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Schwieriges Verhältnis

In Lateinamerika herrscht überall Pressefreiheit - offiziell zumindest. Denn in der Realität ist es um die freie Berichterstattung in vielen Ländern schlecht bestellt. In Argentinien kann die Presse weitgehend frei berichten. Doch ist es auch verbreitet, dass Politiker Berichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen und damit auch Erfolg haben.

Von Victoria Eglau | 04.10.2008
    Buenos Aires, Ende Juli. Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner gibt die erste Pressekonferenz seit ihrem Antritt fast acht Monate zuvor. Ein außergewöhnliches Ereignis, das die ganze Nation vor dem Fernseher verfolgt. Nestor Kirchner, Vorgänger und Ehemann der Präsidentin, hatte sich während seiner Amtszeit kein einziges Mal den Fragen der Journalisten gestellt. Stattdessen beschwerten er und Cristina Kirchner sich häufig öffentlich über negative Berichterstattung in den Medien.

    "In der Ära des Ehepaars Kirchner ist der Umgang der Regierung mit den Medien wahrscheinlich der schlechteste seit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie 1983. Es gibt Beschimpfungen und verbale Angriffe gegen Journalisten, die sogar namentlich genannt werden. Die meisten dieser Angriffe richten sich aber gegen bedeutende Medien, die eine große Handlungsfreiheit haben und sehr mächtig sind. Tatsächlich erreichen die Kirchners nur, dass die Medien, die zu den kritischsten der Region gehören, noch schärfer berichten,"
    meint der argentinische Journalist Juan Buchet, Korrespondent für Radio France Internationale und Vertreter von Reporter ohne Grenzen in Buenos Aires. Die nationalen Medien in der Hauptstadt, darunter finanzstarke Multimediakonzerne wie die Gruppe Clarín, wissen sich also gegen die Präsidentenschelte zu wehren. In den argentinischen Provinzen dagegen komme es vor, dass sich lokale Medien durch Angriffe, Drohungen und Druckausübung von Politikern einschüchtern ließen, sagt Buchet. Für den Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Buenos Aires, Christoph Korneli, sind die Verbalattacken gegen Journalisten Ausdruck eines bestimmten Verständnisses der Rolle von Medien:

    "Die Medien sind für das hiesige Verständnis zu regieren, der beiden Kirchners, ein Werkzeug, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, und zwar zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Wenn das nicht gelingt, sind die Medien der Feind."
    Um die Berichterstattung der Medien in ihrem Sinne zu beeinflussen, haben argentinische und andere lateinamerikanische Regierungen ein Instrument entdeckt, das sich Regierungswerbung nennt. Gerade für viele kleinere Blätter und Sender in den Provinzen, wo es nur wenige private Werbekunden gibt, sind lukrative Werbeanzeigen des Staates überlebenswichtig. Unter der Präsidentschaft von Nestor Kirchner stieg der Etat für Regierungswerbung um mehr als das Fünffache an, wie 2005 die Antikorruptionsorganisation Poder Ciudadano ermittelte. Ihrer Studie zufolge bestimmt ein Freund-Feind-Schema die Verteilung der Werbeanzeigen.
    Es gebe, so Sebastián Lacunza vom Journalistenverband FOPEA, in Argentinien noch eine direktere Weise, Medienberichterstattung zu manipulieren: die Bestechung von Journalisten.

    "Es gibt einen nicht unwesentlichen Grad von Korruption. Es gibt Journalisten, die sich mit staatlichen oder privaten Geldern bestechen lassen. In Argentinien ist Korruption ein großes Problem, und davon bleibt auch der Journalismus nicht verschont. Das sind nicht nur Randerscheinungen."
    Trotz der dunklen Flecken steht Argentinien in punkto Pressefreiheit besser da als die meisten anderen lateinamerikanischen Staaten.