-Affäre Partei. Es sei schlicht unrealistisch, meint er, dass die Pullacher entgegen politischer Weisung an andere Dienste Informationen weiter geben. Eine Weisung, an der Außenminister Frank-Walter Steinmeier keinen Zweifel lässt:
Steinmeier:
"Wir haben klargestellt: Es gab im Dienst eine klare und eindeutige Weisungs- und Auftragslage: Kein Unterstützung für operative Kampfhandlungen zu leisten."
Doch so eindeutig diese Anweisung auch war, es gäbe dennoch Ungereimtheiten, meint Erich Schmdit-Eenboom:
Schmdit-Eenboom:
"Es geht in erster Linie um einen formalen und formalisierten Austausch), und zuwenig diskutiert ist bisher die Tatsache, dass die BND-Mitarbeiter natürlich zu den Nachrichtendiensten von Saddam Hussein weiter intensiven Kontakt gepflegt haben. Der BND ist seit den 80ger Jahren in Bagdad mit Residenten präsent und sie haben zu Saddams furchtbaren Geheimdiensten enge Partnerbeziehungen unterhalten und die BND-Mitarbeiter konnten sich in Bagdad unter den Bedingungen des Krieges auch nur so sicher bewegen, weil sie weiter unter dem Cover des irakischen Nachrichtendienstes standen."
Und es ist nicht das erste Regime zu dem deutsche Geheimdienstler Kontakt gehalten haben, obwohl es auf politischer Ebene keinerlei offizielle Gespräche gab. Auch mit dem afrikanischen Appartheits-Regime habe es nachrichtendienstliche Kontakte gegeben, obwohl auf politischer Ebene Funkstille geherrscht habe, so Schmidt- Eenboom. Das sei auch völlig unabhängig davon, welche Bundesregierung an der Macht wäre. Das Gros der Nachrichtenaufklärung laufe aber über mehr oder minder "offene" Quellen, sagt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenbbom.
Schmidt-Eenbbom
"Vorausschicken muss man, dass der BND 90% seines Meldeaufkommens im Inland gewinnt, einmal aus der Aufwertung offener Quellen, aus der fernmeldeelektronischen Aufklärung, oder aus Quellen hier bei uns. Von der Qualität her gewichtiger sind die im Ausland gesammelten Erkenntnisse und dazu hat der BND mittlerweile in knapp 100 Staaten der Erde eine so genannte Residentur, d.h. seine Mitarbeiter sind in die Botschaften als 1. Sekretär, Militärattache oder Kanzler eingebaut und deren Hauptaufgabe liegt darin Kontakte zu den Nachrichtendiensten des Gastlandes aufrecht zu erhalten, mit denen intensiv Informationen auszutauschen."
Neben diesen offiziellen BND-Mitarbeitern gibt es die Agenten, wobei nicht unbedingt jedem Agenten bewusst ist, dass er als solcher beim BND in den Akten auftaucht…..
Schmidt-Eenbbom
"Also, ich gehe mal davon aus, dass über den Daumen (gepeilt) der BND etwa 10.000 Quellen weltweit hat, Agenten die er führt. Davon ist der allergrößte Teil nicht so wichtig, sitzt in irgendwelchen Wirtschaftsunternehmen, sind Reisejournalisten, Geologen, Archäologen, aber er hat einen kleinen Kernbestand von Geheimnisträgern fremder Staaten, das mögen weltweit nicht mehr als 100 sein, aber diese 100 sind eigentlich die Goldkörner im ganzen nachrichtendienstlichen Geschäft."
So wichtig diese "Goldkörner" auch sein mögen, im Tagesgeschäft müssen sich die Pullacher mit anderen Informationsquellen zufrieden geben:
Osthoff:
"Ich weiß genau, wann ich die Leute zum ersten Mal traf, die haben sich mir natürlich nicht als BND-Mitarbeiter vorgestellt, sondern als Diplomaten natürlich, ich habe mich dann beim Botschafter persönlich erkundigt, wer diese Leute überhaupt sind, denn die hatten mich privat mal besucht, also, wenn sie am Flughafen jemanden kennen lernen, da gibt es nicht mehr viele Deutsche, das ist völlig normal das man dann mit den spricht, denn jeder lebt ja unter Bomben, das ist doch ganz klar."
Erinnert sich Susanne Osthoff in der TVSchau "Beckmann". Die Archäologin war im November im Irak entführt worden. Nach ihrer Freilassung irritierte sie nicht nur Sicherheitsexperten mit ihrer Auskunftsfreude: Durch sie wurde publik, dass ganz offenbar von deutscher Seite aus Geld für ihre Freilassung gezahlt worden war. Schließlich sickerte noch die Nachricht durch, dass in Susanne Osthoffs Gepäck Geld war: registrierte Scheine aus dem Lösegeld.
Diese Neuigkeit hatte gleich mehrere Auswirkungen. Eine davon war, dass die einstige Geisel Osthoff unter Tatverdacht geriet, ihre Entführung inszeniert zu haben oder wenigstens daran beteiligt gewesen zu sein. Doch das – da sind sich die Experten einig- gilt als sehr unwahrscheinlich.
Schmidt-Eenbbom
"Aber die Summe, die im Gespräch ist, 3000 Dollar, ist mir zu niedrig um sie im Verdacht zu haben, sie könnte selbst an ihrer Entführung mitgewirkt haben."
Gravierender als dieser Verdacht sind hingegen die Auswirkungen auf den BND selbst. Denn aus der Pullacher Sicht muss die Schlagzeile, dass Deutschland Lösegeld gezahlt hat, ein Mega-Gau sein. Interviews möchten die Geheimdienstler im Moment allerdings nicht geben, erklärt deren Pressesprecher auf Nachfrage. Der gerade erst vor wenigen Tagen neu eingeführte Präsident des Amtes, Ernst Uhrlau, habe zur Zeit zu viele andere Verpflichtungen. Kein Wunder, sind doch in der vergangenen Woche wieder zwei Deutsche im Irak entführt worden. Und der ein oder andere vermutet, dass das auch damit zusammenhängen könnte, das Deutschland offenbar direkt Lösegeld an die Osthoff-Entführer gezahlt hat.
Maxim Worcester:
"Man muss sich dann immer wieder die Frage stellen, haben die denn genug für ihren eigenen Schutz getan, bzw. hat man genug Schutz angeboten für diese Leute, die in den Irak gefahren sind."
Maxim Worcester ist ein Spezialist für solche Fälle. Allerdings arbeitet er nicht für einen Geheimdienst, sondern für ein privates Sicherheitsunternehmen. Control Risks ist einer der größten Anbieter weltweit, für den Sicherheit ein lohnendes Geschäft ist. Seit 30 Jahren bietet die Firma ihre Dienste an. Mit 1.500 Entführungsfällen waren die Profis bisher im Kundenauftrag befasst. Jetzt ist das Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern im Irak vertreten.
Maxim Worcester:
""Wir haben den Auftrag vor Ort für verschiedene Diplomaten und ihre Angehörige und ihre Besucher im Irak zu sorgen."
Und ganz offenbar sind es nicht nur private Wirtschaftsunternehmen, die sich auf die Hilfe der privaten Experten verlassen:
Maxim Worcester:
"(Dies passierte vor zwei Jahren) als eine Regierung an uns heran trat, nicht nur an uns sondern auch an verschiedene andere Unternehmen, aber auch staatliche Stellen und um ein Konzept gebeten hat, für die Gewährleistung der Sicherheit im Irak, kurz nachdem der Krieg zu Ende war, wir haben seinerzeit diese Ausschreibung gewonnen. "
Die Arbeitsweise eines privaten Sicherheitsunternehmens und die eines Geheimdienstes ist auf den ersten Blick nicht unbedingt gleichzusetzen. Theoretisch. In der Praxis gibt es allerdings durchaus Gemeinsamkeiten.
Maxim Worcester:
""Etwa 80 wenn nicht gar 90 Prozent unserer Tätigkeit besteht darin Informationen zu sammeln über die Situation vor Ort, in Real Time, die Informationen zu analysieren und Schlüsse dann aus dieser Analyse dann zu ziehen."
Auch der Bundesnachrichtendienst sammelt in erster Linie Informationen und nimmt die Lage genau unter die Lupe. Das gilt auch für Geiselnahmen, wie jetzt die von den beiden deutschen Ingenieuren. Sie sind im Auftrag eines sächsischen Unternehmens in den Irak gereist. Zum zweiten Mal. Welche Schutzmaßnahmen die beiden hatten, darüber schweigt sich die deutsche Firma aus. Doch all zu gut waren die Männer wohl nicht vorbereitet. Sie sollten ursprünglich auf dem Gelände einer Raffinerie schlafen. Ein eigentlich - wie es aus Sicherheitskreisen heißt – gut abgesicherter Ort. Doch dann wurde umdisponiert- die Ingenieure verbrachten die Nacht in einem Gästehaus einer ehemaligen Kaserne. Warum sie dort schliefen, statt wie geplant in der Raffiniere, liegt noch im Dunklen.
Denn auch wenn es sich vermeintlich sicher anhört, in einer ehemaligen Kaserne der irakischen Streitkräfte ist es für Ausländer nicht unbedingt sicher. Im Gegenteil. Jede Nähe zur irakischen Armee ist zur Zeit noch eher ein Sicherheitsrisiko: Zu groß ist noch die Korruption in der Armee, groß auch die Sympathien für die Aufständischen, zu instabil der gesamte irakische Staatsapparat. Vielleicht, so die Vermutungen - sind die beiden sächsischen Ingenieure verraten und von den Entführern als einfaches und lohnendes Ziel erkannt worden.
Während die Angehörigen der beiden Männer nun hoffen und bangen, setzt die Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, damit auch diese Entführung ein glückliches Ende nimmt. Ganz vorne mit dabei ist natürlich der Bundesnachrichtendienst. Seine Mitarbeiter werden - wie bei vorherigen Entführungen – die Situation ausloten, analysieren und ihre Bewertung an den Berliner Krisenstab weitergeben. Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom.
Schmidt-Eenboom:
"Das gehört zu den Kernaufgaben des BND, weil es ja zuerst einmal erforderlich ist auf dunklen Wegen Verbindung herzustellen zu den Entführern, insbesondere dann, wenn es sich um politisch motivierte Gruppierungen handelt und das kann das Auswärtige Amt nicht leisten, dazu ist nur der BND in der Lage und auch die konspirativen Geldübergaben erfordern nachrichtendienstliches Handwerkswissen, insofern finde ich auch nichts verwerfliches daran, wenn der BND diese Aufgabe wahrnimmt."
In der Regel werden in solchen Situationen – nachdem der BND die Lage analysiert hat – Unterhändler eingeschaltet. Oft sind das Personen, denen sowohl der betroffene Staat als auch die Entführer ein gewissen Vertrauen entgegen bringen: ein Mitarbeiter einer humanitären Organisation, der Dorfpfarrer oder ein Politiker könnte das sein. Wie beispielsweise im Fall der entführten Deutschen im Jahr 2000. Damals waren die Touristen auf den Philippinen gekidnappt worden, darunter auch die Familie Wallert. Als strahlender Vermittler präsentierte sich nach dem Ende der Entführung Lybiens Staatschef Ghaddafi.
Ganz ähnlich gehen private Sicherheitsdienste vor, wenn es zum Fall der Fälle kommt. Maxim Worcester von Control Risks:
Maxim Worcester:
"Ich möchte nicht im Einzelnen darüber sprechen, was wir da genau machen, außer, dass wir nicht verhandeln, sondern nur beratend zur Stelle stehen und dass wir die notwendigen Kräfte einbinden in diese Verhandlungen und den Kunden beraten, mit wem er verhandeln sollte."
Eines ist auf jeden Fall gewiss: In solch einer Situation gehören die Kräfte gebündelt - aller Sicherheitsdienste. Doch das ist schon eine große Herausforderung. Wenn ein Deutscher im Irak entführt wird, treten nicht nur der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt, die Regierung, das Auswärtige Amt, daneben vielleicht auch der Militärische Abschirmdienst auf den Plan, sondern natürlich ebenso die lokalen Sicherheitsdienste. Und die Sicherheitsdienste von befreundeten Ländern. Sowie – falls beauftragt- natürlich auch die privaten Unternehmen wie Control Risks.
Maxim Worcester:
"Genauso ist es, man kennt sich, man schätzt sich, man arbeitet zusammen, nicht immer muss man dazu sagen, manchmal ist es auch recht schwierig, aber dazu sind wir ja da, um das zu koordinieren. Und um das bestmögliche Ergebnisse zu er zielen, das ist ja auch im Sinne aller."
Tatsächlich hält sich in der Regel aber die Begeisterung der staatlichen Dienste in Grenzen, wenn ein privates Unternehmen im Ausland koordinieren möchte. Eine Handhabe dagegen gibt es freilich nicht. Aber haben deutsche Behörden in solch einer Situation, wie bei der Entführung von Deutschen im Irak, nicht besondere Eingriffsmöglichkeiten? Maxim Worcester schüttelt den Kopf:
Maxim Worcester:
"Die Frage stellt sich ja gar nicht, wir sind ja im Ausland, das sind da ja auch Gäste."
Kurzum: Alle Beteiligten müssen sich in einer solchen Notlage zusammenraufen. In der Regel funktioniert das, wenn vielleicht auch nicht immer reibungslos.Ohnehin verbindet die Arbeit in einem Kriegs- oder Krisengebiet. Die meisten Ausländer in Bagdad werden sich kennen, allzu viele gibt es dort ohnehin nicht von ihnen. Und wer in den besonders gefährlichen Norden des Iraks reist, wie die beiden deutschen Ingenieure, dürfte über jeden Kontakt zu einem Landsmann froh sein.
Diese Ausnahmesituation schweißt zusammen. Vielleicht befördert das auch den Austausch von Informationen zwischen Diensten, einen informellen Austausch? Doch das ist – wenn gleich nicht von der Hand zu weisen- im vorliegenden Fall reine Spekulation.
Bisher sieht es nicht so aus, als ob deutsche BND-Agenten den amerikanischen Streitkräften Daten gegeben haben, damit die USA Ziele im Irak bombardieren können. Und während die Einen nun vehement einen Untersuchungsausschuss fordern, winken die Anderen ab. Solch ein Ausschuss würde die deutschen Sicherheitsdienste ins Abseits stellen. Denn dann könnten ja Details ans Tageslicht kommen, die vielleicht andere Geheimdienste nicht veröffentlicht sehen möchten.
Dieses Argument taucht einerseits mit schöner Regelmäßigkeit immer dann auf, wenn das Interesse der Öffentlichkeit aus Sicht der Agenten wieder einmal zu groß ist. Andererseits: Kein Dienst verzichtet ohne Not auf gute Quellen. Selbst dann nicht, wenn die politischen Zeichen in eine andere Richtung zeigen. Ein Umstand, der den Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Enboom nicht überraschen kann:
Schmidt-Enboom:
"Mir war von vorneherein klar, dass selbst in Zeiten einer politischen Einzeit zwischen Washington und Berlin der nachrichtendienstliche Austausch, einerseits mit der CIA und andererseits mit der Defense Intelligence Agency ohne Einschränkung weiter läuft, mir war auch klar, dass nach den schlechten Erfahrungen der Bundesregierung nach dem vorherigen Irak-Krieges oder auch auf dem Balkan, weil unzutreffenden Informationen von Partnerdiensten eintrafen, ein hohes Bedürfnis bestand, da mit eigenen Leuten präsent zu sein."
Steinmeier:
"Meine Damen und Herren, es wird unabhängig vom Ausgang dieser Debatte heute so sein, um politische Entscheidungen sachgerecht zu füllen, um Spielräume zu erkennen, um Optionen überhaupt abwägen zu können in der Außen- und Sicherheitspolitik werden wir auch künftig auf erstklassige Informationen und möglichst aus eigenen Quellen angewiesen sein."
Sagte kürzlich Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Kooperation muss sein und ist unabdingbar, weiß auch Maxim Worcester vom privaten Sicherheitsunternehmen Control Risks:
Maxim Worcester:
"Ja, wir kooperieren, wir sind zwar Konkurrenten aber wir kooperieren sehr eng mit den guten Firmen die unten zu Gange sind, als auch mit der Regierung und den verschiedenen Armeen die unten zu Gange sind, mit der Polizei, mit allen Sicherheitskräften die vor Ort sind."
Unabhängig davon, wie die Zusammenarbeit zwischen den Diensten geregelt ist, es wird immer eine Gratwanderung bleiben: Das rege Interesse der einen Seite contra den gesetzlichen Vorgaben und Wünschen der anderen Seite. In einem sind sich alle Experten jedoch einig, Außenminister Frank-Walter Steinmeier:
Steinmeier:
""Wir brauchen die Zusammenarbeit der Dienste, ohne die es nicht gelungen wäre, das haben sie doch alle in der Erinnerung, Anschlagsplanungen auch in Europa, möglicherweise auch von Deutschland ausgehend, zu vereiteln."