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Schwimmendes Mini-AKW aus Russland

Technik. - Fast genau 15 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl schicken sich russische Atomingenieure an, erneut für Schlagzeilen zu sorgen. Ihr Plan: Schwimmende Kleinstreaktoren sollen in Flüssen oder auf See stationiert werden und so Strom in entlegene Gebiete liefern. Zwar war dies bislang eher nur ein Gedankenspiel, doch jetzt kündigten Forscher eine erste Pilotanlage des "portablen" Atomkraftwerks an.

    Seit bereits fünf Jahren arbeitet das russische Ingenieurbüro Nishnij Nowgorod an seinem Mini-Reaktor für den dezentralen Einsatz etwa in Sibirien oder anderen entlegenen Winkeln der Erde. "Unser Konzept sieht zwei Reaktoren mit je 35 Megawatt Leistung vor, die von einem Schiff beherbergt werden", erklärt Anatol Gagarinski, Leiter der russischen Gesellschaft für Kerntechnik. Die Leistung könne noch verringert werden, wenn auf Heizwärme verzichtet werden könne. Beispielsweise könnte mit dieser Energie auch Meerwasser zu Trinkwasser entsalzt werden. Den Markt schätzt der russische Experte für potent ein: Nicht nur in Sibirien, sondern auch in China, der arabischen Welt oder Indien könnte Nachfrage bestehen und die schwimmenden Nuklearanlagen zum russischen Exportschlager machen.

    Den ersten schwimmenden Reaktor wollen die ehrgeizigen Ingenieure 2005 bauen. Die Kosten dafür schätzen die Experten auf 220 Millionen Mark. Das Konzept basiert auf Schiffsreaktoren, wie sie seit Jahren auf den Eisbrechern der Arktika-Klasse eingesetzt werden, und entspricht grundsätzlich der Funktionsweise von Reaktoren an Land. Allerdings benötigen die Aggregate spezielle Brennstäbe mit höherer Urananreicherung, die den mobilen Meilern eine vergleichsweise höhere Laufzeit ermöglichen. Damit beginnen aber auch die Probleme des Konzepts, in dem der Aspekt der Entsorgung einen eher kleinen Raum einnimmt. So fehlen in Russland Anlagen, in denen die Brennelemente sicher gewechselt und die Reaktoren gewartet werden können. Weil 400.000 Mark fehlen, scheitert derzeit ein Probelauf einer Verglasungsanlage, mit der flüssige Nuklearabfälle entsorgt werden sollen. Der äußerst haltbare Müll landet deshalb weiter einfach im Nordmeer.

    Ein anderer kritischer Punkt betrifft die Betriebssicherheit der transportablen AKW: Zwar gelten die Schiffsreaktoren als robust, eine kritische Situation wäre allerdings in der Enge und überdies auf See wohl kaum beherrschbar. Überdies neigen die Anlagen laut Insidern zu Leckagen. Trotzdem soll nach dem Willen von Gagarinski und seinen Kollegen eine Pilotanlage gebaut werden und anschließend die Stadt Sverodvinsk am weißen Meer über drei Jahre mit Strom versorgen, bis sich die Frage stellt, wie die abgebrannten Brennelement entsorgt werden können.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]