Archiv


Schwierige Mission

Sieben Jahre ist es her, dass ein polnischer Regierungschef zuletzt zu Besuch in Russland war. Polens Ministerpräsident-Donald Tusk würde den diplomatischen Schlagabtausch gern beenden. Der polnische Regierungschef reist heute nach Moskau und hofft zumindest auf eine freundliche Begrüßung durch Wladimir Putin. Robert Baag berichtet.

    Mitte Dezember vergangenen Jahres, kurz nach der Duma-Wahl schienen plötzlich Sonnenstrahlen die bis dahin doch eher bewölkte polnisch-russische Landschaft zu erhellen. Ein sichtlich zufriedener russischer Landwirtschaftsminister Gordeev präsentierte sich in Moskau fast schon Arm in Arm mit seinem polnischen Amtskollegen und hatte für beide Länder die gute Nachricht parat:
    "Wir stellen fest, dass wir uns vollkommen darauf verständigt haben, dass Polen in vollem Umfang wieder seine Fleischerzeugnisse nach Russland liefern können soll. Die tierärztlichen Dienste beider Länder werden in dieser Angelegenheit wieder zusammenarbeiten. Beide Seiten werden garantieren, dass nach Russland nur qualitativ hochwertiges Fleisch aus eigener Produktion geliefert wird."

    Wie weggeblasen auf einmal ein Dauerkonflikt, der nicht nur das Verhältnis Warschau/Moskau zwei Jahre lang belastet hatte. Auch die Beziehungen zwischen Russland und der EU waren vom russischen Einfuhrverbot für polnisches Fleisch und einige pflanzliche Produkte aus Polen betroffen. Nachdem die Polen sich bemüht hatten, den Moskauer Vorhaltungen entgegenzukommen, aber wegen der als anti-russisch empfundenen Haltung der inzwischen abgewählten Regierung Kaczynski in Moskau stets abgeblitzt waren, stellte sich am Ende auch die EU auf die Seite ihres Mitgliedslandes Polens. Die Folge: Das längst überfällige neue EU-Russland-Partnerschafts-Abkommen konnte wegen polnischer Veto-Drohungen bis heute nicht unterzeichnet werden.

    Jetzt, so hoffen die Optimisten in beiden Lagern, sei dafür der Weg frei, nachdem im Oktober vergangenen Jahres die gemäßigtere Regierung Tusk an die Macht gekommen ist. Und Donald Tusk, der sich heute zu einem eintägigen Besuch in Moskau aufhält, wird versuchen, dieses Eisen zu schmieden, so lange es heiß, wenigstens aber warm ist.

    Aber da ist noch der andere Konfliktpunkt - der US-Plan, auf polnischem Gebiet ein Raketen-Abwehrsystem zu installieren, das mögliche Flugkörper aus sogenannten Schurkenstaaten wie dem Iran oder Nordkorea abschießen soll. Ein Plan, der seit langem von der Führung in Moskau bekämpft wir. Mal mit leise werbenden Tönen in Richtung Warschau, wie bei Russlands Außenminister Lavrov noch vor knapp drei Wochen:

    "Bei jedem anderen Problem, vor allem aber bei Problemen, die mit Fragen der Sicherheit, der europäischen Sicherheit, zusammenhängen, treten wir immer dafür ein, dass vor abschließenden Entscheidungen Beratungen erfolgen müssen. Diese Beratungen müssen einer gemeinsamen Analyse jener Risken und Bedrohungen dienen, die man abwenden oder neutralisieren möchte."

    Hilft jedoch das diplomatisch verbrämte Zuckerbrot nicht, zögert beispielweise der russische Generalsstabs-Chef Balujevskij keinen Moment, auch wieder die harsche Tonart zu wählen:

    "Der Abschuss solch einer Abwehrrakete könnte als Abschuss einer atomaren Interkontinentalrakete missverstanden werden, mit all den sich daraus ergebenden Folgen. Denn heutzutage sind die Raketen-Frühwarnsysteme sowohl in den USA als auch in Russland automatisierte Systeme. Menschen sind dort nicht beteiligt."

    Als Polens Premier Donald Tusk indes mit den Worten zitiert wurde, er, Tusk sei nicht naiv, denn weder die russischen Zielsetzungen noch Weltbild der Warschauer Regierung werde sich ändern, wurde auch Lavrov wieder deutlicher:

    "Natürlich sehen wir, wie die NATO sich auf dem Territorium der neuen Mitglieder mit militärischen Strukturen einrichtet, wie sich die Luftaufklärung an unseren Grenzen intensiviert, Flughäfen modernisiert, ausländische Stützpunkte errichtet werden. Die Botschaft, dass diese NATO-Erweiterung nicht gegen Russland gerichtet sei, hören wir zwar und glauben sogar, dass die heutigen politisch Verantwortlichen dort es auch so meinen. Aber es war wohl Bismarck, der gesagt hat: Gerade im Militärbereich sind nicht die Absichten zu bewerten, sondern die Potenziale."

    Tusk stehen also keine leichten Gespräche bevor. Denn auch die von Polen abgelehnte deutsch-russische Erdgas-Pipeline durch die Ostsee ist ein Problem für die polnisch-russischen Beziehungen. Tusks Plan, Putin und der russischen Führung dieses Lieblingsprojekt zugunsten einer vermeintlich billigeren Leitung über polnisches Gebiet auszureden, dürfte heute wie in absehbarer Zukunft in Moskau kein Erfolg beschieden sein - ebenso wenig wie Warschaus nachdrückliche Forderung, den Mord an über 22.000 polnischen Internierten während des Zweiten Weltkriegs durch die sowjetische Geheimpolizei NKWD als Völkermord anzuerkennen. Hier ist sich Tusk mit seinem Staatsoberhaupt völlig einig, auch wenn der immer noch Kaczynski heißt und beide sonst diverse Schwierigkeiten miteinander haben. Für die polnische Ostpolitik gilt das aber offenkundig nicht. Die Sonne über der russisch-polnischen Landschaft wird es wohl auch künftig nicht einfach haben.