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Schwierige Forschung

Medizin. - Gegen 6000 bis 7000 seltene Krankheiten werden keine Medikamente entwickelt, weil die Forschung zu teuer ist oder manchmal schon daran scheitert, dass nicht genügend Teilnehmer für eine klinische Studie zusammengebracht werden können. Die EU fördert die Wirkstoffforschung auch bei seltenen Krankheiten. Am Beispiel der Friedreich-Ataxie, an der einer unter 100.000 Menschen leidet, soll der Erfolg dieser Förderung untersucht werden.

Von Kristin Raabe | 05.01.2007
    Die Erkrankung beginnt meist mit einer leichten Bewegungsstörung, aber innerhalb weniger Jahre landen die Betroffenen im Rollstuhl. Zudem plagt sie eine Herzschwäche. Mit den wenigen Kranken können Pharmafirmen nichts verdienen. Thomas Klockgether von der Universität Bonn behandelt Patienten mit Friedreich-Ataxie:

    "Ein großes Problem ist eben, dass es schwierig ist, ausreichende Zahlen von Patienten für aussagekräftige Studien zu rekrutieren. Deswegen sind solche Studien nicht in wenigen Zentren, sondern nur multizentrisch, nicht national sondern nur international machbar."

    Eine solche Studie mit einem Wirkstoff, der Patienten mit Friedreich-Ataxie helfen könnte, ist nun in Bonn gestartet. Europaweit sollen etwa 200 Patienten untersucht werden. Das Bonner Studienzentrum hofft fünf bis zehn geeignete Patienten zu finden. Es ist Bestandteil des Kompetenznetzwerks "Seltene Krankheiten". Die Studie wird von der EU und vom Bundesforschungsministerium gefördert. Das neue Medikament soll den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen ankurbeln, denn dort liegt die Ursache für die Leiden der Friedreich-Ataxie-Kranken. Das neue Medikament sollte ursprünglich einer ganz anderen Gruppe von Patienten helfen. Klockgether:

    "Diese Substanz war in Japan zugelassen und zwar zu Behandlung der Alzheimer Krankheit. Man hatte da auch die Vorstellung, dass man durch die Verbesserung des Energiestoffwechsels die Alzheimerkrankheit behandeln kann. Es hat dann in den USA eine größere Studie stattgefunden, um das bei der Alzheimerkrankheit zu überprüfen, und diese Studie hat kein eindeutig positives Ergebnis gebracht und deswegen hat die Firma, das war die japanische Firma Takeda, dann die weitere Entwicklung und Vermarktung dieser Substanz für die Alzheimererkrankung dann eingestellt und das ganze abgegeben an eine kleinere in Europa ansässige Firma, die jetzt versucht, die Zulassung für die Friedreich-Ataxie zu bekommen."

    Den ersten vorläufigen Ergebnissen zufolge scheint das Medikament vor allem die Herzbeschwerden zu lindern, unter denen Patienten mit Friedreich-Ataxie leiden. Sie profitieren also von dem Fehlschlag der japanischen Alzheimer-Forscher. Die kleine Firma, die jetzt die Lizenzen für die Substanz hält, hat gezielt nach einem bekannten Wirkstoff gesucht, der bei Friedreich-Ataxie helfen könnte. Klockgether:

    "Für andere Krankheiten wählt man ganz andere Strategien. Es gibt zum Beispiel diese ganz neuen Enzymersatztherapien. Das sind Krankheiten, die durch den Mangel eines ganz bestimmten Enzyms entstehen. Ein Beispiel ist eine Muskelkrankheit, die Pompe-Krankheit, bei der ein Enzym des Glykogenstoffwechsels fehlt. Und es ist inzwischen gelungen dieses Enzym gentechnisch herzustellen und das entsprechende Präparat ist vor wenigen Monaten auf den Markt gekommen und man kann es jetzt über Infusionen verabreichen. Es ist eine völlige Neuentwicklung nur dieses eine Enzym, was nur für eine bestimmte Krankheit angewendet werden kann. Das Problem dieser Therapien sind die hohen Kosten. Also die Behandlung eines Pompe-Patienten mit dieser Enzymersatztherapie kostet mehrere 100.000 Euro im Jahr."

    Nur wenn der Preis für die Therapie hoch ist, lohnt sich die Entwicklung eines solchen Wirkstoffs auch für eine kleine Patientengruppe. Denn die EU-Verordnung über seltene Erkrankungen erspart den Firmen lediglich die Gebühren in einem beschleunigten Verfahren bei der Europäischen Zulassungsagentur EMEA in London. Außerdem haben die Firmen ein exklusives Vermarktungsrecht für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Diese Erleichterungen schaffen einen gewissen Anreiz, aber trotzdem müssen die Firmen noch Gewinne machen. Das macht auch die Pompe-Therapie so teuer. Klockgether:

    "Das sind zum Teil Schwerstbetroffene - auch Kinder - die dann frühzeitig versterben, Erwachsene, die langzeitbeatmet werden. Wenn man eine wirklich wirksame Therapie hat und damit alle medizinischen Folgemaßnahmen, die zurzeit stattfinden, dann verhindern kann, dann kann sich das ökonomisch auch lohnen. Aber unabhängig von der Ökonomie besteht natürlich auch eine ethische Verpflichtung solche Krankheiten zu behandeln."

    Bis zum August dieses Jahres haben 400 Arzneimittel von der EMEA den Status "Medikament gegen seltene Erkrankungen" erhalten. Insgesamt 28 neue Zulassungen hat es für Wirkstoffe gegen seltene Krankheiten gegeben. Damit konnte EU-weit über einer Millionen Menschen geholfen werden.