Biłgoraj ist eine Kleinstadt im Südosten Polens, die in vergangenen Jahrhunderten für die Kunst der Siebherstellung in Europa berühmt war, bis zum Zweiten Weltkrieg zur Hälfte von Juden bewohnt wurde und heute vor allem an Arbeits- und Perspektivlosigkeit für seine rund 25.000 Bewohner leidet. Immerhin: Vor einigen Jahren hat die Marie-Curie-Universität der einhundert Kilometer entfernten Großstadt Lublin eine Zweigstelle in Bilgoraj eröffnet. Und vor wenigen Wochen ist der Bürgermeister von Biłgoraj mit einem neuen Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten. Endlich solle eine Straße in Biłgoraj den Namen des jiddischen Erzählers und Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer tragen und damit Werbung für die Stadt machen.
Singer, geboren 1904 in der Nähe von Warschau, hat in seiner Kindheit und Jugend immer wieder Biłgoraj besucht und dort auch länger gelebt - im Hause seines Großvaters, eines über die Stadt hinaus bekannten Rabbiners. Das Haus des Großvaters gibt es schon lange nicht mehr, und der Name der Straße, wo es einmal stand, ist bereits vergeben, ihre Umbenennung kommt nicht in Frage. Doch nicht weit entfernt, im Stadtzentrum von Biłgoraj, gibt es noch eine Straße, die keinen Namen hat. Genau genommen ist es holpriger, durchlöcherter Sandweg, knapp einhundertfünfzig Meter lang. Janusz Rosłan erklärt sein Vorhaben:
"Warum gerade diese Straße? Aus den Erzählungen älterer Menschen in Biłgoraj weiß ich, dass die Deutschen dort während des Zweiten Weltkriegs ein Massaker an den Juden von Biłgoraj verübten, das wahrscheinlich nur ein Mensch überlebt hat, eine Frau. Jemand der nach Biłgoraj kommt, wird nicht den Stadtrand besichtigen, sondern im Zentrum beginnen. Und hier im Zentrum sieht er dann die Isaac-Bashevis-Singer-Straße. Er wird erfahren, dass Isaac Bashevis Singer hier vier Jahre seines Lebens verbracht hat. Die Kenner von Singers Werk wissen das übrigens genau. Singer hat ja viel über Biłgoraj geschrieben."
Doch der Bürgermeister hatte nicht mit den Stadtverordneten gerechnet. Die konservativ-nationale Mehrheit sprach sich gegen Isaac Bashevis Singer aus. Marian Jagusiewicz, Vorsitzender des Biłgorajer Bürgerkomitees bekennt:
"Wir sind von Herrn Singer nicht überzeugt. Wir haben seine Literatur kennengelernt. Sie stellt viele Dinge in einem negativen Licht dar. Was er geschrieben hat, ist Porno. Selbst die Juden haben es als Klosett-Literatur bezeichnet. Man kann aus Singer kein Denkmal machen. Wenn man eine Straße nach einem Menschen benennen will, muß dieser Mensch makellos sein."
Mit einem Alternativvorschlag ließen die Singer-Gegner nicht auf sich warten. Ihr Wunschkandidat für die namenlose Straße von Biłgoraj: Stefan-Kardinal-Wyszynski. Wyszynski war der Vorgänger von Jozef Glemp als Primas der polnischen katholischen Kirche. Sollte man aber einem polnischen Kardinal mit einer nur einhundertfünfzig Meter langen Straße ehren, fragte der Bürgermeister vorsichtig nach. Marian Jagusiewicz antwortet:
"Kann schon sein, dass die Straße kurz ist, von mir aus kann sie kurz sein. Aber wenn die Stadtverordneten jetzt eine Chance sehen, muß man sie rechtzeitig beim Schopfe packen. Der Kardinal ist unser großer Pole."
Mit einer Abneigung gegen Juden habe die Skepsis gegenüber dem aus Polen stammenden und einst auch in Biłgoraj beheimateten Literaturnobelpreisträgers indes nichts zu tun, beteuert Marian Jagusiewicz.
"Es gibt hervorragende Juden. Einen hervorragenden Juden kann man auch ehren – aber nicht unbedingt in Biłgoraj. Vielleicht gibt es auch einen Platz für Singer – in Lublin, dort hat er ja auch gelebt oder vielleicht in Israel."
Die namenlose Straße von Biłgoraj ist zur Zeit die berühmteste ihrer Art in Polen. Doch das ist nicht die Aufmerksamkeit, die sich Janusz Rosłan für seine kleine Stadt gewünscht hat. Der Bürgermeister empfiehlt im Augenblick vor allem Zurückhaltung.
"Im Moment sehe ich keine Möglichkeit, in diesem Streit unser Gesicht zu wahren. Deshalb wäre es für beide Seiten am besten, erst einmal abzuwarten. "
Singer, geboren 1904 in der Nähe von Warschau, hat in seiner Kindheit und Jugend immer wieder Biłgoraj besucht und dort auch länger gelebt - im Hause seines Großvaters, eines über die Stadt hinaus bekannten Rabbiners. Das Haus des Großvaters gibt es schon lange nicht mehr, und der Name der Straße, wo es einmal stand, ist bereits vergeben, ihre Umbenennung kommt nicht in Frage. Doch nicht weit entfernt, im Stadtzentrum von Biłgoraj, gibt es noch eine Straße, die keinen Namen hat. Genau genommen ist es holpriger, durchlöcherter Sandweg, knapp einhundertfünfzig Meter lang. Janusz Rosłan erklärt sein Vorhaben:
"Warum gerade diese Straße? Aus den Erzählungen älterer Menschen in Biłgoraj weiß ich, dass die Deutschen dort während des Zweiten Weltkriegs ein Massaker an den Juden von Biłgoraj verübten, das wahrscheinlich nur ein Mensch überlebt hat, eine Frau. Jemand der nach Biłgoraj kommt, wird nicht den Stadtrand besichtigen, sondern im Zentrum beginnen. Und hier im Zentrum sieht er dann die Isaac-Bashevis-Singer-Straße. Er wird erfahren, dass Isaac Bashevis Singer hier vier Jahre seines Lebens verbracht hat. Die Kenner von Singers Werk wissen das übrigens genau. Singer hat ja viel über Biłgoraj geschrieben."
Doch der Bürgermeister hatte nicht mit den Stadtverordneten gerechnet. Die konservativ-nationale Mehrheit sprach sich gegen Isaac Bashevis Singer aus. Marian Jagusiewicz, Vorsitzender des Biłgorajer Bürgerkomitees bekennt:
"Wir sind von Herrn Singer nicht überzeugt. Wir haben seine Literatur kennengelernt. Sie stellt viele Dinge in einem negativen Licht dar. Was er geschrieben hat, ist Porno. Selbst die Juden haben es als Klosett-Literatur bezeichnet. Man kann aus Singer kein Denkmal machen. Wenn man eine Straße nach einem Menschen benennen will, muß dieser Mensch makellos sein."
Mit einem Alternativvorschlag ließen die Singer-Gegner nicht auf sich warten. Ihr Wunschkandidat für die namenlose Straße von Biłgoraj: Stefan-Kardinal-Wyszynski. Wyszynski war der Vorgänger von Jozef Glemp als Primas der polnischen katholischen Kirche. Sollte man aber einem polnischen Kardinal mit einer nur einhundertfünfzig Meter langen Straße ehren, fragte der Bürgermeister vorsichtig nach. Marian Jagusiewicz antwortet:
"Kann schon sein, dass die Straße kurz ist, von mir aus kann sie kurz sein. Aber wenn die Stadtverordneten jetzt eine Chance sehen, muß man sie rechtzeitig beim Schopfe packen. Der Kardinal ist unser großer Pole."
Mit einer Abneigung gegen Juden habe die Skepsis gegenüber dem aus Polen stammenden und einst auch in Biłgoraj beheimateten Literaturnobelpreisträgers indes nichts zu tun, beteuert Marian Jagusiewicz.
"Es gibt hervorragende Juden. Einen hervorragenden Juden kann man auch ehren – aber nicht unbedingt in Biłgoraj. Vielleicht gibt es auch einen Platz für Singer – in Lublin, dort hat er ja auch gelebt oder vielleicht in Israel."
Die namenlose Straße von Biłgoraj ist zur Zeit die berühmteste ihrer Art in Polen. Doch das ist nicht die Aufmerksamkeit, die sich Janusz Rosłan für seine kleine Stadt gewünscht hat. Der Bürgermeister empfiehlt im Augenblick vor allem Zurückhaltung.
"Im Moment sehe ich keine Möglichkeit, in diesem Streit unser Gesicht zu wahren. Deshalb wäre es für beide Seiten am besten, erst einmal abzuwarten. "