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Schwierige Übersetzungsarbeit

Korea ist in diesem Jahr Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Doch koreanische Literatur ist in Deutschland Mangelware. Nur Kleinverlage leisten derzeit Pionierarbeit. In Korea hingegen wird deutsche Literatur sehr geschätzt und verkauft sich gut.

Von Barbara Wahlster |
    Nein, es war nicht Gutenberg, mit dem der Buchdruck anfing. Diese Geschichte gilt nur für Europa. Korea kannte nämlich schon 200 Jahre vor Gutenberg den Druck mit beweglichen Metall-Lettern. Vielleicht ist zumindest Südkorea aufgrund dieser Geschichte ein ausgesprochenes Leseland geblieben. In der Hauptstadt Seoul konzentriert sich heute die zehntgrößte Buchindustrie weltweit, wo Auflagen von 100.000 Exemplaren selbst für Lyrik keine Ausnahme darstellen und populäre Bücher Millionenauflagen haben.

    Angeführt wird die Liste der jährlichen Neuerscheinungen allerdings von Comics mit rund 8000 Titeln im vergangenen Jahr, gefolgt von Kinderbüchern. Platz drei nimmt dann die Literatur ein. Doch davon gelangt nur ein verschwindend geringer Teil nach Deutschland. Übersetzerin Edeltraud Kim:

    "Man hat irgendwie auch keinen Mut bei den großen Verlagen, auch mal was zu versuchen. Ich denke, wenn also ein wirklich renommierter Verlag mit großem Pomp mal ein koreanisches Buch herausbringen würde, dann würde das Aufmerksamkeit erregen, dann würde sich das auch mehr verkaufen. Solange nur kleine engagierte Verleger sich damit beschäftigen, nimmt die Öffentlichkeit das nicht wahr."

    Tatsächlich kümmerten sich bisher hauptsächlich kleine Verlage um die Pionierarbeit der Vermittlung koreanischer Literatur. Sonst sähe es schlecht aus für das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse - weitaus schlechter als etwa in Frankreich, wo deutlich mehr Titel des koreanischen Buchsortiments in Übersetzung zu haben sind.
    Die koreanische Übersetzerin Kim Sun-Hi:

    "Ich verstehe nicht, warum die japanische Literatur leichter Fuß fassen kann als die koreanische. Was ist dabei? Bei uns ist auch die japanische Literatur in, aber ich leide darunter, dass die schöne koreanische Literatur in Deutschland nicht so bekannt wird. "

    Dass ausgerechnet die ehemaligen Besatzer Koreas in Deutschland besser dastehen, stellt eine Kränkung dar - zumal die deutsche Literatur in Südkorea trotz der geballten amerikanischen Präsenz sehr geschätzt wird. Koreas Verlage gehören zu den wichtigsten Abnehmern deutschsprachiger Bücher, die einen großen Anteil des Übersetzungsgeschäftes ausmachen. Neben Kafka und Brecht (zwei der großen Kultautoren) finden sich auch zahlreiche jüngere Literaten und eine Kant-Biographie wie die von Manfred Geier konnte im vergangenen Jahr zum Bestseller werden. Die kulturelle Einbahnstraße sei, so die gutmeinenden Kulturvermittler, auf sprachliche Probleme zurückzuführen.

    Heidi Kang: "Die literarische Sprache ist sehr, sehr farbig und hat einen sehr umfangreichen Wortschatz, der zum großen Teil nicht in Wörterbüchern zu finden ist. Das macht die Übersetzung so schwierig, jedenfalls für Leute, die nicht Muttersprachler sind. Die literarische Sprach ist sehr griffig, nicht abstrakt. Die deutschen Schriftsteller schreiben sehr viel abstrakter, während die koreanische Literatur sehr viel emotioneller und sehr nuancenreich ist. Und das im Deutschen wiederzugeben ist sehr schwierig. Da müsste man das auf eine gedankliche Nuancenreichheit rüberbringen und dann sind koreanische Leser oder koreanische Übersetzer sehr unzufrieden, wenn das so ist."

    Seit 2001 versucht das beim Kultusministerium angesiedelte Literary Translation Institute mit Übersetzungsförderungen den Kulturaustausch anzukurbeln. Allerdings favorisierte es bisher einen recht seltsamen Begriff von durch koreanische Mitübersetzer garantierter Wortwörtlichkeit. Oft genug kommen dabei unelegante, holprige und sogar widersinnige Ergebnisse heraus - jedenfalls kein literarisches Deutsch.

    Für hiesige Verlage bedeutet das einen kaum zu leistenden Lektoratsaufwand, auch um die üblichen Redundanzen zu straffen oder Ungenauigkeiten auszugleichen. Und da Korea weit weg ist, finden sich auch Fehler, die für die Leserschaft hier nicht akzeptabel sind; etwa wenn es heißt, eine Person sehe aus wie ein echter Franzose: groß und blond. Neben einer Vorzugsliste von 100 Büchern aus allen Bereichen, deren Übersetzung in Angriff genommen werden soll, will das LTI künftig die Entdeckung der literarischen Stimmen erleichtern. LTI-Präsident Chin Hyung-Joon:

    "Ich denke immer, es muss etwas geben, um die Formel "Übersetzer gleich Verräter" zu überwinden. Aber das ist doch ein allgemeines Problem und keines der koreanischen Literatur. Wir sind dabei, das in Angriff zu nehmen. Dazu müssen wir vor allem Deutsche unterstützen, die sich für unsere Sprache und Kultur interessieren. Am wichtigsten ist die Ausbildung für Übersetzer. "
    Auf Deutsch sind rund 100 Bücher lieferbar, davon die Hälfte Gegenwartsliteratur. Eindrucksvolle Lyrik, abgründige Geschichten, große Romane lassen sich da entdecken, in der Edition Moderne Koreanische Autoren des Pendragon Verlages etwa oder bei der Edition Peperkorn, die seit langem mit und für koreanische Literatur arbeiten.

    Von den großen Verlagen hat sich DTV an die längst fällige Übersetzung von Hwong Sok Yong gemacht, auch ist, wie bei Suhrkamp, eine Anthologie vorgesehen. Außerdem kündigt Suhrkamp die Wiederauflage eines bereits 1996 erschienen Gedichtbandes des großes Lyrikers Ko Un an; wie Kenner vermuten, ist sie seinerzeit von Siegfried Schaarschmidt aus dem Japanischen übersetzt worden.

    Wenn man all die Herbstlieferungen der Verlage durchsieht - und sich daran erinnert, mit welcher Vielfalt sich im vergangen Jahr der arabische Schwerpunkt niedergeschlagen hatte - dann fällt vor allem eines ins Auge: die beinahe völlige Abwesenheit von Sachbuchangeboten - sei es zur politischen Geschichte Koreas, dem Austragungsort des Kalten Krieges schlechthin, sei es zur Kultur oder Religion. Auch das "Modell Korea" heute, die so genannte Can-do-Mentalität ob beim Klonen oder anderswo, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

    Ko Un jedoch, der die literarische Eröffnungsrede halten wird in Frankfurt, hat eine unbeirrbare Grundformel gefunden:

    "Literatur hat nur Bedeutung, wenn sie sich von Ort zu Ort bewegt und Verbindungen herstellt zwischen der Dichtung, den Menschen und anderen Orten. War nicht die Literatur immer schon ein Gast, unterwegs, um Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln und mit anderen Menschen zu teilen? Ich denke, um frisch zu bleiben, braucht die Literatur die Begegnung von Vertrautem und Fremdem."