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Schwierige Bergung

Geologie. - Die Nachrichten von den vielversprechenden Bodenschätzen Afghanistans sind rund um die Welt gegangen, doch es muss noch einiges an Vorarbeiten geleistet werden, bevor die sie gehoben werden können. Ganz wesentlich dabei ist die Erstellung entsprechender Rohstoffkarten.

Von Peter Welchering | 18.06.2010
    Vor allen Dingen das Leichtmetall Lithium, aber auch Eisenerze, Kupfer, Uran und Edelsteine wie Saphire, Turmaline und Smaragde lagern in Afghanistan. Schon in den Jahren der ersten afghanischen Republik von 1973 bis 1978 wurden vor allen Dingen im Kunar-Tal Edelsteine aus den Minen geholt und südlich der Hauptstadt Kabul wurde Kupfer geschürft. Nach der Machtübernahme durch die kommunistische Partei entsandte Moskau mehrere Prospektoren nach Afghanistan, die in erster Linie nach Uran suchten. Die Taliban setzten im Jahre 1997 ein Minenverbot für ausländische Investoren durch. Der Bergbau kam weitgehend zum Erliegen.

    Erst im Jahre 2008 wurde mit der Vergabe von Förderrechten in der Kupfermine bei Aynak südlich von Kabul an den chinesischen Staatskonzern der afghanische Bergbau in nennenswerter Weise wiederbelebt. Drei Edelsteinminen im Kunar-Tal sind im selben Jahr wieder eröffnet worden. Doch der genaue Standort zahlreicher Minen aus den Jahren 1973 bis 1978 ist heute nicht mehr bekannt, weil das Kartenmaterial durch Krieg und Bürgerkrieg verloren ging. Professor Abdul Ghias Safi vom Kartographie-Verbund der Universitäten Kabul und Herat weist deshalb darauf hin, dass zunächst aktuelles Kartenmaterial erarbeitet werden muss, bevor die Rohstoffe genutzt werden können, auch in der großen Kupfermine südlich von Kabul.

    "Diese Mine ist extrem wichtig für den Wiederaufbauprozess in Afghanistan. Deshalb müssen wir ganz genau wissen, wo wir unsere Kräfte konzentrieren. Deshalb haben wir uns gesagt, dass wir noch ein Projekt aufsetzen, also eine Karte über diese Mine zu erstellen. Wir hatten bisher unterschiedliche Karten und haben uns stark mit dieser Mine beschäftigt. Wir waren dabei nicht erfolgreich. Die hatten immer noch Probleme."

    Hauptsächlich ist die genaue Vermessung und Kartierung unterschiedlicher Gesteinsschichten dort ein Problem. Die Mineure wissen deshalb nicht, was sie hinter dem Bohrer erwartet. Dabei sind die Arbeiten der Geologen am neuen Nationalatlas für Afghanistan insgesamt schon gut vorangeschritten. Der Nationalatlas wird vom Kartographie-Verbund der Universitäten Kabul und Herat erstellt. Die Wissenschaftler arbeiten dabei eng mit deutschen Geographen, vor allen der Universität Gießen zusammen. Denn thematische Karten zum genauen Verlauf der Rohstofflagerstätten sind ohne geografische Informationssysteme und ohne die Auswertung von Satellitenbildern gar nicht mehr machbar. Professor Mohamed Askar Falah koordiniert ein entsprechendes Projekt für das afghanische Ministerium für Vermessungswesen und Kartographie.

    "Wir benutzen jetzt auch Satellitendaten und Daten von Geoinformationssystemen. Wir arbeiten dabei mit moderner Auswertungssoftware. Die Datenbasis ist gut, aber wir brauchen Zeit, um daraus thematische Karten ableiten zu können."

    Zunächst haben die afghanische Geographen die Grenzen von Bezirken und Provinzen festgelegt und kartiert. Das war vor allen Dingen für die Parlamentswahlen im Jahr 2005 ganz wesentlich. Rohstoffkarten wurden von der afghanischen Regierung erst nachgefragt, als sie mit der chinesischen Regierung im Jahre 2007 über Schürfrechte für Kupferminen verhandelte. Schon gleich zu Beginn der Kartierung von Rohstoffkarten, stellte sich heraus, dass ohne tektonische Karten die Risiken von Erdbeben nur unzureichend abgeschätzt werden konnten. So wurden einige Minen wieder eröffnet, die in erdbebengefährdeten Zonen lagen. Deshalb fordern die Geologen vor der Vergabe von Schürfrechten immer erst das Erdbebenrisiko abzuschätzen und die Minen entsprechend abzusichern. Nur eine ganzheitliche Betrachtung helfe hier weiter, meint Professor Askar Falah.

    "Wir arbeiten deshalb an einem kartographischen Gesamtwerk. Dazu gehört natürlich auch eine Minenkarte von Afghanistan. Wenn wir das Gesamtwerk fertiggestellt haben, sind auch alle bekannten Rohstoffvorkommen genau dargestellt. Ein Teil davon ist die Erdbebenkarte. Die zeigt das Erdbebenrisiko deutlich auf, so dass dann abgeschätzt werden kann, ob und wie die Rohstofflager ausgebeutet werden können."

    Die Experten des afghanischen Ministeriums für Vermessungswesen und Kartographie warnen deshalb vor zu großer Euphorie hinsichtlich der Bodenschätze des Landes. Denn auch für den Aufbau der Infrastruktur für Bergbaubetriebe ist genaues Kartenmaterial vonnöten. So will zum Beispiel die chinesische Regierung in eine Eisenbahnlinie investieren, damit Eisenerze und Kupfer aus den afghanischen Minen abtransportiert werden können. Doch die dafür erforderlichen Vermessungs- und Kartierungsarbeiten werden wohl noch eine ganze Weile andauen.