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Schwingender Kern

Geophysik. – Tief unter unseren Füßen, in rund 3000 Kilometern Tiefe, beginnt der Erdkern. Allein diese Distanz macht eine direkte Erkundung unmöglich, und so sind die Geophysiker auf indirekte, seismische Messungen angewiesen. Mit Hilfe von künstlichen Wellen, aber auch natürlichen Erdbeben versuchen sie der Erde Kern zu erkennen. Auf einem Workshop in Jena tauschten sie neuste Erkenntnisse aus.

Von Hartmut Schade | 31.03.2006
    Und sie bewegt sich doch! Soll Galilei gemurmelt haben, als er das Inquisitionstribunal verließ. Und er bewegt sich doch - die Geowissenschaftler heute wären glücklich wenn sie diesen Satz sagen könnten- oder auch sein glattes Gegenteil. Er- das ist der Erdkern. Seit den 60er Jahren gibt es die Theorie das der feste Kern in unserer Erde sich bewegen könnte. Nur gemessen hat dies noch niemand. In dieser Woche trafen sich Geowissenschaftler zu einem internationalen Workshop im Jena, um über die Suche nach den Erdschwingungen zu diskutieren.


    Trotz aller Verwüstungen, die das heftige Erdbeben von Sumatra Weihnachten 2004 anrichtete, einige Wissenschaftler können dem Beben etwas positives abgewinnen. Sie hoffen mit ihm eine fast 40 Jahre alte Frage beantworten zu können: schwingt der feste Erdkern im flüssigen Erdmantel hin und her? Dahinter steckt die einfache mechanische Überlegung,

    "dass man einen festen Körper in einer Flüssigkeit hat, und so ein Körper kann Translationsschwingungen ausführen, einfach hin und herbewegen."

    Erklärt die Professorin Corinna Kroner von der Universität Jena. Unter der 10-30 Kilometer starken Erdkruste, auf der wir uns bewegen, liegt der heiße und flüssige Erdmantel und eingebettet in diesen knapp 3000 Kilometer dicken Mantel schließlich der Erdkern mit rund 6300 Kilometern Durchmesser. Doch welche Kraft bewegt den Erdkern, der ja überwiegend aus schwerem Eisen besteht? Kroner:

    "Darüber sind sich die Fachleute nicht einig. Es muss auf jeden Fall eine starke Anregung sein. Ein Ansatzpunkt sind sicherlich starke Erdbeben, die insbesondere Richtung Erdkern ihre Energie abstrahlen. Ob diese Energie wirklich ausreicht weiß man nicht."

    Das Sumatrabeben gab einen Grossteil seiner verheerenden Kraft in Richtung des Erdinneren ab, es könnte also den Kern zum Schwingen gebracht haben. Bei der Jagd nach dem möglichen Pendeln, setzen die Jenaer auf Gravimeter, Geräte die minimalste Veränderungen der Schwerkraft wahrnehmen. Kroner:

    "Wenn sich eine Masse bewegt, bekommen wir eine Veränderung in der Erdanziehungskraft und das versuchen wir zu beobachten. Aber das ist natürlich in einer sehr, sehr kleinen Größenordnung von maximal 10 hoch minus 12 bis 10 hoch minus 13 der Normalschwere, das heißt der 10 Meter pro Sekunde im Quadrat der Erdbeschleunigung. Wir sind also ganz weit hinter dem Komma."

    Einen ganz anderen Weg schlägt Professor Gyula Mentes von der ungarischen Akademie der Wissenschaften ein. In einem Stollen in der Nähe des westungarischen Sopron hat er ein Extensometer installiert. Ein Messgerät auf Laserbasis, dass selbst nanometergroße Bewegungen der Erdkruste registriert. Mentes:

    "Das Problem mit diesem Instrument: Das Signal ist mit Umwelteffekten überlagert, zum Beispiel wegen Temperaturvariationen, Luftdruckvariationen und die Effekte sind um einige Größenordnung höher, als die Effekte, die wir detektieren möchten."

    Über einigen Gebieten Afrikas oder Chinas sorgen Luftdruckschwankungen für Bewegungen des Erdkruste von zwei Zentimetern, auch Sturmfluten und Temperaturänderungen und natürlich Erdbeben lassen die Erdkruste schwingen. Und das weitaus heftiger als die paar Millimeter, die vermutlich der Erdkern sich bewegt. Die Geowissenschaftler müssen also all diese Störungen herausrechnen. Das geht nur, wen man über mehrjährige Messreihen verfügt und weltweit Daten abgleicht. Auch das heftige Sumatrabeben lieferte bislang keinen Hinweis, allerdings läuft die Datenauswertung noch. Kroner:

    "Bei dem Sumatrabeben ist das Problem, dass es genau im Winter passiert ist. Winterstürme sind etwas absolut unangenehmes. Das heißt, wir haben einen sehr hohen Rauschpegel."

    Doch vielleicht jagen die Geoforscher ja einem Phantom nach, schwingt der Erdkern überhaupt nicht. Corinna Kroner zuckt die Schultern: auch das würde Rückschlüsse auf die physikalischen Eigenschaften von flüssigem Erdmantel und festem Erdkern ermöglichen. Und es wäre noch ein anderes Szenario denkbar: er schwingt, die Bewegung aber ist aber überhaupt nicht messbar. Kroner:

    "Aber kann sehr wohl das Phänomen haben, dass - wenn er sich zur Seite bewegt, auf der einen Seite aufschmilzt und auf der andern Seite wieder verfestigt, das heißt, man bekommt zum Schluss Nulleffekt heraus. Das heißt man sieht gar keine Schwingung."