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Schwindende Kaufkraft, schrumpfender Nettolohn

Wenn das Portemonnaie im Supermarkt schneller leer wird, der Einkaufskorb jedoch nicht voller, so ist die Diagnose schnell gefunden: Die Kaufkraft der Deutschen schwindet.

Von Dietmar Reiche |
    Marburger Bund, Rudolf Henke: "Die Schäden für die Kliniken wären diesmal weit größer als bei den Streiks 2006. Unsere Forderung ist eine durchschnittliche Gehaltserhöhung um 10,19 Prozent."

    Ver.di-Chef Frank Bsirske: "Wir blicken auf mehrere Jahre Reallohnverlust. Jahr für Jahr war weniger Kaufkraft in der Tasche als im Vorjahr. Das geht so nicht weiter. Deswegen acht Prozent, mindestens 200 Euro angesichts der Preissteigerungen."

    Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, Thomas Böhle: "Die Ver.di-Forderung kostet 4,5 Milliarden Euro. Wenn wir das erfüllen, müssten wir entweder neu in die Verschuldung gehen und Investitionen zurückfahren oder Personal abbauen."

    Ver.di-Chef Frank Bsirske: "Und jetzt ist Schluss Kollegen und Kolleginnen. Das machen wir nicht länger mit. Jetzt wird gegengehalten."

    Kampfbetont schwört Ver.di-Chef Frank Bsirske die Gewerkschaftsmitglieder auf eine harte Tarifrunde 2008 ein. Die 1,3 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind sauer. Nach drei Nullrunden wollen die Angestellten mehr Brutto auf dem Gehaltszettel sehen: acht Prozent mehr Lohn, mindestens 200 Euro. Das können oder wollen die Arbeitgeber aber nicht bezahlen. Nach der fünften Verhandlungsrunde scheitern die Gespräche. Die Schlichter müssen den festgefahrenen Tarifkonflikt lösen.

    Die Zeiten einvernehmlicher Tarifverhandlungen sind offenbar vorbei. So hat die kleine Gewerkschaft der Lokomotivführer, die GDL, fast ein ganzes Jahr mit der Deutschen Bahn über ihren eigenständigen Tarifvertrag gestritten: am Verhandlungstisch, vor Gericht und auf den Bahnhöfen mit Streiks - zuletzt mit Erfolg und elf Prozent mehr Lohn auf dem Gehaltszettel.

    Der Marburger Bund sieht sich als Berufsgruppengewerkschaft in einer ähnlich starken Verhandlungsposition und verlangt für die 55.000 Ärzte an den 700 kommunalen Kliniken zehn Prozent mehr Gehalt. Heute hatte die Gewerkschaft zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen. Rudolf Henke vom Marburger Bund im Deutschlandradio Kultur.

    "Wir finden uns ausgesprochen bescheiden. Wir glauben, dass wir nach der Forderung von 30 Prozent mit zehn Prozent zurückhaltend moderat sind. Wir propagieren nicht das Ende der Bescheidenheit, sondern glauben, dass wir uns den Situationen in den Krankenhäusern anpassen. Wir verlangen von den Kommunen in dieser Tarifrunde nichts, was wir bei anderen Krankenhausgebern schon bekommen haben."

    Und in der erfolgsverwöhnten und boomenden Stahlindustrie liegt die Lohnforderung immerhin noch bei acht Prozent. Auch in der Chemieindustrie wollen die Arbeitnehmer mehr Geld sehen, sagt Werner Bischoff, Hauptvorstand von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in einem Internet-Video der IGBCE:

    "Die Tarifrunde für die Chemische Industrie nimmt langsam Fahrt auf. Wir haben beschlossen, dass wir in diesem Jahr eine Entgelterhöhung erreichen wollen. Mit sieben Prozent ist hier eine Marke gesetzt, die wir umsetzen. Die Wirtschaft boomt. Unsere Devise lautet, dass für gute Arbeit auch gutes Geld bezahlt werden soll, und das ist unsere Zielsetzung in unserer diesjährigen Tarifrunde."

    Das war in den vergangenen Tarifrunden nicht der Fall. Die Beschäftigten hielten sich wegen der hohen Arbeitslosigkeit mit Lohnforderungen zurück. Da galt es die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit auch den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Lohnzurückhaltung heißt seitdem das Schreckgespenst der Gewerkschaften. Die Bruttoeinkommen sind kaum gestiegen, erklärt Reinhard Bispinck, Tarifexperte von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung:

    "Die Nominallohnentwicklung in den vergangenen Jahren war sehr zurückhaltend. In den allermeisten Jahren ist es nicht gelungen, wenigstens die Preissteigerungsrate auszugleichen. Tatsächlich ist es so, dass in den letzten vier Jahren die Reallöhne gesunken sind und in den Jahren davor lediglich um 0,5 oder 1 Prozent gestiegen sind."

    In diesem Jahr wollen die Arbeitnehmer am Aufschwung wieder teilhaben. Mit zusätzlichen Jobs und Beschäftigungsgarantien lassen sich die Arbeitnehmer nicht mehr vertrösten. In einigen Branchen ist der Arbeitsmarkt leergefegt, Spezialisten und Facharbeiter sind gesucht. Das sind gute Voraussetzungen für höhere Lohnforderungen. Zudem stimmte bis vor kurzem noch das konjunkturelle Umfeld. Wachstumsraten von 2,9 und 2,5 Prozent in den vergangenen beiden Jahren beim Bruttoinlandsprodukt haben Begehrlichkeiten geweckt. Viele Unternehmen haben prächtig verdient und hohe Gewinne eingefahren. Die Auftragsbücher sind immer noch prall gefüllt.

    Die Gewerkschaften wollen von diesem Wohlstandskuchen ein Stückchen abschneiden. Sie sind hungrig und haben Nachholbedarf. Bislang mussten sich die Arbeitnehmer mit Krümeln des Wohlstandskuchens begnügen. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung im Fernsehsender Phoenix:

    "Wir haben circa das gleiche Wachstum wie im vergangenen Aufschwung. Wir haben sogar eine etwas bessere Beschäftigung. Das heißt, der Kuchen ist etwa gleich stark gewachsen. Aber der Kuchen ist völlig anders verteilt worden. Die Bruttogewinne bei den Unternehmen sind in diesem Aufschwung um etwa 25 Prozent gestiegen, beim letzten Aufschwung nur um 4 bis 5 Prozent. Gleichzeitig sind die Nettolöhne je Erwerbstätigen in diesem Aufschwung real sogar gefallen. In Kaufkrafteinheiten gerechnet, hat der einzelne Arbeitnehmer im Durchschnitt sogar weniger in der Tasche als vor Beginn des Aufschwungs. Das ist neu."

    Eine Aussage, die nicht für alle Beschäftigten gilt. Denn in den wirtschaftlich starken Branchen wie zum Beispiel in der exportgetriebenen Investitionsgüterindustrie kam es durchaus zu Lohnabschlüssen oberhalb der Inflationsrate, sagt Tarifexperte Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung. Die

    "gespaltene Tarifentwicklung meint, dass wir nicht mehr dieses Geleitzugverfahren haben, das wir aus früheren Jahren kennen, dass die starken Branchen einen gewissen durchschnittlichen Tarifabschluss erzielen, der dann von den anderen Wirtschaftszweigen auch übernommen wird - nicht eins zu eins, aber als Orientierungsgröße. Das funktioniert seit einer Reihe von Jahren nicht mehr. Die wirtschaftlich starken Branchen verzeichnen relativ höhere Einkommensentwicklungen und Tarifabschlüsse. Die schwächeren Branchen bleiben zum Teil dauerhaft abgekoppelt und haben mal gerade die Hälfte oder ein Drittel dessen, was die starken Einkommensbranchen haben."

    Wer in der sozusagen falschen Branche arbeitet - wie im Einzelhandel oder im einfachen Servicebereich - wird von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Die Bruttolöhne steigen dort deutlich langsamer, wenn überhaupt. Zudem hat sich die Struktur des Arbeitsmarktes nachhaltig geändert. Sechs Millionen Menschen arbeiten nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung im Niedriglohnbereich, vier Millionen sogar für weniger als 7,50 Euro pro Stunde. Es gibt immer mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse: Teilzeit oder Solo-Selbstständigkeit, Leih- oder Zeitarbeit. In den seltensten Fällen sind das gut bezahlte Jobs.

    Doch was die Arbeitgeber oben auf den Lohnzettel schreiben, interessiert die wenigsten Angestellten. Sie schauen lieber nach unten. Dort steht der Nettobetrag, der auch auf das Girokonto überwiesen wird. Diese Zahl entscheidet, ob der Job angemessen bezahlt wird oder nicht. Dazwischen: Steuer- und Sozialpolitik in Kurzform - immer am Monatsende.

    Genau an dieser Stelle entscheidet der Staat, wie viel Geld er den Arbeitnehmer wegnimmt und an die Sozialkassen überweist. Zumindest das Ziel ist gesetzt. Die Bundesregierung will die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent halten. Obwohl die Beitragssätze für die Rentenversicherung um 0,4 Punkte und die der Krankenversicherung um 0,6 Punkte gestiegen sind, werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun deutlich entlastet - um gut 1,7 Beitragspunkte. Denn die Arbeitslosenversicherung hat milliardenschwere Überschüsse erwirtschaftet. Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.

    "Wir bewegen uns seit dem Aufschwung 2006, der sich auch auf dem Arbeitsmark bemerkbar gemacht hat, mit den Beitragssätzen kontinuierlich nach unten. Von 6,5 Prozent haben wir 2007 die Entlastung auf 4,2 Prozent erfahren, jetzt neuerlich auf 3,3 Prozent. Das ist natürlich eine stark konjunkturell abhängige Entlastung. Es sind aber auch etliche strukturelle Bereinigungen im Aufgabenkatalog der Bundesagentur für Arbeit vorgenommen worden."

    Beitragssenkungen in der Sozialversicherung erhöhen das verfügbare Einkommen, müssen aber nicht zwingend zu mehr Konsum führen.

    "Es kann durchaus sein, dass das Gefühl, der Aufschwung ginge an den Haushalten der Mittelschicht vorbei, aus subjektiver Sicht im einen oder anderen Fall sogar zutrifft, insbesondere wenn man sich zum Beispiel durch die Erfordernisse zur zusätzlichen Altersvorsorge in der konkreten Situation möglicherweise sehr stark unter Druck gesetzt fühlt."

    Jochen Pimpertz zögert ein wenig mit dieser Aussage. Denn bei der privaten Altersvorsorge wird es schnell grundsätzlich. 19,9 Prozent vom Bruttoeinkommen braucht allein die gesetzliche Rentenversicherung, finanziert zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Angestellten. Was bleibt ist eine Versorgungslücke, die gestopft werden muss - allein vom Arbeitnehmer.

    Zum Beispiel durch eine private Altersvorsorge mit einer Riester Rente. Die komplette Förderung des Staates bekommt er aber nur, wenn er bereit ist, vier Prozent seines Bruttoeinkommens auf die hohe Kante zu legen. So muss zum Beispiel ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahresgehalt von 40.000 Euro nach Abzug der staatlichen Förderung immerhin noch 922 Euro sparen. Geld, das in der Haushaltskasse fehlt. Unter dem Strich muss also dieser Arbeitnehmer 2,3 Prozent seines Bruttoeinkommens verwenden.

    Die Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung machen sich in der Haushaltskasse bemerkbar, und das ruft auch die Ökonomen der Bundesbank auf den Plan. Es sei durchaus denkbar, dass sich die Konsum- und Sparneigung der Verbraucher geändert habe. Die derzeitige Konsumschwäche sei nicht nur im historischen Kontext, sondern auch im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften außergewöhnlich, schreiben die Bundesbank-Volkswirte. Die Ökonomen nennen gleich ein ganzes Bündel von Ursachen: der Ölpreis, die zunehmende Belastung durch direkte Steuern wie Mehrwert-, Tabak- oder Energiesteuern, aber auch eben die private Altersvorsorge.

    So ist die Sparquote der privaten Haushalte seit dem Jahr 2000 um 1,7 Prozentpunkte auf 10,9 Prozent gestiegen. Ist die private Altersvorsorge nun eine Konsumbremse? Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln weiß, dass die private Altersvorsorge an Bedeutung gewinnt, rechnet aber nicht damit, dass der privaten Konsum abwürgt wird. Die Lücke zwischen Brutto und Netto offenbart sich vor allem im internationalen Vergleich. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat in ihrer gestern veröffentlichten Studie Deutschland ein Lob ausgesprochen. Im vergangenen Jahr sei die Gesamtbelastung durch Sozialabgaben und Steuern um 1,1 Prozentpunkte gesunken. Nach Schweden und Irland sei dies der stärkste Rückgang.

    Aber: Trotz der Erfolge nimmt Deutschland im Vergleich zu den 30 anderen OECD-Staaten immer noch einen Spitzenplatz ein: Platz drei. In der Praxis sieht das so aus: Von 100 Euro Arbeitskosten bleiben für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialbeiträgen nur noch 47,80 Euro übrig. Nur in Belgien und Ungarn ist die Steuer- und Abgabenlast höher. Erstaunlicherweise verfehlt die Steuerprogression ihre Wirkung. OECD-Sprecher Matthias Rumpf

    "Wenn man den längeren Zeitraum von 2000 bis 2007 betrachtet, dann ist es so, dass die Bezieher höherer Einkommen die größten Entlastungen haben und die Geringverdiener kaum. Sie zahlen heute zum Teil mehr als vor acht Jahren."

    Im internationalen Vergleich sind vor allem Alleinerziehende mit Niedrigeinkommen benachteiligt. In anderen OECD-Ländern liegt die Abgabenquote von Alleinerziehenden durchschnittlich 80 Prozent unter dem deutschen Niveau. Nach Einschätzung der OECD entfaltet das deutsche Steuer- und Abgabensystem nicht wie gewünscht seine Wirkung. Für Gering- und Durchschnittsverdiener habe die Abgabenlast trotz niedrigerer Steuersätze kaum abgenommen.

    "Wenn man sich die Steuerreform 2001 anschaut, wie sie beschlossen wurde, dann war es tatsächlich so, dass es Entlastungen für alle Einkommensgruppen gegeben hat. Also es gab eine Senkung des Spitzensteuersatzes, aber auch der Eingangsteuersatz wurde gesenkt. Aber durch die kalte Progression, das heißt durch Inflation und geringen Anstieg der Reallöhne, wurde die Steuerentlastung für die unteren und mittleren Einkommen aufgefressen."

    Schuld ist also die kalte Progression im Steuertarif. Jeder Euro, der zusätzlich auf der Gehaltsliste auftaucht, muss mit einem höheren Steuersatz berechnet werden. Die Spannweite reicht von 15 bis 42 Prozent, je nach Einkommenshöhe. Peter Gottfried vom des Instituts für angewandete Wirtschaftsforschung in Tübingen.

    "Unter dem Phänomen der kalten Progression wird der Effekt gemeint, dass in der Zeit langsam aber sicher die Einkommen stetig auf breiter Front ansteigen. Und mit dem Anstieg des Einkommens, das ja als Bemessungsgrundlage in den Einkommensteuertarif eingeht, rutschen die Einkommen auf breiter Front in immer höhere Progressionszonen. Das heißt, ein immer größerer Anteil des Bruttoeinkommens wird vom Staat vereinnahmt."

    Selbst wenn Arbeitnehmer nur einen Inflationsausgleich als Lohnerhöhung erhalten und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit damit gleich bleibt, nimmt der Steueranteil am Einkommen stetig zu. Die kalte Progression ist eine heimliche Steuererhöhung.

    Die Finanzexperten des Tübinger Instituts für angewandete Wirtschaftsforschung haben im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ausgerechnet, wie stark Steuerzahler durch diese kalte Progression belastet werden. Steigen die Einkommen durchschnittlich um zwei Prozent pro Jahr - also in Höhe der Inflationsrate -, fließen dem Staat über einem Zeitraum von sechs Jahren 63 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen zu.

    Aber auch selbst wenn die Brutto-Einkommen stärker steigen, bleibt real kaum mehr Geld im Portemonnaie der Arbeitnehmer. So haben sich in der Eisen- und Stahlindustrie die Arbeitgeber und die IG Metall in diesem Jahr auf eine 5,2-prozentige Lohnerhöhung verständigt. Zieht man die Inflationsrate von knapp drei Prozent ab, hätte ein gut bezahlter Arbeitnehmer real zwei Prozent mehr Lohn in der Haushaltskasse. Peter Gottfried rechnet vor, wie der Staat mit ins Spiel kommt.

    "Gehen wir vom mittleren Einkommensbereich mit einem zu versteuernden Einkommen von 25.000 bis 30.000 Euro aus: Die Bruttolohnerhöhung von fünf Prozent - das wären dann gut zwei Prozentpunkte über der letzen Inflationsrate - führt zu einer Nettolohnerhöhung von vier Prozent. Also ein guter Prozentpunkt vereinnahmt der Staat auf Grund dieser Progressionswirkung."

    Das verfügbare Einkommen wird aber noch von einer anderen Stelle angeknabbert: Die Inflation ist wieder aufgetaucht: Die Lebenshaltungskosten laufen den Menschen regelrecht davon. Lange Zeit war für die meisten Arbeitnehmer der Begriff Reallohn ein Fremdwort, nun ist er bitterer Alltag. Denn wenn Löhne und Renten langsamer steigen als die Preise, müssen die Verbraucher sich einschränken. Sie spüren beim täglichen Einkauf, dass immer mehr Geld im Supermarkt bleibt, ohne dass der Einkaufskorb voller wird. Auch wenn die amtliche Statistik für das vergangene Jahr nur einen moderaten Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent ausweist, die gefühlte Inflation liegt deutlich höher. Vor allem Gegenstände des täglichen Bedarfs sind teurer geworden.

    "Nicht nur Lebensmittel, vor allen Dingen die Energiekosten, die sind so hoch. Und am kleinen Mann - egal welche Regierung dran ist, das ist der kleine Mann, der wird immer mehr geschruppt, das Gefühl habe ich. Ich werde jetzt 65 Jahre, ich habe immer gearbeitet, also ich bin nicht mehr zufrieden in Deutschland, wenn ich sehe, das ich so - praktisch - abgezogen werde."

    "Es ist ja alles teurer geworden, vom Strom - überall können Sie es merken, gehen Sie einkaufen, Sie kriegen kaum noch etwas für Ihr Geld. Und die Leute bekommen also nicht mehr Lohn und haben dann im Portemonnaie immer weniger, immer weniger, und dann ist auch vollkommen klar, dass nicht mehr gekauft wird, das ist eine Spirale, und die dreht sich und dreht sich nach oben, unendlich."

    Inflationstreiber Nummer eins ist die Energie. Ölpreise von aktuell bei 110 Dollar je Barrel treiben Heizkosten und Benzinpreise steil nach oben. Der starke Euro kann den Preisauftrieb nur teilweise dämpfen. Günter Elbel vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden

    "Seit ein paar Monaten sind es vor allen die Energiepreise, also sowohl die Mineralölprodukte - Benzin oder leichtes Heizöl, als auch die Haushaltsenergie, also Strom, Gas, in der letzten Zeit kamen dann dazu einige Grundnahrungsmittel, also Milch, Butter, Brot. In der Vergangenheit haben die Lebensmittelpreise eigentlich die allgemeine Teuerung immer gedämpft."

    Für den Ölpreisschock könne die Politik nichts, sagt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Gleichwohl gibt er der Politik eine Mitschuld an den steigenden Preisen. So hatte die Bundesregierung Anfang 2007 den Bürgern noch einmal kräftig ins Portemonnaie gegriffen. Der Mehrwertsteuersatz wurde von 16 auf 19 Prozent erhöht.

    "Der hat die Inflationsrate um über einen Punkt nach oben getrieben und damit die Kaufkraft der Haushalte, der Arbeitnehmer und Rentner, deutlich geschwächt, und dafür kann die Politik etwas."